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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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Die Agentur der Überlieferung hat originär Anteil an dem<br />

Geschehen selbst, der Botschaft des Mediums. In der Form<br />

dieser Anteilnahme nun unterscheiden sich die medialen<br />

Funktionsträger des Mittelalters von denen der Epoche<br />

technischer Medien fundamental. Im Mittelalter ist der<br />

kommunikative Akt, der Prozeß der Übermittlung und Übertragung<br />

also, immer schon an symbolischen Mehrwert gekoppelt;<br />

demgegenüber sind die technischen Medien den Inhalten ihrer<br />

Übertragungsleistung gegenüber geradezu konstitutiv<br />

indifferent. Stellt sich die Frage, inwieweit technische<br />

Medien der Tradition eine Archivierbarkeit einräumt - "sofern<br />

man unter Archivierung über das Speichern hinaus auch die<br />

Regelung von Übertragungen verstehen will“ 151 .<br />

In seinem Aufsatz "Ding und Medium" insistiert Fritz Heider<br />

1921 darauf, daß mediale Übertragungen (Lichtstrahlen etwa)<br />

"Kunde von Dingen geben" 152 - ein aus Herodots Begriff der<br />

historia vertrauter Begriff. Hier ist er auf elektronische<br />

Strahlen (TV) übertragbar - ein alternativer Begriff von<br />

"Nachrichten." An dieser Stelle ist eine Geschichte der Medien<br />

nichts als eine Beobachtung zweiter Ordnung der Medien der<br />

Geschichte selbst.<br />

Jacques Lacans methodische Distinktion zwischen Imaginärem,<br />

Reellem und Symbolischen im psyschischen Haushalt setzt<br />

Friedrich Kittler mit der technischen Dreiheit von Speichern,<br />

Übertragen und Berechnen gleich. 153 Gilt diese Dreiteilung im<br />

kybernetischen Sinn auch für den Mechanismus der Tradition Am<br />

Beispiel der Monumenta Germaniae Historica, also des<br />

Editionsunternehmens von Quellen zur deutschen Geschichte im<br />

Mittelalter, läßt sich beim Initiator, dem Freiherrn vom Stein<br />

unter anderen, das Motiv ausmachen, den juridischen Untergang<br />

des Heiligen Römischen Reiches in Napoleons Kriegen durch<br />

seine kulturelle Archivierung wettzumachen. Am Anfang steht<br />

also das Gedächtnis als reales, auf Schlachtfeldern<br />

vergossenes Blut, am Ende ein administratives Großunternehmen<br />

der symbolischen Ordnung von Geschichtswiss, welches einen<br />

Volksgeist durch die Tiefe seiner historischen Imagination<br />

hervorzurufen sucht. Die Sammelepoche der MGH kommt aller<br />

Geschichtsphilosophie zum Trotz mit Gutenbergs Buchdruck als<br />

Ausdifferenzierung von Urkunde und Akte zum Ende;<br />

mediengeschichtlich erweisen sich mithin die MGH selbst als<br />

systematische Überführung von Handschriften in Druckschriften.<br />

Tatsächlich sind die Epochen der Überlieferung durch<br />

Medienrevolutionen zäsuriert. Die ehernen Letter, für<br />

dauerhafte identische Reproduktion gegossen, macht in einer<br />

medial höchst materiellen metonymischen Verbiebung von der<br />

151<br />

Philipp von Hilgers über Klaus Gasteiers CD-ROM Dump Angel (Diplomarbeit Kunsthochschule für Medien<br />

Köln 1997), in: Lab. Jahrbuch für Künste und Apparate Bd. 3, Köln (König) 1997, xxx<br />

152<br />

Fritz Heider, Ding und Medium [1921], Wiederabdruck in: Pias et al. (Hg.) 1999: 319­333 (329)<br />

153<br />

Jacques Lacan, Écrits, Paris 1966, 720; Kittler, ­ ­ ­ , 65<br />

52

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