Bachelor- und Master-Studiengänge in ... - Universität Passau
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82 Ungarn LÄNDERFALLSTUDIE<br />
4. Die Koord<strong>in</strong>ierung des gestuften Systems<br />
Mit dem neuen Hochschulgesetz sollen die Verfahren der Genehmigung<br />
<strong>und</strong> Akkreditierung geändert werden. Über die genaue<br />
Ausgestaltung dieser neuen Verfahren kann zum jetzigen Zeitpunkt<br />
jedoch noch ke<strong>in</strong>e genaue Aussage getroffen werden.<br />
Die Akkreditierung <strong>und</strong> Genehmigung von <strong>Studiengänge</strong>n <strong>in</strong><br />
Ungarn bezieht sich gr<strong>und</strong>sätzlich (also auch <strong>in</strong> Bezug auf traditionelle<br />
<strong>Studiengänge</strong>) auf zwei verschiedene Aspekte:<br />
+ auf die Qualifizierungsanforderungen, die jetzt <strong>in</strong> Bildungs<strong>und</strong><br />
Kompetenzrichtl<strong>in</strong>ien umbenannt <strong>und</strong> entsprechend auch<br />
<strong>in</strong>haltlich verändert wurden: Sie enthalten u. a. die Kerncurricula<br />
e<strong>in</strong>es Studiengangs, (früher) Prüfungsanforderungen<br />
sowie Bestimmungen, welche Qualifikationen <strong>und</strong> Kompetenzen<br />
die Absolventen besitzen sollten;<br />
+ auf die <strong>in</strong>dividuellen <strong>Studiengänge</strong>, die von e<strong>in</strong>zelnen Hochschule<strong>in</strong>richtungen<br />
beantragt werden: Sie enthalten das komplette<br />
Curriculum, heruntergeschraubt auf Fächer <strong>und</strong> Lehrveranstaltungen,<br />
Personal and Infrastruktur.<br />
Im alten System wurden die Qualifizierungsanforderungen<br />
für traditionelle Studienfächer vom MAB akkreditiert, vom M<strong>in</strong>isterium<br />
genehmigt <strong>und</strong> anschließend als Regierungserlass dekretiert.<br />
Die Bildungs- <strong>und</strong> Kompetenzrichtl<strong>in</strong>ien für <strong>Bachelor</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Master</strong>-Programme werden nun ebenfalls vom MAB akkreditiert<br />
<strong>und</strong> anschließend vom M<strong>in</strong>isterium genehmigt. Es bedarf jedoch<br />
ke<strong>in</strong>es Regierungserlasses mehr. Das Gleiche gilt für die <strong>in</strong>dividuellen<br />
<strong>Studiengänge</strong>. Es hat also e<strong>in</strong>e Verlagerung von der Regierungs-<br />
auf die M<strong>in</strong>isteriumsebene stattgef<strong>und</strong>en.<br />
5. E<strong>in</strong>schätzungen der wichtigsten Akteure <strong>und</strong> Interessenten<br />
Wie bereits erwähnt, wird <strong>in</strong> Ungarn mit dem neuen Hochschulgesetz<br />
nicht nur die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für die Umstrukturierung<br />
auf <strong>Bachelor</strong>-/<strong>Master</strong>-<strong>Studiengänge</strong>, sondern gleichzeitig<br />
auch die Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e organisatorische <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />
Reform geschaffen, die auf e<strong>in</strong>e höhere Autonomie der<br />
Hochschulen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> effizienteres Hochschulwesen gerichtet<br />
ist.<br />
Ungewöhnlich dabei ist nicht die Tatsache, dass die Studienstrukturreform<br />
<strong>in</strong> größere Reformvorhaben e<strong>in</strong>gebettet ist, sondern<br />
die tatsächliche <strong>in</strong>haltliche Vermischung der Argumente <strong>in</strong><br />
der öffentlichen Diskussion, wie folgender Auszug aus e<strong>in</strong>em<br />
Interview zeigt:<br />
„In my op<strong>in</strong>ion the Bologna process is good for Hungary to restructure<br />
the educational system and to start the BSc, MSc and PhD programmes.<br />
From the other side, to realise this project it is not necessary<br />
to change the governance system. It was said, of course, but itęs<br />
not true. On the other side, there can be many advantages for this<br />
