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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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cross-checking des Zustandes des Systems. Und Zeit ist im<br />

gedächtnismäßigen Sinne nichts anderes als ein Konstrukt zur<br />

Überprüfung von Redundanzen“. 213 Damit kommt der Begriff der<br />

Rekursivität aus Informatik, Logik und Mathematik ins Spiel:<br />

der Rückgriff auf eigene Operationselemente eines Systems.<br />

Das Gedächtnis überführt die operativen Rekursionen in die Beobachtung von temporalen Rekursionen,<br />

indem es die jeweilige systemische Gegenwart als Ergebnis von Voraussetzungen erfahrbar macht, die sich im<br />

Rückgriff auf vergangene Systemzustände erklären 214<br />

- reine Markov-Ketten. Geht es um die<br />

Überlieferungswahrscheinlichkeit von einzelnen Buchstaben<br />

(etwa Aristoteles´ Bemerkungen über die stoicheia selbst),<br />

also von reinen Signifikanten, greift eine statistisch höhere<br />

Wahrscheinlichkeit der Überlieferungsverzerrung denn bei der<br />

Überlieferung von Signifikaten (die Semantik von Texten, die<br />

Ikonologie der Bilder). Doch von Buchstabenketten in<br />

literarischen Texten (die medientechnische Operation der<br />

Übertragung handschriftlicher Urkunden des Mittelaltes in<br />

kritisch edierte Druckwerke von Seiten der Monumenta Germaniae<br />

Historica etwa) unterscheidet sich die Hermeneutik antiker<br />

epigraphischer Monumente in zwei Hinsichten. Einmal ist -<br />

ablesbar am Corpus Inscriptionum Latinarum - das Regelwerk<br />

ebenso wie die Form der Lettern für das römische Reich in<br />

hohem Maße standardisiert und damit voraussagbar; Variablen<br />

liegen vielmehr in Eigennamen. Zum anderen aber kommt das<br />

Rauschen auf der materiellen Ebene ins Spiel: Es sind ständig<br />

Entscheidungen zu treffen, ob es sich an bestimmten (Bruch-)<br />

Stellen um korrumpierte Buchstaben (also kulturelle Signale)<br />

oder schlicht um Schadstellen am Stein handelt (noise). Neben<br />

die reine Symbolfolge des Alphabets tritt also die Frage des<br />

medialen Trägers (Speichers) respektive Kanals der<br />

Übertragung.<br />

Der Text aus dem Jordantal sagt - in der hypothetischen<br />

Rekonstruktion - buchstäblich lapidar, daß er als Teil eines<br />

Bogenmonuments dem Kaiser Hadrian gewidmet war; dies aber muß<br />

aufgrund eines römischen Sieges geschehen sein. Daß<br />

ausgerechnet im Jordantal eine solche Inschrift errichtet war,<br />

zeigt an, daß der Bar Kochba-Aufstand bis dahin seine Kreise<br />

gezogen hatte, wie auch der Fund von durch Bar Kochba<br />

geprägten Münzen indiziert. Münzen haben hier das bessere,<br />

weil archäologische Gedächtnis: Münze / monere. „Du läßt<br />

Münzen schlagen, damit sie künftigen Jahrhunderten von unseren<br />

Zeiten Nachricht geben“, heißt es in der Formel einer<br />

spätrömischen Amtsanweisung um 536. 215 Aus einem funktionalen<br />

Medium des Kapitals wird hier Gedächtniskapital in einer<br />

Kultur, die offenbar noch nicht mit ihrem Ende rechnet,<br />

sondern mit Kontinuität ihrer symbolischen Werte. Die Münze<br />

213<br />

Luhmann 109: Gleichzeitigkeit und Synchronisation, in: Soziologische Aufkärung 5: Konstruktivistische<br />

Perspektiven, Opladen 1990, 95­130<br />

214<br />

Natalie Binczek, Eintrag „Rekursion“, in: Pethes / Ruchatz (Hg.) 2001: 481f (481)<br />

215<br />

Zitiert als Motto in: Maria R.-Alföldi, Antike Numismatik, Teil I: Theorie und Praxis, Mainz (v. Zabern) 1978<br />

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