Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin
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dieser Papyri erinnert daran, daß die Arbeit der Sekretäre<br />
nicht nur des Schreibens, sondern auch der Schreibflächen,<br />
einer Hardware zur Speicherung des Geschriebenen bedarf. Im<br />
Fall von Mengs' Allegorie soll der Diskurs der katholischen<br />
Kirche, der den christlichen Anschluß an antike Überlieferung<br />
sicherstellt, vermittels einer metonymischen Operation der<br />
Hardware sichergestellt werden. Denn die in diesem Raum<br />
aufbewahrten Papyri sind frühchristliche Schenkungsurkunden an<br />
die Kirche von Ravenna und Verträge, die von der<br />
ravennatischen Kurie geurkundet sind, damit also im besten<br />
antiquarischen Sinne Funktionen von Machtansprüchen; ihre<br />
materiale Basis ist Papyrus aus Ravenna. Vermittlung ist erst<br />
in Verbindung mit einem medialen support (Träger) denkbar,<br />
etwa die materielle Unterlage Papyros oder Pergament. Das<br />
älteste originale Objekte, das Ur-Objekt des Pariser<br />
Nationalarchivs ist ein merowingischer Papyrus aus dem Jahr<br />
625, auf dem König Clothar II. die Schenkung eines<br />
Territoriums in Paris an den Abt von Saint Denis bestätigt.<br />
Nicht erst der Text dieser Urkunde, die Struktur des Papyrus<br />
ist selbst schon Textur. Die Unterlage jeder Aufschrift ist<br />
ein Text, und zwar kein zufälliger, sondern ein binärer (die<br />
kreuzweise Verflechtung der Papyrusstreifen): mediale<br />
Archi(v)textur der Historie, ihre digitale Fabrikation.<br />
Alessandro Albani beschrieb Papyri als "reliquie delle antiche<br />
scritture". Der Begründer der medienwissenschaftlichen Schule<br />
von Toronto, Harold Innis, betrachtete Papyrus „as the central<br />
medium of the Roman period of power, tracing once again the<br />
rise and decline of an empire which emphasized the spational<br />
factors and failed to solve the problems of time and dynasty<br />
associated with religion.“ 116<br />
In beziehungsvoller Abwandlung barocker Zeitallegorien, wo verwitterte und zerstörte Monumente häufig als<br />
Vanitassymbole auftreten, erscheint das Motiv hier als eine Anspielung darauf, daß die steinernen Dokumente<br />
(bezeichnenderweise wurde ein heidnischer Epigraph gewählt) schon teileise der Vergessenheit und der<br />
Zerstörung anheimgefallen waren, bevor nun auch sie in die Obhut des Museums genommen wurden. Das Sigel<br />
der Inschrift H.M.H.N.S. (Hoc Monumentum Haeredes Non Sequitur) ist damit, symbolisch gesehen, außer<br />
Kraft gesetzt <br />
- beziehungsweise der neue Anspruch der Kirche, sich als<br />
Fortsetzung des römischen Geltungsanspruches (eines Diskurses<br />
auch diesseits des Glaubens) zu manifestieren. Aus Allegorie<br />
wird damit Symbol, aus Distanz Kontinuität:<br />
This legend, inscribed on an artifact destined itself to be incorporated into the museum, implies that it is the<br />
Church's duty as legitimate heir to Rome to protect its monuments from desecration and alientation. As in<br />
ancient precedent, the acronym signifies that the heir may neither sell the ancestral plot nor allow it to fall into<br />
disrepair, but is required to maintain and honor the site, preserving it for transmission intact to all later<br />
descendants. 117<br />
116<br />
David Godfrey, "Introduction“, in: Harold Innis, Empire and communications, Victoria (Press Porcépic), 1986<br />
(Originalausgabe Oxford UP 1950), 85- (85)<br />
117<br />
Carolyn Springer, The Marble Wilderness: Ruins and Representaton in Italien Romanticism 17751850,<br />
Cambridge UP 1987, 26f<br />
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