new system.“<br />
Kritischen Stimmen, die gerade zu Beg<strong>in</strong>n des Reformprozesses<br />
dessen allumfassenden Charakter <strong>und</strong> die Ableitung se<strong>in</strong>er<br />
Notwendigkeit aus der Bologna-Erklärung <strong>in</strong> Frage gestellt hatten,<br />
wurde entgegengehalten, dass die alle<strong>in</strong>ige Änderung von<br />
Studienstrukturen e<strong>in</strong>e zu enge Interpretation der Bologna-Vorgaben<br />
wäre <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e historische Chance für Veränderungen<br />
vertan werden würde.<br />
+ Die vehementesten Angriffe auf das neue Hochschulgesetz<br />
bezogen sich auf:<br />
+ die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Boards als höchstes Organ von <strong>Universität</strong>en<br />
<strong>und</strong> Colleges;<br />
+ die Tatsache, dass Hochschulen nun quasi unabhängige ökonomische<br />
Entitäten werden sollen;<br />
+ den Beschäftigungsstatus des wissenschaftlichen Personals an<br />
<strong>Universität</strong>en <strong>und</strong> Colleges (Festanstellungen sollen zugunsten<br />
von Zeitverträgen ersetzt werden).<br />
Obwohl im Laufe der Zeit alle wichtigen, von der Hochschulreform<br />
betroffenen Gruppierungen mehr oder weniger der<br />
Reformnotwendigkeit zugestimmt haben, gibt es doch Kritik an<br />
der Geschw<strong>in</strong>digkeit, mit der die Reformen umgesetzt werden,<br />
<strong>und</strong> an der mangelnden Transparenz: So wurde beispielsweise<br />
die Zusammensetzung des Nationalen Bologna-Komitees nicht<br />
bekannt gegeben.<br />
Experten gehen davon aus, dass die Studienstrukturreform,<br />
die, wie gesagt, analytisch nicht immer leicht von den anderen<br />
Reformvorhaben zu trennen ist, für schwächere, eher <strong>in</strong> ländlichen<br />
Regionen angesiedelte Hochschulen existenzgefährdend<br />
sei. Gr<strong>und</strong> s<strong>in</strong>d die gestiegenen Anforderungen an die Qualifikation<br />
des wissenschaftlichen Personals <strong>und</strong> an die Qualität der<br />
Lehre <strong>und</strong> Forschung.<br />
Insbesondere Vertreter e<strong>in</strong>zelner Diszipl<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den Geisteswissenschaften<br />
<strong>und</strong> der Lehramtsstudiengänge haben e<strong>in</strong>e<br />
besonders harsche Kritik an der Studienstrukturreform geübt,<br />
weil sie massive E<strong>in</strong>schnitte befürchten. Das Gleiche gilt für<br />
bestimmte <strong>Studiengänge</strong>, <strong>in</strong> denen viele zahlende Studierende<br />
e<strong>in</strong>geschrieben s<strong>in</strong>d, wie beispielsweise Erwachsenenbildung,<br />
Kulturmanagement <strong>und</strong> Ingenieurtechnisches Management.<br />
Befürchtungen gibt es auch <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>e mögliche<br />
Absenkung des wissenschaftlichen Niveaus <strong>in</strong> den <strong>Bachelor</strong>-<strong>Studiengänge</strong>n,<br />
die im Zusammenhang mit der stark angewachsenen<br />
Studierendenzahl nach der politischen Wende zu sehen s<strong>in</strong>d:<br />
Ungarn hat seit 1990 e<strong>in</strong>e Expansion der Studierendenzahlen um<br />
das Dreifache zu verzeichnen. Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es auch Stimmen,<br />
die das weltweit exzellente ungarische Hochschulsystem<br />
durch die Übernahme des angloamerikanischen Studienmodells<br />
<strong>in</strong> Gefahr sehen, wie folgender Zeitungskommentar zeigt (Miklós<br />
Sass, Eörs Szathmáry 2004):<br />
„The written-down reason for reorganis<strong>in</strong>g Hungarian higher education<br />
<strong>in</strong> accordance with the concept developed <strong>in</strong> Bologna is to <strong>in</strong>tegrate<br />
<strong>in</strong>to the European average. The verbalised reason is, however, to exchange<br />
our Prussian university structure for the Anglo-Saxon model.“