DA Elisabeth Lambrecht.pdf
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ralisch, das ihres Vergewaltigers als moralisch gedeutet werden. Ob eine solche Implikation<br />
überhaupt vom Kulturrelativismus im Generellen und von Escobar im Besonderen<br />
gewünscht und mitgedacht wurde, bleibt leider unbeantwortet. Festgehalten werden<br />
kann, dass eine solche Sichtweise implizit nicht ausgeschlossen und damit möglich ist.<br />
Die spezifische Interpretation von Moral in einer Kultur durch den Kulturrelativismus<br />
und Arturo Escobar führt uns zur dritten paradoxen Implikation. Denn auf die Frage,<br />
wie das Verhalten einer gegen die traditionellen kulturellen Vorstellungen und Praktiken<br />
agierenden Person gewertet werden könnte, vermag der Kulturrelativismus nicht<br />
viel mehr anzubieten als die Auffassung, die Person sei irregeleitet oder gar verrückt.<br />
Mit dem von Escobar vertretenen Konzept der kulturellen Affirmation, das weiter vorne<br />
in seiner Bedeutung dem Begriff der enkulturellen Konditionierung von John W. Cook<br />
gleichgesetzt wurde, erscheint auch hier das Verhalten von Personen aus einer Kultur<br />
als fehlgeleitet, wenn sie diese moralisch kritisieren oder gar gegen sie opponieren.<br />
Denn wie kann dieses Verhalten anders bewertet werden, als nicht-konformes zur Kultur,<br />
die ja eigentlich im Prozess der Enkulturation affirmiert wurde?<br />
Hinsichtlich des vierten Aspekts der paradoxen Implikationen des Kulturrelativismus<br />
lässt sich auch für Escobars Ausführungen festhalten, dass bei einer wirklich unvoreingenommenen<br />
Auswahl der Beispiele auch jene einzubeziehen sind, die verdeutlichen,<br />
dass der Kulturrelativismus eben nicht – wie er verspricht – die Menschen lehre, unvoreingenommen<br />
zu sein, sondern dass seine Gleichgültigkeit gegenüber den Inhalten einer<br />
kulturellen Tradition sogar Menschenleben zu verantworten hätte. Escobar will die<br />
Wirkmächtigkeit des Entwicklungsdiskurses, die Transformation, Verdrängung und<br />
sogar Zerstörung von kulturellen Vorstellungen und Praktiken in den Ländern des Südens<br />
verdeutlichen. Dabei basiert seine Argumentation zu den zwei Prämissen auf dem<br />
Kulturrelativismus. Er geht von grundsätzlicher kultureller Diversität aus und stellt heraus,<br />
dass sich die Identität der Einzelnen durch kulturelle Affirmation herausbilde. Aus<br />
der Verurteilung von universellen Prinzipien und Ideen, wie der Entwicklung, leitet er –<br />
gemäß einer dualistischen Interpretation von Universalismus und Kulturrelativismus –<br />
die Unantastbarkeit kultureller Kollektive ab. Mit ihrer Gleichgültigkeit gegen deren<br />
Konstitution stellten sich alle Entwicklungsstrategien und Interventionen als bevormundende<br />
und ethnozentrisch motivierte Handlungen dar. Diese lehnt Escobar nicht nur ab,<br />
sondern fordert auch traditionellen und kulturell inspirierten Widerstand gegen dieselben.<br />
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