Zwischenbericht 2010 zur Evaluation der ... - Bildungsketten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/3890<br />
(2005) zu Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche untersuchte<br />
im Auftrag <strong>der</strong> Europäischen Kommission Konstellationen<br />
von Bildungsbenachteiligung und Jugendarbeitslosigkeit<br />
in 13 EU-Mitgliedsstaaten sowie Faktoren<br />
erfolgreicher Handlungsansätze. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie<br />
lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass sozialpolitische<br />
Leistungen für armutsbedrohte Familien,<br />
Durchlässigkeit <strong>der</strong> Schulsysteme sowie niedrigschwellige<br />
beziehungsweise flexible Beratung und Unterstützung<br />
in <strong>der</strong> Regelschule zentrale Faktoren für eine niedrige<br />
Rate an frühen Schulabgängerinnen und -abgängern<br />
ist. In Bezug auf Jugendarbeitslosigkeit zeigt sich, dass<br />
ein wichtiger Faktor die Balance zwischen individualisierenden<br />
und strukturbezogenen Maßnahmen ist, zum Beispiel<br />
die Erhöhung <strong>der</strong> Ausbildungsreife <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
und gleichzeitig die Erweiterung <strong>der</strong> Zugänge zu<br />
regulärer Ausbildung und Beschäftigung. Betriebliche<br />
Ausbildungsgänge waren nicht grundsätzlich erfolgreicher<br />
als schulische, solange letztere in ausreichendem<br />
Maße mit Betrieben kooperierten, um Jugendlichen Praxiserfahrungen<br />
zu vermitteln und gleichzeitig die Berufsbildung<br />
am Bedarf <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft aus<strong>zur</strong>ichten.<br />
Generell zeigte sich, dass höhere Ausgaben für Bildung<br />
und Arbeitsmarktpolitik in einem engen Zusammenhang<br />
mit einem niedrigeren Anteil an frühen Schulabgängerinnen<br />
und -abgängern sowie einer kürzen Dauer von Arbeitslosigkeit<br />
stehen.<br />
Die Politikmaßnahmen im Bereich <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung benachteiligter<br />
Jugendlicher sind von Land zu Land sehr<br />
unterschiedlich, da sich die Problemlagen, wie zum Beispiel<br />
die Jugendarbeitslosigkeit und die vorhandenen Institutionen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Bereich des Ausbildungssystems,<br />
teilweise deutlich unterscheiden. In vielen Län<strong>der</strong>n<br />
gibt es für die Zielgruppe <strong>der</strong> Jugendlichen mit Benachteiligungen<br />
Programme mit spezifischen Schwerpunkten.<br />
Darüber hinaus existieren vielfach Maßnahmen für jugendliche<br />
Arbeitslose, die aber nicht in <strong>der</strong> Schule ansetzen<br />
13 und daher hier nicht betrachtet werden, da <strong>der</strong> Ansatz<br />
<strong>der</strong> Berufseinstiegsbegleitung die Verbindung von<br />
Schule und Arbeitswelt ist. 14<br />
Zu den Maßnahmen, die eine vergleichbare Zielgruppe<br />
wie die Berufseinstiegsbegleitung betreffen und einen<br />
13 Bekanntestes Beispiel ist hier <strong>der</strong> britische „New Deal for Young<br />
People“ (NDYP).<br />
14 Neben <strong>der</strong> Unterstützung von Schülerinnen und Schülern sind auch<br />
Maßnahmen zu berücksichtigen, bei denen Schulen die Empfänger<br />
<strong>der</strong> finanziellen Zuwendungen sind. Das ist <strong>der</strong> Fall in den Nie<strong>der</strong>landen,<br />
wo Schulen mit hohem Migrantenanteil <strong>zur</strong> Bereitstellung<br />
von mehr Personal o<strong>der</strong> besserer Computerausstattung finanziell unterstützt<br />
werden (Leuven et al. 2007). Ähnliche Programme für<br />
finanzielle Zuwendungen an Schulen mit hohem Benachteiligungsanteil<br />
gibt es in Frankreich mit dem 1982 gestarteten Programm<br />
„Zones d’éducation prioritaire“ (Bénabou et al. 2005), in Mexiko mit<br />
dem 1971 eingeführten Programm „CONAFE“ (Shapiro/Trevino<br />
2004) sowie dem 2001 eingeführten „Programa Escuelas de Calidad“<br />
(Skoufias/Shapiro 2006) und seit 1965 in den USA mit den „Title I“-<br />
Maßnahmen (van <strong>der</strong> Klaauw 2008). Ebenso fällt in diese Kategorie<br />
