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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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wirtschaftliche und spezifisch kulturell-künstlerische<br />

Beziehungen. Die Karolingische Renaissance hat eine bestimmte<br />

Idee der prä-byzantinischen römischen Antike erst wieder nach<br />

Rom gebracht (und nicht etwa umgekehrt). 165 Im Spiel zwischen<br />

"revival and survival of antiquity" (Kantorowicz), die sich an<br />

der monastischen Bewegung zu scheiden scheinen, hat zur Zeit<br />

Karls des Kahlen nicht etwa Rom aktiv das Frankenreich reromanisiert,<br />

sondern von dort flossen nahöstliche Elemente des<br />

spätantiken Kultus´ nach Rom. Der Begriff des Kanals ist hier<br />

mit Bedacht gewählt; er meint zum einen "the channels through<br />

which the new Italian mentality passed to the North" 166 ,<br />

andererseits aber auch den medientechnischen Begriff des<br />

Kanals. Die kulturtechnischen Implikationen dieses Nord-Süd-<br />

Verhältnisses lassen sich in seiner räumlichen (cisalpin /<br />

transalpin) und seiner zeitlichen (Spätantike /<br />

Frühmittelalter; Spätmittelalter / Renaissance) Tradition<br />

fassen.<br />

Die scheinbare Epochengrenze Spätantike und Frühmittelalter<br />

aber liest sich aus Sicht der Rechtsüberlieferung anders.<br />

Setzt das Editionswerk der MGH mit dem Aufhören des<br />

Weströmischen Reiches ein, plädiert der als Vertreter der<br />

<strong>Berlin</strong>er Akademie der Wissenschaften bei der Reorganisation<br />

des Instituts maßgeblich beteiligte Theodor Mommsen aufgrund<br />

seiner Vertrautheit mit dem römischen Staatskalender von 354,<br />

mit der Ravennater Kosmographie des 5. und 6. Jahrhunderts<br />

sowie mit der Chronik des Cassiodor aus der Zeit des<br />

Gotenkönigs Theoderich für eine inverse Perspektive: nicht des<br />

Bruchs, sondern des Übergangs zwischen spätrömischem und<br />

germanischen Reichen, der Insistenz der römischen Ordnung in<br />

Institutionen. 167 „Man sollte diese Epoche nicht als die Bildung<br />

römisch-germanischer Königreiche bezeichnen, sondern als die<br />

Zersplitterung des römischen Reiches in Theilstaaten.“ 168 Die<br />

juridische Ordnung generiert ein von den Textarchäologien der<br />

Mediävisten differentes Gedächtnis - im Widerstreit. Mommsen<br />

sucht die gegenseitige Ergänzung zwischen Philologie,<br />

Rechtswissenschaft und Historie; von einer Suprematie des<br />

historischen Diskurses ist nicht die Rede. Mommsen vergleicht<br />

die Lage des Forschers dieser Übergangszeit nicht mit der Lage<br />

des Archäologen, sondern des Botanikers, „dem nur die Knospe<br />

165<br />

Ernst H. Kantorowicz, Charles the Bald and the Natales of the King, Typoskript (Leo Baeck Institute<br />

Archives, New York, Kantorowicz Collection, xxx, Folder 2), 3<br />

166<br />

Ernst H. Kantorowicz, The Dukes of Burgundy and the Italian Renaissance, Typoskript Detroit, 1. November<br />

1960 (Leo Baeck Institute Archives, New York, Collection B2, F13), 3. Siehe auch Stefan Esders, Römische<br />

Rechtstradition und merowingisches Königtum. Zum Rechtscharakter politischer Herrschaft in Burgund im 6.<br />

und 7. Jahrhundert, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1997<br />

167<br />

Die Insistenz institutioneller Kontinuität bestätigt jetzt auch Stefan Esders, Römische Rechtstraditionen und<br />

merowingisches Königtum. Zum Rechtscharakter politischer Herrschaft in Burgund im 6. und 7. Jahrhundert,<br />

Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1997<br />

168<br />

Theodor Mommsen, Ostgotische Studien, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche<br />

Geschichtskunde 14 (1889), 542; s. a. Oswald Redlich, Theodor Mommsen und die Monumenta Germaniae, in:<br />

ders., Ausgewählte Schriften, Zürich / Leipzig / Wien (Amalthea) 1928. 141-155 (146f)<br />

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