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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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Schüler, Eric Havelock und McLuhan" . Womit Plato<br />

mitverantwortlich ist für die Ausblendung von Technik aus<br />

Seinsfragen.<br />

Kulturtechniken sind, in Anlehnung an die Kultursemiotik von<br />

Jurij Lotman, wesentlich (a) Speicher- und (b)<br />

Übertragungstechniken als medial-appartives (oder<br />

institutionelles) Subjekt und hermeneutisch-historisches<br />

Objekt von Kultur. Wie aber läßt sich tautologischen<br />

Formulierungen entgehen, etwa solcherart:<br />

Kultur ist selber das Gedächtnismedium, durch das sie sich überliefert. Insofern sie die Spur des noch<br />

ungesichert Neuen sichert, ist sie, wie der Knoten im Taschentuch, wie jeder Gebrauch eines Zeichensystems, in<br />

ihrem Erinnert­werden­wollen auch eine Schule des Vergessens. 29<br />

Demgegenüber steht der Versuch, die Medien der kulturellen<br />

Tradition präzise zu benennen. Womit wir bei einer notwendigen<br />

Umakzentuierung vom soft discourse der kulturellen<br />

Gedächtnisforschung zur Bestandaufnahme der non-diskursiven<br />

Präsenz von Vergangenheit als elektronisches Archiv angekommen<br />

sind. Und das erfordert Medienarchäologie. Welches Archiv aber<br />

hält nicht nur Akten, sondern die relevante Hardware zur<br />

Lesung historischer Dokumente vor, die nicht mehr als Akten,<br />

sondern als files vorliegen Hardware ist heute das technisch<br />

positivierte Äquivalent zu dem, was bislang die Institutionen<br />

als Garanten der Überlieferung eines Wissens waren. Denn es<br />

reicht nicht hin, Daten auf dauerhaften Trägern zu speichern;<br />

notwendig ist zudem das, was der Ägyptologe Jan Assmann das<br />

„Wunder der Lesbarkeit“ nennt. 30 Altägyptische Texte sind<br />

wieder dechiffrierbar, doch der Schlüssel, der Code zum<br />

Verständnis, zur Interpretation, zur Dekodierung dieser<br />

Symbole wurde nicht wie im Falle Griechenlands und Roms mehr<br />

oder weniger kontinuierlich mitüberliefert, in Form von<br />

Institutionen wie etwa die römische Kirche.<br />

Tradition als Materialität der Übertragung (Debray)<br />

Stellen wir die Frage nach dem digitalen Kulturerbe. Kunst und<br />

Kultur leben von der Auseinandersetzung mit der Tradition: um<br />

in ihrem Namen zu sprechen, oder aber um sich avantgardistisch<br />

von ihr abzusetzen. Die Digitalisierung großer Bereiche<br />

unserer Kulturproduktion aber scheint jetzt schon der Nachwelt<br />

dieses jüngste Erbe vorzuenthalten. Von der Jahresbilanz bis<br />

zum Computerspiel: Gibt es überhaupt noch Informationen nichtdigitaler<br />

Natur „Was passiert, wenn in ein paar Jahrzehnten<br />

die jeweils benötigte Kombination von Hardware, Betriebssystem<br />

und Software nicht mehr funktioniert Erwartet uns das große,<br />

29<br />

Christiaan L. Hart Nibbrig, Zwischen den Kulturen: Kulturwissenschaft als Grenzwissenschaft, in:<br />

Kulturwissenschaften. Positionen und Perspektiven, hg. v. Johannes Anderegg / Edith Anna Kunz, Bielefeld<br />

(Aisthesis) 1999, 93-104 (98)<br />

30<br />

Gespräch über „Die Zukunft der Erinnerung - Archiv und Museum als Erfahrungsspeicher“ im Rahmen der<br />

Ausstellung Museotutopia - Schritte in eine andere Welt am Karl-Ernst-Osthaus Museum Hagen, 11. Juni 2002<br />

9

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