Bachelor- und Master-Studiengänge in ... - Universität Passau
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DEUTSCHLAND IM VERGLEICH<br />
5. Die E<strong>in</strong>führung von <strong>Bachelor</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Master</strong>-<strong>Studiengänge</strong>n <strong>in</strong> Deutschland<br />
Betrachtungen im europäischen Vergleich<br />
Barbara M. Kehm; Ulrich Teichler<br />
5.1 Vorbemerkung<br />
Die folgende Analyse zur deutschen Situation ist <strong>in</strong>haltlich <strong>und</strong><br />
methodisch <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht anders angelegt als die vorangehenden<br />
Kapitel. Erstens wird <strong>in</strong> diesem Abschnitt der Versuch<br />
unternommen, die E<strong>in</strong>führung der gestuften Studienstruktur <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em weiter gefassten Kontext der Hochschulreformentwicklung<br />
<strong>in</strong> Deutschland anzusprechen. Zweitens wurden zur Erstellung<br />
dieser Analyse ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Besuche <strong>und</strong> Interviews<br />
durchgeführt, sondern es wird von kürzlich durchgeführten Studien<br />
bzw. von vorliegenden Publikationen sowie direkten Erfahrungen<br />
der Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Autoren Gebrauch gemacht. Schließlich<br />
wird drittens die Analyse der deutschen Situation unter<br />
Berücksichtigung der sechs anderen Länderberichte im Vergleich<br />
vorgenommen, um daraus Anregungen für zukünftige<br />
Gestaltungsentscheidungen zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
5.2 Die Vorgeschichte der Bologna-Reform <strong>in</strong> Deutschland<br />
Wenn <strong>in</strong> den 1980er <strong>und</strong> 1990er Jahren vergleichende Analysen<br />
zu zentralen Hochschulreformtrends <strong>in</strong> Europa vorgenommen<br />
wurden, so waren die Aussagen zu den Entwicklungen <strong>in</strong><br />
Deutschland bei e<strong>in</strong>er Fülle von unterschiedlichen Aspekten des<br />
Hochschulwesens relativ ähnlich: Deutschland erschien häufig<br />
als Außenseiter oder als Spätkommer auf der europäischen Hochschulreformszene.<br />
Das wurde zum Beispiel so gesehen im H<strong>in</strong>blick<br />
auf Fragen der Hochschulexpansion, der Steuerung des<br />
Hochschulsystems <strong>und</strong> des Managements von Hochschulen, der<br />
E<strong>in</strong>führung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie auch<br />
im H<strong>in</strong>blick auf verschiedene Aspekte der Internationalisierung<br />
von Hochschulen.<br />
Von externen wie <strong>in</strong>ternen Beobachtern des deutschen Hochschulsystems<br />
wurde <strong>in</strong> solchen Kontexten oft auf Barrieren für<br />
Reformansätze verwiesen. Beispielhaft seien dafür genannt:<br />
+ die Überlastung des Hochschulsystems durch „Untertunnelung“<br />
des „Studentenberges“;<br />
+ der Wunsch nach „Organisationsruhe“ nach den Belastungen<br />
der vorangegangenen Organisationsexperimente;<br />
+ die Belastungen durch den Vere<strong>in</strong>igungsprozess <strong>in</strong> Deutschland;<br />
+ überkomplexe Entscheidungsverflechtungen im föderalen<br />
System der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sowie im Koord<strong>in</strong>ationssystem<br />
von Hochschule <strong>und</strong> Staat.<br />
Daneben wurde – vielfach auch von deutscher Seite – darauf<br />
h<strong>in</strong>gewiesen, dass man <strong>in</strong> Deutschland nicht alle europäischen<br />
Trends als wünschenswert betrachtete. Unter anderem können<br />
dafür folgende Beispiele angeführt werden:<br />
+ Bis Mitte der neunziger Jahre herrschte <strong>in</strong> Deutschland große<br />
Skepsis, ob weitere deutliche Erhöhungen <strong>in</strong> den Studienanfänger-<br />
<strong>und</strong> Absolventenquoten erforderlich oder auch nur wünschenswert<br />
seien. Die Studierquote <strong>in</strong> Deutschland betrug<br />
damals um die 30 Prozent, woh<strong>in</strong>gegen es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von<br />
anderen europäischen Ländern Studierquoten von mehr als 50<br />
Prozent gab.<br />
25<br />
+ Die starke Betonung von beruflicher Bildung für mittlere Berufe<br />
<strong>und</strong> die Anwendungsorientierung der Fachhochschulen wurden<br />
vielfach als Stärken gesehen – gegenüber den <strong>in</strong> vielen<br />
anderen europäischen Ländern vorherrschenden bildungsstrukturellen<br />
Trends e<strong>in</strong>er zunehmenden Akademisierung<br />
auch der mittleren Berufe.<br />
+ Für fragwürdig wurde gehalten, dass neue elaborierte Systeme<br />
der Evaluation e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Qualitätsverbesserung<br />
leisten. Darüber h<strong>in</strong>aus wurden e<strong>in</strong>e Reihe von Gefahren<br />
h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Deformation der Leistungen des Hochschulsystems<br />
<strong>in</strong>folge neuer Evaluationssysteme angenommen.<br />
+ Vielen hochschul- <strong>und</strong> wissenschaftspolitischen Initiativen auf<br />
europäischer Ebene wurde mit Skepsis h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Richtung<br />
begegnet. Häufig wurden sie als zu zentralistisch <strong>und</strong><br />
gleichmacherisch gegenüber der europäischen Vielfalt bewertet.<br />
Erst <strong>in</strong> der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verbreitete sich <strong>in</strong><br />
Deutschland die Vorstellung, dass die Strukturen der <strong>Studiengänge</strong><br />
<strong>und</strong> Studienabschlüsse deutlich verändert werden müssten.<br />
Anlass war die wachsende Sorge, dass Deutschland für Studierende<br />
besonders aus außereuropäischen Ländern nur wenig attraktiv<br />
sei. Als Gründe dafür wurden <strong>in</strong>sbesondere drei Aspekte angeführt:<br />
(a) die ungenügende Strukturierung der Curricula <strong>in</strong> vielen<br />
universitären <strong>Studiengänge</strong>n; (b) die daraus resultierenden überlangen<br />
Studienzeiten, <strong>in</strong>sbesondere im Vergleich zu anderen<br />
europäischen Ländern; (c) die Unbekanntheit oder auch Nichtakzeptanz<br />
deutscher Hochschulabschlüsse im Ausland.