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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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Maskenschnur allegorisch verweist, sehr konkret jene Zettel,<br />

die mit einer Heftklammer an metallene Registerkarten geheftet<br />

wurden, um sie so beliebig umsortieren zu können. Damit tritt<br />

das transitorische „Interface“ an die Stelle der festgefügten<br />

Ordnung, und an die Stelle rhetorischer Loci oder Topoi in<br />

gedruckten Büchern. Eine neue Kulturtechnik von interfacing<br />

knowledge, so daß der entsprechende Hinweis darauf nicht von<br />

ungefähr in einer wissensgeschichtlichen Publikation<br />

auftaucht. 129<br />

Stephen Greenblatt von Seiten des new historicism löst in<br />

seiner Lesart die spätmittelalterlichen Mandeville´s Travels<br />

in reine Medialität, reine Vermittlung auf, in der Gegenstand<br />

und Beschreibungsmedium (der Textkörper) konvergieren:<br />

The body of John Mandeville is a set of pieces that are set in motion, carried from one place to another, endlessly<br />

exchanged. There is no original, no authorizing self, no authentic text; all texts are translations of /<br />

fragments that are themselves translations. Translation here and everywhere else. <br />

Greenblatt aber geht noch einen Schritt weiter in der genuinen<br />

Medialisierung des Mandeville´schen Textkörpers: "The<br />

merchants of language travel with neither gold nor goods: they<br />

travel with paper currency, and no ruler with authorize - that<br />

is to say, underwrite - the medium of exchange" . Mandeville selbst berichtet über das Wunder des<br />

chinesischen Papiergelds. Münze als Medium aber verlieren ihre<br />

Prägung mit der Zeit.<br />

Übertragung durch Schrift und Druck (Schiller, Müller, DB)<br />

Dem Gebäude der Deutschen Bücherei in Leipzig ist gleich einem<br />

Golem an seiner Stirnseite die abendländische Verquickung von<br />

Phono- und Logozentrismus als Wendung und Revision in güldenen<br />

Lettern eingeschrieben (Jacques Derridas Grammatologie zum<br />

Trotz): "Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen<br />

Gedanken. Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende<br />

Blatt." 130 Ein Jahrhundert zuvor hat Friedrich Ludwig Jahn die<br />

Sprache des deutschen Volkes als Schatz (also Speicher)<br />

definiert, in dem (etymologisch naheliegend) die „Urkunde<br />

seiner Bildungsgeschichte niedergelegt“ ist; in jeder<br />

metaphysischen Ideologie ist das Wissen von<br />

Aufschreibesystemen immer schon mit am Werk. 131 Substanzlose<br />

Ideen erhalten durch die Medien ihrer Aufzeichnung erst einen<br />

Körper, werden (hier) zum Textkorpus der Nation, ganz wie<br />

Schillers Zeitgenosse Adam Müller 1812 die Buchdruckerkunst<br />

129<br />

Helmut Zedelmaier, De ratione excerpendi: Daniel Georg Morhof und das Exzerpieren. Dazu Martin Mulsow<br />

(Rez.), Jedem Autor seine Maske. Eine Bibliothek als Theater: Vincentius Placcius erfindet 1708 das<br />

Karteikastensystem, in: FAZ Nr. 25 v. 30. Januar 2002, N3. Ferner Françoise Waquet (Hg.), Mapping the World<br />

of Learning. The „Polyhistor“ of Danile Georg Morhof, Wiesbaden 2000<br />

130<br />

Friedrich Schiller, Gedichte: Der Spaziergang (1795, unter dem Titel "Elegie" in den Horen zuerst<br />

erschienen). Dazu Friedrich Meinecke, Schillers „Spaziergang", in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für<br />

Heinrich Ritter von Srbik, München (Bruckmann) 1938, 187­201<br />

131<br />

Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum [*1810], hg. v. Franz Brümmer, Leipzig (Reclam) o. J. [ca. 1890],<br />

213<br />

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