04.01.2015 Aufrufe

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Damit sind wir beim ebenso mächtigen wie nebulösen Begriff des<br />

„Stils“. Was heißt es eigentlich, daß ominöse ästhetische<br />

Schemata unter diesem Namen quer durch historische<br />

Veränderungen insistieren Eine Antwort, ebenso also Modell<br />

wie verführerische Erklärung solcher Muster, ist die Theorie<br />

kultureller Vererbung in Form der sogenannten Meme, die<br />

kleinste semantische Einheit von kulturellem Gedächtnis (wie<br />

es die griechische Wortwurzel schon verrät).<br />

Für Debrays Medientheorie der kulturellen Tradition unter dem<br />

Titel Transmettre reicht das Wissen um das technische<br />

Dispositiv zwar zur Erkärung von Prozessen der Kommunikation<br />

aus, keinesfalls aber zu der von Transmission namens<br />

Tradition. Der Prozeß der Übertragung, Übermittlung grenzt<br />

sich von dem der bloßen Kommunikation durch den Einfluß dessen<br />

ab, was Debray Kultur nennt - und die ist eine spezifisch<br />

menschliche Eigenschaft. Tiere können seiner Meinung nach<br />

nicht überliefern. Ist diese Aussage gerechtfertigt<br />

Selbst bei Tieren gibt es tradiertes Wissen, das zur<br />

Herausbildung einfacher Kulturen führt, vergleichbar mit<br />

frühen menschlichen Jäger- und Sammlergesellschaften.<br />

Beispielsweise glauben Forscher, daß Orcas (der Zahnwal)<br />

erlerntes Wissen an die folgenden Generationen weitergeben.<br />

Das Erstaunliche dabei ist, daß die Walkühe mit spätestens 50<br />

Jahren das letzte Junge kriegen können, ihre Lebenserwartung<br />

aber bei weiteren 20-40 Jahren liegt. Diese Alterszeit ist<br />

zwar fortpflanzungsbiologisch "sinnlos", bieten aber einen<br />

Vorteil „als schwimmende Lexika mit jahrzehntelang<br />

gespeicherter Erfahrung“. 42<br />

Diese Lexeme gespeicherter Erfahrung lassen sich näher<br />

bestimmen, durch die sogennannten „Meme“ als Träger von<br />

Tradition. Gibt es kleinste Einheiten des<br />

Gedächtnistransports, die sich nicht idealistisch, sondern<br />

naturwissenschaftlich erklären lassen Der Zoologe Dawkins<br />

bezeichnet seit 1976 mit Mem eine „Einheit der kulturellen<br />

Vererbung oder eine Einheit der Imitation. Das Wort<br />

`Mimem´ kommt von einer geeigneten griechischen Wurzel, aber<br />

ich suche eineinsilbiges Wort, das ein wenig wie `Gen´ klingt<br />

[man könnte sich] wahlweise vorstellen, daß es mit dem<br />

lateinischen `memoria´ oder mit dem französischen Wort `même´<br />

verwandt ist. Beispiele eines Mems sind Melodien, Gedanken,<br />

Schlagworte, Kleidermode, die Art, Töpfe zu machen oder Bögen<br />

zu bauen.“ 43<br />

Memetische Informationsmuster gedeihen in Hirnen<br />

(neurologisch) wie in technischen Speichermedien und zeichnen<br />

sich durch ihr Bestreben aus, beständig Kopien ihrer selbst zu<br />

42<br />

Monika Rößiger, Orca, der Primus unter den Walen, in GEO, März 2002<br />

43<br />

Dawkins, Das egoistische Gen, xxx 1978, 226f<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!