Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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»russischen Imperialismus« beibehalten und Pläne für ein »nukleares Einsatzkommando« schaffen,<br />
das vorwiegend auf »China und andere Staaten der Dritten Welt« ziele, wobei die Waffen von Trägern<br />
aus kurzer Reichweite abgeschossen werden könnten. Rußland verfolgt ganz offensichtlich ähnliche<br />
Pläne und erörtert gemeinsam mit den Vereinigten Staaten die Idee, gegen Länder der Dritten Welt<br />
vorzugehen, die den Versuch unternehmen, eigene Kernwaffen zu entwickeln. Die jeweiligen Listen<br />
sind nahezu identisch: Nordkorea, dahinter Iran, Irak, Indien und Pakistan. 105 Israel fehlt<br />
bezeichnenderweise, ist es doch, als Instrument amerikanischer <strong>Mac</strong>ht, ebenso vor Kritik geschützt<br />
wie sein Patron. Aus ähnlichen Gründen gehört für Washington auch Saudi-Arabien nicht zu jenem<br />
islamischen Fundamentalismus, der als Feind den sowjetischen Teufel beerben soll. Aber auch die<br />
Vasallen der CIA in Afghanistan waren Freunde, <strong>bis</strong> sie ihre Bomben auf die falschen Ziele<br />
abzuwerfen begannen.<br />
5. Der Nord-Süd-Konflikt<br />
Aus dem <strong>bis</strong>lang Gesagten erhellt, daß das konventionelle Bild des Kalten Kriegs zwar für die<br />
<strong>Mac</strong>htinteressen in Ost und West überaus funktional war, jedoch einer näheren Untersuchung nicht<br />
standhält. Ein realistischeres Verständnis gewinnen wir, wenn wir den Kalten Krieg aus längerfristiger<br />
Perspektive als eine bestimmte Phase in der seit fünfhundert Jahren währenden Geschichte der<br />
Eroberung der Welt durch die europäischen Großmächte sehen, einer von Aggression, Subversion,<br />
Terror und Herrschaft bestimmten Geschichte, die jetzt unter dem Namen »Nord-Süd-Konflikt«<br />
firmiert. Natürlich hat es in dieser Epoche gewaltige Veränderungen gegeben, zu denen auch und vor<br />
allem die durch soziale Kämpfe erreichte Ausweitung von Freiheit und Gerechtigkeit in den reichen<br />
Gesellschaften selbst gehört. Und von Bedeutung ist auch der Ausgang des Zweiten Weltkriegs, der<br />
den Vereinigten Staaten so viel <strong>Mac</strong>ht und Reichtum verschaffte, daß ihre Strategen realistischerweise<br />
eine weltumspannende Politik entwerfen und durchsetzen konnten. Aber die großen Linien haben sich<br />
nicht verändert, und insbesondere Churchills Vision von der Vorherrschaft der reichen Nationen lebt<br />
unverändert fort.<br />
Diese Linien bestimmen den Umriß des Nord-Süd-Konflikts, dessen Logik die Entwicklung des<br />
Kalten Kriegs diktierte, der tatsächlich ein Krieg gegen den unabhängigen Nationalismus vor allem<br />
der Dritten Welt war. 106<br />
Zum einen nämlich ist dieser unabhängige Nationalismus - auch »Ultranationalismus«, »Wirtschaftsnationalismus«<br />
oder »radikaler Nationalismus« genannt - nicht akzeptabel, wie immer er politisch<br />
eingefärbt sein mag. Die Dritte Welt hat nun einmal die Aufgabe, Dienstleistungen für die reichen<br />
Nationen zu erbringen: billige Arbeitskräfte, Rohstoffe, Märkte, Investitionsmöglichkeiten, Export<br />
von Umweltverschmutzung, Drogengeldwäsche, Tourismus usw.<br />
Zum anderen ist der unabhängige Nationalismus, falls er insofern erfolgreich ist, als er die Lage der<br />
armen Bevölkerungsschichten verbessert, ein noch schlimmeres Verbrechen, nämlich ein »Virus«, der<br />
sich anderswohin ausbreiten, ein »fauler Apfel«, der das ganze »Faß verderben kann«. So sahen die<br />
USA das Guatemala unter Arbenz, das Chile unter Allende und das Nicaragua unter den Sandinisten<br />
und viele andere um Unabhängigkeit kämpfende Länder. Genau diese Angst vor einer „Ansteckung"<br />
verbarg sich hinter der Domino-Theorie.<br />
Gelegentlich werden solche Befürchtungen recht deutlich ausgesprochen. So warnte Henry Kissinger,<br />
daß die Regierung Allende mit ihrem Beispiel nicht nur Lateinamerika, sondern sogar Südeuropa<br />
»anstecken«, präziser gesagt, in Italien für einen Sieg der Eurokommunisten sorgen könnte (der sogar<br />
Moskau mit Sorge erfüllte). Andere Propagandabemühungen sind vulgärer, zielen aber in die gleiche<br />
Richtung. So setzte das US-Außenministerium gegen die Sandinisten die Operation Wahrheit in Gang,<br />
um den Kongreß dazu zu bewegen, 100 Millionen Dollar für die Unterstützung der Contras<br />
locker<strong>zum</strong>achen. Zu diesem Zweck wurde eine angeblich von den Übeltätern in Nicaragua<br />
ausgerufene »Revolution ohne Grenzen« erfunden, die bei den üblichen Eliten das übliche Entsetzen<br />
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