DA Elisabeth Lambrecht.pdf
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An dieser Stelle sei noch einmal an das sizilianische Beispiel der Franca Viola erinnert.<br />
Die Tradition ermöglicht, dass ein Mann eine Frau zur Heirat nötigen kann, indem er sie<br />
vergewaltigt. Würde nun Franca Viola wirklich denken, dass sie amoralisch gehandelt<br />
habe, weil sie sich weigerte, ihren Vergewaltiger zu heiraten, diesen vor Gericht brachte<br />
und darüber hinaus einen anderen Mann heiratete? Ganz im Gegenteil, Franca Viola<br />
betrachtete sich nicht als amoralisch handelnde Frau, sondern als eine, die mit einer<br />
manipulativen und degradierenden Tradition brach. In der Perspektive des Kulturrelativismus<br />
stellt sich aber das Verhalten von Franca Viola als falsch dar. Darin zeigt sich,<br />
dass es unter der kulturrelativistischen Doktrin für jede Person unmöglich sei zu denken,<br />
dass sie, indem sie eine kulturell gegebene Konvention gebrochen hat – egal was<br />
diese im einzelnen beinhaltet – richtig gehandelt haben könnte (ebd.: 43). Cook konstatiert<br />
schlussfolgernd, dass die Antwort auf die Frage, wie Menschen bei Annahme des<br />
Kulturrelativismus handeln würden, nicht so relevant ist. Die beiden Antworten, einmal<br />
die der KritikerInnen des Kulturrelativismus, welche Anarchie und das generelle Zusammenbrechen<br />
von sozialen Konventionen schlussfolgern, zum anderen die der KulturrelativistInnen,<br />
welche die Tyrannei der gegebenen Werte über den Einzelnen festschreibt,<br />
böten nach Cook bizarre Konsequenzen (ebd.: 44).<br />
7) Auf die Frage was Moral ist, geben KulturrelativistInnen die folgende Antwort:<br />
„morality is nothing but the accepted customs, practices, and sanctions regarding<br />
the conduct that, in any culture, is judged to be moral or immoral, right or<br />
wrong, good or bad.“ (ebd.). Dabei missachten sie, so Cook, was eigentlich unter<br />
Moral verstanden wird.<br />
Anhand einer Reihe von Beispielen erläutert Cook, dass nicht davon auszugehen sei,<br />
Moral genau in jener oben genannten Definition gelten zu lassen. Man denke nur an den<br />
Vietnamkrieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Diejenigen, die ihn als amoralisch<br />
identifizierten, waren keineswegs der Meinung, dass der Krieg als konträr zu den in den<br />
USA gegebenen Konventionen zu beurteilen sei. Vielmehr sahen die KritikerInnen den<br />
Krieg als allzu geläufiges Mittel nationaler Politik (ebd.). Ebenso beurteilen AbtreibungsgegnerInnen<br />
Abtreibung als amoralisch, verweisen aber darauf, dass Abtreibung<br />
zu einer gängigen Praxis in den USA geworden ist. Darüber hinaus muss in diesem<br />
Kontext auf eine weitere Implikation des Kulturrelativismus hingewiesen werden. Die<br />
kulturrelativistische Definition von Moral hat zur Konsequenz, dass eine Person, die für<br />
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