04.01.2015 Aufrufe

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

eine kollektive Geschichte“ . Doch dieser Rahmen ist<br />

speicherwissenschaftlich präziser faßbar, denn genau<br />

betrachtet gibt es das von Maurice Halbwachs nur nebulös<br />

definierte kollektive Gedächtnis nur vage, insofern technische<br />

und administrative Speicher Daten transferieren, nicht<br />

erinnern. Fraglich ist, ob eine solche Kategorie „nicht bloß<br />

als Metapher anzusehen“ ist, da das soziales Gedächtnis die<br />

Organe nicht angibt, über die es verfügt - seine technischen<br />

Übertragungsmedien . Die romantische Vorstellung vom Archiv als<br />

Gedächtnis der Gesellschaft wird immer noch vorwiegend<br />

inhaltlich verstanden, „doch sind Archive tatsächlich<br />

Gedächtnisse oder sind sie eher wie Andenken, an denen sich<br />

das Gedächtnis verankern kann Bewahren Archive Informationen<br />

zur weiteren Verwendung auf, oder sind sie vielmehr<br />

unverzichtbar als Instrumente der Amnesie-Prävention" 88 Archive<br />

sind das Register, welches gegenüber der mündlichen<br />

Überlieferung die Möglichkeit zur Modifikation und Korrektur<br />

aktueller Gedächtnisleistungen bereithält, mithin also die<br />

Implementierung einer Feedback-Option, ein Speicher zweiter<br />

Ordnung.<br />

Übernehmen wir die von Halbwachs soziologisch gewonnene<br />

Unterscheidung von kollektivem Gedächtnis und Geschichte<br />

und ergänzen sie aus Sicht der<br />

Medienarchäologie um eine weitere Differenz: den Speicher.<br />

Kultur als „die Bezeichnung für wiederkehrende,<br />

identifizierbare Elemente“ bedarf dieser<br />

Orte der Einschreibung. Manche Meme verlieren sich im Weltall,<br />

wenn sie nicht künstlich gespeichert werden oder sich<br />

Speicher- und Übertragungsmedien suchen und finden können.<br />

Hier kommen Medien gegenüber den Memem konkret ins Spiel.<br />

"Sich gegenseitig stützende Co-Meme finden sich zu Mem-<br />

Komplexen zusammen, die gemeinsam überliefert werden.<br />

Sprachen, Religionen oder Kunststile sind in diesem Sinne Mem-<br />

Komplexe" ; tatsächlich verkörpert (also speichert)<br />

Sprache immer auch „gesellschaftlich sedimentiertes Wissen“<br />

. Begriffe brauchen also in ihrer<br />

funktionalen Bedeutung nicht immer neu erfunden zu werden und<br />

bedürfen auch keiner ritualisierten Vermittlungsform.<br />

Zur Etymologie des Ausdrucks “Mem“ gibt der Evolutionstheoretiker R. Dawkins an, es handele sich um eine an<br />

“Gen“ angeglichene Kurzform von “Mimem“ (von gr. mimesis), zieht aber auch lat. memoria und frz. même zur<br />

Erklärung heran. Ähnlich wie er die Vielfalt der biologischen Evolution aus dem einfachen Prinzip des<br />

“egoistischen“ Gens erklärt, das nichts weiter betreibt als seine eigene Replikation, findet Dawkins im<br />

Replikationswettbewerb “egoistischer“ Meme den Mechanismus hinter der Vielfalt der kulturellen Entwicklung.<br />

<br />

Zwar sind biologische und kulturelle Evolution bei Dawkins<br />

strikt getrennt, doch legt schon der Neologismus eine<br />

Analogiebildung zwischen genetisch kodierten<br />

Vererbungsprozessen und kulturellen Kodierungen nahe, wie sie<br />

am Beispiel des Buchdrucks und der Schreibmaschine buchstäbich<br />

88<br />

Angelika Menne­Haritz, Das Provenienzprinzip ­ ein Bewertungssurrogat Neue Fragen zu einer alten<br />

Diskussion, in Der Archivar 47, Heft 2 / 1994, 230­252 (237)<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!