Zwischenbericht 2010 zur Evaluation der ... - Bildungsketten
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Drucksache 17/3890 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode<br />
münden. Die BiBB-Studie untersucht dabei vor allem,<br />
welche Jugendlichen letzten Endes zu den 15 % eines<br />
Jahrgangs gehören, die dauerhaft ohne Ausbildung bleiben.<br />
Auch wenn Kategorien wie ein fehlen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> niedriger<br />
Schulabschluss, ein geringer Bildungsstand <strong>der</strong> Eltern<br />
o<strong>der</strong> ein Migrationshintergrund zentrale Faktoren<br />
sind, so zeichnet die Studie insofern ein wesentlich differenzierteres<br />
Bild als unter den von Ausbildungslosigkeit<br />
betroffenen Jugendlichen 30 % einen mittleren Bildungsabschluss<br />
verfügen und 61 % ohne Migrationshintergrund<br />
sind (ebenda S. 18). Das Übergangspanel des Deutschen<br />
Jugendinstituts (DJI) zeigt, dass auch Hauptschulabgängerinnen<br />
und -abgänger eine wesentlich heterogenere<br />
Gruppe darstellen als die pauschale Kategorisierung als<br />
‚nicht ausbildungsreif‘ vermuten lässt. Über die verschiedenen<br />
Befragungswellen hinweg wird sichtbar, wie Jugendliche<br />
bereits vor Ende <strong>der</strong> Hauptschule ihre Ansprüche<br />
herunterschrauben und sich auf Warteschleifen<br />
einstellen, die dann für einige – nicht alle – von ihnen<br />
nach mehreren Etappen tatsächlich auch in voll- o<strong>der</strong> teilqualifizierende<br />
Ausbildungen führen (Gaupp et al. 2008,<br />
S. 22ff).<br />
Auf Seiten <strong>der</strong> Jugendlichen hat die Entstandardisierung<br />
des Übergangs in den Beruf keineswegs zu einer Abnahme<br />
berufsbezogener Lebensentwürfe geführt. Sowohl<br />
repräsentative Surveys als auch qualitative Studien zeigen,<br />
dass nach wie vor für Jugendliche aus allen sozialen<br />
und Bildungsgruppen Arbeit ein zentraler Faktor ihrer<br />
Lebensplanung ist und dass sie eine Ausbildung als zielführenden<br />
Weg akzeptieren, obwohl sie vielfach unter<br />
dem Anpassungsdruck an das standardisierte System <strong>der</strong><br />
Ausbildungsberufe und die begrenzte Auswahl ihnen offen<br />
stehen<strong>der</strong> Berufe leiden. Diese positive Berufsorientierung<br />
ist teilweise gebrochen durch die Vorwegnahme<br />
von Ausbildungs-, Arbeits- und allgemeiner Perspektivlosigkeit<br />
(Schittenhelm 2005; Walther et al. 2007).<br />
Motivation als das Zusammenspiel subjektiver Anreizfaktoren<br />
und Selbstwirksamkeitseinschätzung ist dabei<br />
abhängig von den subjektiven Erfahrungen mit eigenem<br />
Handeln in <strong>der</strong> eigenen Lebensgeschichte und deshalb<br />
– wie die Lebenschancen – sozial ungleich verteilt, ohne<br />
deshalb strukturell bestimmt zu sein (Bandura 1997). Die<br />
Anfor<strong>der</strong>ung an junge Frauen und Männer – und beson<strong>der</strong>s<br />
für diejenigen mit durch niedrige Bildungsabschlüsse<br />
und geringe familiäre Unterstützung eingeschränkten<br />
Ressourcen – besteht darin, auf <strong>der</strong> einen<br />
Seite einen Lebensentwurf zu entwickeln, mit dem sie<br />
sich identifizieren können, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die verfügbaren<br />
Bildungs- und Berufsoptionen zu nutzen, auch<br />
wenn sie nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Diese Jugendlichen<br />
machen aufgrund des drei- beziehungsweise<br />
viergliedrigen Schulsystems (wenn man die För<strong>der</strong>schulen<br />
hinzuzählt) bereits früh die Erfahrung, dass bestimmte<br />
Lebensentwürfe für sie tendenziell nicht in Frage kommen<br />
werden. Ihnen ist zum einen <strong>der</strong> Zugang zu subjektiv<br />
bedeutsamen Berufszielen verwehrt, zum an<strong>der</strong>en machen<br />
sie oft eher Erfahrungen des Scheiterns als des Erfolgs.<br />
Dies wirkt sich negativ auf ihr Selbstwirksamkeitsgefühl<br />
