Zwischenbericht 2010 zur Evaluation der ... - Bildungsketten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/3890<br />
Neben schulischen Leistungen und Lernschwierigkeiten<br />
ist das Elternhaus, welches als Hauptressource o<strong>der</strong> -belastung<br />
<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler beschrieben wird,<br />
ein weiteres stark gewichtetes Auswahlkriterium. So sind<br />
auch Jugendliche, bei denen keine Unterstützung vom Elternhaus<br />
zu erwarten ist, zusätzlich mit aufgenommen<br />
worden, unabhängig vom schulischen Leistungsvermögen.<br />
Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit in vielen Regionen<br />
sind viele Familien <strong>der</strong> teilnehmenden Jugendlichen von<br />
Erwerbslosigkeit und Bezug von Arbeitslosengeld II betroffen.<br />
Das Elternhaus, da sind sich die Berufseinstiegsbegleiterinnen<br />
und -begleiter einig, kann einen enormen<br />
Belastungsfaktor für die Jugendlichen darstellen. Viele<br />
sind stark in Haushalt sowie die Aufsicht und Betreuung<br />
<strong>der</strong> Geschwister mit eingebunden. Auch darf die Vorbildfunktion<br />
<strong>der</strong> Eltern nicht unterschätzt werden.<br />
„ … und da spielt auch das Elternhaus eine große Rolle,<br />
also wir merken das immer wie<strong>der</strong>, dass Kin<strong>der</strong>, wo die<br />
Eltern arbeitslos sind, wo die Eltern auch einen sehr niedrigen<br />
Bildungsstand haben, eben auch die Kin<strong>der</strong> einen<br />
niedrigen Bildungsstand haben, also ich will nicht sagen,<br />
das hat sich vererbt, aber ich denk mal so, so Vorbildwirkung<br />
hat.“ (BB5, 4)<br />
So desolat manche Familiensituationen, in denen auch<br />
zum Teil Kriminalität und Gewaltbereitschaft vorhanden<br />
sind, auch beschrieben werden, wird gleichzeitig immer<br />
darauf hingewiesen, dass es natürlich auch Eltern gibt,<br />
welche sich gut um die Jugendlichen kümmern und die<br />
engagiert und interessiert mit <strong>der</strong> Berufseinstiegsbegleitung<br />
zusammenarbeiten. Allgemein stehen viele Eltern<br />
<strong>der</strong> Berufsorientierung ihrer Kin<strong>der</strong> hilflos gegenüber und<br />
sind nicht in <strong>der</strong> Lage eine angemessene Begleitung zu<br />
bieten.<br />
„Ja, ergänzen muss man dazu, dass die Schüler, die wir<br />
hier an <strong>der</strong> Schule haben, häufig über Elternhäuser, also<br />
aus Elternhäuser kommen, die mit diesen Strukturen gar<br />
nicht vertraut sind, die sich auch wenig darum kümmern<br />
und sich doch schon auf die Schule verlassen, auf den<br />
schulischen Rahmen verlassen.“ (BB1, 76)<br />
An<strong>der</strong>s als in den standardisierten Erhebungen stellen<br />
sich die Aussichten für die teilnehmenden Jugendlichen<br />
dar. Den Akteuren wie auch den teilnehmenden Jugendlichen<br />
ist durchaus klar, dass <strong>der</strong> Abschluss an einer Haupto<strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>schule nicht viele Möglichkeiten eröffnet.<br />
Viele Schülerinnen und Schüler wissen, dass ihre Chancen<br />
auf dem Ausbildungsstellenmarkt aufgrund <strong>der</strong> Stigmatisierung<br />
<strong>der</strong> besuchten Schulform gering sind. Die<br />
meisten reagieren hierauf mit Resignation und Demotivierung,<br />
woraus ein Absacken schulischer Leistungen resultiert.<br />
„Erst mal Erstaunen. Und dann kommt als nächster<br />
Schritt so die Überlegung, da kann ich ja eh machen, was<br />
ich will. Also Chance hab ich sowieso keine, Job krieg<br />
ich sowieso nicht, muss ich im Unterricht auch nicht aufpassen.<br />
Ob ich einen Hauptschulabschluss mit 1,0 mach<br />
o<strong>der</strong> keinen hab, wo ist <strong>der</strong> Unterschied?“ (Bereb7, 45)<br />