die „Standard English as a Second Dialect“-Maßnahme im kanadischen<br />
Bundesstaat British Columbia, bei dem Schuldistrikte finanziell<br />
unterstützt werden, um indigene Schülerinnen und Schüler mit<br />
nicht-englischer Muttersprache zu unterstützen (Battisti et al. 2009).<br />
ähnlichen Ansatz verfolgen, gehören insbeson<strong>der</strong>e Mentorenprogramme,<br />
die in vielen Län<strong>der</strong>n durchgeführt werden.<br />
Viele dieser Ansätze sind lokale Initiativen. Als bekanntestes<br />
Beispiel sei das „Big Brothers – Big Sisters“-<br />
Programm genannt, das 1904 in New York gegründet<br />
wurde und vor allem in Nordamerika sehr stark vertreten<br />
ist. 15 Mittlerweile ist die Non-Profit-Organisation auch in<br />
verschiedenen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n tätig. Durch diese Maßnahmen<br />
werden Jugendliche aus problematischen Elternhäusern<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitig benachteiligte Jugendliche erwachsenen<br />
Personen zugeteilt, welche die Jugendlichen<br />
individuell betreuen und in Bereichen, wie den Schulaufgaben,<br />
unterstützen. Die Mentoren haben insbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die individuelle Betreuung und den Zugang zu den<br />
Jugendlichen eine sehr gute Möglichkeit, <strong>der</strong>en Entwicklung<br />
zu beeinflussen. Sie werden von den Jugendlichen<br />
eher als Freundin o<strong>der</strong> Freund angesehen und nicht als<br />
Sozialarbeiterin o<strong>der</strong> Sozialarbeiter (Grossman/Tierney<br />
1998).<br />
In den Vereinigten Staaten ist des Weiteren ein wichtiges<br />
staatliches Programm das 1986 gestartete und durch Privatinitiativen<br />
und -stiftungen geför<strong>der</strong>te „Career Beginnings<br />
Program“. Es bietet den Schülerinnen und Schülern<br />
ebenfalls erwachsene Mentorinnen und Mentoren, Jobs in<br />
den Sommerferien, Workshops und Unterricht in den Ferien<br />
sowie Berufs- und Karierreberatung an und ist in einem<br />
lokalen Netzwerk eingebettet, das aus den öffentlichen<br />
Schulen, einer Universität o<strong>der</strong> einem College und<br />
lokalen Wirtschaftsunternehmen besteht. Die Zielgruppe<br />
sind Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> Vorabgangsklasse, die<br />
hauptsächlich aus wirtschaftlich benachteiligten Schichten<br />
kommen.<br />
Das britische Programm Connexions richtet sich an 13- bis<br />
18-jährige Jugendliche mit dem Ziel, den Anteil <strong>der</strong> frühen<br />
Schulabgängerinnen und -abgänger zu senken. Jugendlichen<br />
in Risikoschulen und -stadtteilen wird ein<br />
„personal advisor“ zugeteilt, <strong>der</strong> individuelle Netzwerke<br />
mit schulischen und außerschulischen Akteuren, etwa <strong>der</strong><br />
Jugendarbeit, knüpft. Das Programm hat vor allem deshalb<br />
zu einer deutlichen Erhöhung <strong>der</strong> Bildungsbeteiligung<br />
benachteiligter Jugendlicher geführt, weil es mit<br />
finanziellen Bildungsbeihilfen für benachteiligte Familien<br />
verknüpft wurde (Biggart 2005).<br />
Im Folgenden werden Programme aus den USA in größerem<br />
Detail betrachtet, für die bereits Wirkungsanalysen<br />
vorliegen. Ein beson<strong>der</strong>s interessantes Beispiel ist das Job<br />
Corps-Programm, das 1964 durch den „Economic Opportunity<br />
Act“ eingeführt wurde und seit 1998 unter dem<br />
„Workforce Investment Act“ läuft. Es besteht seit nun fast<br />
46 Jahren in den Grundzügen unverän<strong>der</strong>t. Das beson<strong>der</strong>e<br />
an Job Corps ist, dass das Programm in einem so genannten<br />
Job Corps Center stattfindet, von denen es <strong>der</strong>zeit<br />
123 in den USA gibt. Der Großteil <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit etwa<br />
100.000 Jugendlichen wohnt auch während des Pro-<br />
15 Für weitere Informationen zum „Big Brothers -- Big Sisters“-Programm<br />
und dessen Geschichte wird auf die Internetseiten <strong>der</strong> Organisation<br />
in Deutschland (www.bbbsd.org) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />
Mutterorganisation (www.bbbs.org) verwiesen.