aus und damit auf die Motivation sich im Kontext<br />
von Bildung und Ausbildungsplatzsuche zu engagieren. 9<br />
2.4.2 Vorhandene <strong>Evaluation</strong>sstudien und<br />
Forschungsergebnisse<br />
Untersuchungen über die Effekte von Hilfen beim Übergang<br />
von <strong>der</strong> Schule in den Beruf– insbeson<strong>der</strong>e von berufsvorbereitenden<br />
Maßnahmen – sind in den letzten zehn<br />
Jahren verstärkt in Auftrag gegeben und durchgeführt<br />
worden. Auch wenn diese Studien im Großen und Ganzen<br />
die Problematik <strong>der</strong> analytischen Identifizierung und<br />
Messung einzelner Wirkungsfaktoren noch nicht vollständig<br />
bewältigt haben, so bieten sie dennoch zahlreiche<br />
Hinweise, die für das vorliegende <strong>Evaluation</strong>sprojekt von<br />
Bedeutung sind.<br />
– Die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Auftrag<br />
gegebene und vom Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt-<br />
und Sozialpolitik GmbH (INBAS) durchgeführte<br />
Expertise „Neue arbeitsmarktpolitische Instrumente<br />
für Jugendliche“ untersuchte eine Reihe im<br />
Jahr 2007 neu eingeführter Maßnahmen <strong>zur</strong> Reduzierung<br />
von Jugendarbeitslosigkeit (Qualifizierungs- und<br />
Einglie<strong>der</strong>ungszuschüsse für jüngere Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer, sozialpädagogische Begleitung<br />
und organisatorische Unterstützung bei Berufsausbildung<br />
und Berufsvorbereitung, Einstiegsqualifizierung<br />
und vertiefte Berufsorientierung). Diese Studie stellt<br />
zum einen fest, dass – zumindest im ersten Jahr nach<br />
ihrer Einführung – nur geringe Anteile <strong>der</strong> Zielgruppe<br />
erreicht wurden. Sie nimmt dies zum Anlass, die Zielsetzungen<br />
und die Implementation <strong>der</strong> Instrumente<br />
kritisch zu analysieren und konstatiert ein unverbundenes<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> von Maßnahmen (INBAS<br />
2009).<br />
– Die BiBB-Übergangsstudie und das DJI-Übergangspanel<br />
fragen im Zuge ihrer Erhebungen unter an<strong>der</strong>em<br />
auch nach dem Verbleib von Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern an Berufsvorbereitungsmaßnahmen <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> BA. Der BiBB-Übergangsstudie zufolge<br />
sind drei Monate nach Maßnahmeende gut 50 %<br />
und 15 Monate danach 70 % <strong>der</strong> Teilnehmenden in einer<br />
anerkannten Berufsausbildung (Beicht et al. 2008,<br />
9 Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwartung (engl. Perceived<br />
self-efficacy) bezeichnet in <strong>der</strong> Psychologie die eigene Erwartung,<br />
aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich<br />
selbst ausführen zu können. Ein Mensch, <strong>der</strong> daran glaubt,<br />
selbst etwas zu bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstständig<br />
handeln zu können, hat demnach eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung.<br />
Eine Komponente ist die Annahme, man könne als<br />
Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen (internaler<br />
locus-of-control o<strong>der</strong> Kontrollüberzeugung). Im Unterschied dazu<br />
könnte man auch äußere Umstände, an<strong>der</strong>e Personen, Zufall, Glück<br />
und an<strong>der</strong>e Ereignisse als ursächlich ansehen. Untersuchungen zeigen,<br />
dass Personen mit einem starken Glauben an die eigene Kompetenz<br />
größere Ausdauer bei <strong>der</strong> Bewältigung von Aufgaben, eine niedrigere<br />
Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen und mehr<br />
Erfolge in <strong>der</strong> Ausbildung und im Berufsleben aufweisen. Selbstwirksamkeitserwartung<br />
ist – neben dem subjektiven Anreizwert eines<br />
Handlungsziels – eine zentrale Kategorie von Motivation (siehe<br />
Bandura 1997, Schwarzer/Jerusalem 2002).