Gegensätzlich hierzu gibt es aber viele Schülerinnen und<br />
Schüler, die sich gerade aufgrund <strong>der</strong> Stigmatisierung des<br />
Haupt- o<strong>der</strong> För<strong>der</strong>schulabschlusses das Ziel gesetzt haben,<br />
eine weiterführende Schule zu besuchen, um höhere<br />
Bildungsabschlüsse zu erreichen und somit ihre Chancen<br />
auf dem Ausbildungsstellenmarkt verbessern zu können,<br />
worin sie häufig we<strong>der</strong> von Schule noch Berufseinstiegsbegleitung<br />
Bestärkung erfahren.<br />
Neben <strong>der</strong> Perspektivlosigkeit vieler Schülerinnen und<br />
Schüler ist auch die Orientierungslosigkeit, welche sich<br />
durch ständiges Wechseln <strong>der</strong> Berufswünsche äußert, ein<br />
immer wie<strong>der</strong>kehrendes Thema in den Gesprächen. Den<br />
Jugendlichen fällt es sichtlich schwer, sich für einen Beruf<br />
zu entscheiden. Oftmals richtet sich <strong>der</strong> Berufswunsch<br />
nach den späteren Verdienstmöglichkeiten. Tendenziell<br />
werden jedoch die klassischen Berufe für Männer und<br />
Frauen favorisiert.<br />
„Gerade hier in <strong>der</strong> achten ist es so, dass einige Schüler<br />
sich noch nicht 100-prozentig festgelegt haben, was sie<br />
wollen; ist verständlich, einige sind 13, ne? Wer von uns<br />
hat das mit 13 schon gewusst ((lacht)).“ (Bereb4, 7)<br />
Generell sind die Beschreibungen <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />
Schüler stark verallgemeinernd. Dezidiertes Aufzeigen<br />
von Stärken und Ressourcen einzelner Schülerinnen und<br />
Schüler fällt hingegen schwerer. Es sind sich jedoch alle<br />
einig, dass die Stärken <strong>der</strong> Jugendlichen in <strong>der</strong> Praxis zu<br />
finden sind und nicht in <strong>der</strong> Theorie.<br />
Die mangelnde Ausbildungsreife <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />
Schüler und die damit korrelierenden Schwierigkeiten auf<br />
dem Ausbildungsstellenmarkt, so berichten die Gesprächspartner,<br />
wird einerseits an den schlechten schulischen<br />
Leistungen festgemacht, an<strong>der</strong>erseits mit fehlen<strong>der</strong><br />
Sozialkompetenz und Eigenverantwortung erklärt.<br />
„Also ich halte für das größte Problem die fehlende Ausbildungsreife,<br />
die viele Hauptschüler haben, […], die einfach<br />
mit Abschluss <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Schule noch nicht soweit<br />
sind, von ihren sozialen Fähigkeiten her, von ihren Plänen,<br />
vom Hinterfragen ihrer Berufswünsche, dass <strong>der</strong><br />
Übergang nahtlos passieren kann.“ (BB4, 3)<br />
Angesicht <strong>der</strong> Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt<br />
und <strong>der</strong> Tatsache, dass „die Arbeitgeber nicht bereit sind,<br />
von ihren Anfor<strong>der</strong>ungen abzugehen“ (BB7, 5), werden<br />
die Chancen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf einen Ausbildungsplatz<br />
eher schlecht eingeschätzt. Die Erwartungen<br />
<strong>der</strong> Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter<br />
stehen damit in einem deutlichen Gegensatz zu den Erwartungen<br />
<strong>der</strong> Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die fehlende<br />
Mobilitätsbereitschaft <strong>der</strong> Jugendlichen erschwert<br />
die Situation zusätzlich. Doch wird ein Trend des Wandels<br />
in vielen Regionen wahrgenommen. Aufgrund <strong>der</strong><br />
geburtenschwachen Jahrgänge könnten Betriebe in Zukunft<br />
gezwungen sein, ihre hohen Anfor<strong>der</strong>ungen nach<br />
unten zu korrigieren, so dass die Chancen von Haupt- und<br />
För<strong>der</strong>schülerinnen und -schülern auf einen Ausbildungsplatz<br />
in Zukunft möglicherweise steigen werden.