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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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verschiedene Ausdehnungen haben. Es kommt nur darauf an, daß<br />

sie charakteristisch und einprägsam genug sind, um als Einheit<br />

weitergegeben zu werden. Dabei ist wesentlich, daß wichtige<br />

Merkmale identisch weitergegeben werden, während Unterschiede<br />

in der Darstellung und Auslegung nicht Teile des Mems sind.<br />

Meme werden in Gehirnen oder „künstlich hergestellten<br />

Gehirnprodukten“ 56 wie Büchern oder Computern gespeichert und<br />

kopiert. Sie werden übertragen, indem sie mit Hilfe des<br />

Gehirns imitiert werden oder über Trägermedien wie Computer,<br />

Sprache oder Bücher von einem Ort zum anderen wandern. 57 Meme<br />

reproduzieren und entwickeln sich also durch Austausch<br />

zwischen Memwirten wie dem Menschen, aber auch Texten bzw.<br />

Büchern, dem Web. Ihr Überleben ist dabei nicht unbedingt von<br />

direkter menschlicher Interaktion abhängig. Meme können sich<br />

auch unbeabsichtigt verbreiten. Findet zum Beispiel ein<br />

Gedanke in der Wissenschaft neue Anhänger, so verbreitet er<br />

sich, indem er von Gehirn zu Gehirn „wandert“. Die<br />

Wirkungsweise eines Mems kann dabei mit der eines Virus<br />

verglichen werden, der sich in eine Wirtszelle einpflanzt,<br />

genau wie das Mem sich im Gehirn festsetzt und von dort weiter<br />

übertragen wird. 58 In Analogie zu den Genen sind einige Meme<br />

dabei erfolgreicher als andere, prägen sich besser ein und<br />

werden öfter weitergegeben. Wie für Gene gelten auch für Meme<br />

die Faktoren „Langlebigkeit“, „Fruchtbarkeit“ und<br />

„Wiedergabetreue“. Ein Mem bzw. die kulturelle Information auf<br />

diesem Mem haben um so mehr Chancen Einfluß auszuüben und<br />

durch die Zeiten zu überleben, je länger sie sich im<br />

Gedächtnis der Menschen festsetzen können.<br />

An dieser Stelle kommen die Materialitäten der Kultur ins<br />

Spiel. Positiv auf die Überlebenschancen eines Mems wirkt sich<br />

nämlich aus, wenn es auf einem Träger liegt, der sehr<br />

beständig ist bzw. an einem Ort abgelagert wurde, der den<br />

Zugriff erleichtert - das Ressort der Speichermedien.<br />

Kriterien für die Überlieferungschance eines Mems sind, wie<br />

gut es sich re(du)plizieren kann, wie einprägsam es ist und<br />

wie häufig es weitergegeben wird. Entscheidend dabei ist, wie<br />

genau die Information auf dem Mem kopiert wird. Vermittels von<br />

Imitation werden Meme weitergegeben; wenn etwa eine gehörte<br />

Geschichte weitererzählt wird, werden vielfach andere Worte<br />

und Satzstrukturen verwendet als in der Vorlage - das Prinzip<br />

der stillen Post. Der Kern der Geschichte bleibt trotzdem<br />

intakt. Meme sind also nur semantisch und nicht syntaktisch,<br />

56<br />

Richard Dawkins, Der blinde Uhrmacher. München 1990, 186.<br />

57<br />

Dazu Daniel C. Dennett, Philosophie des menschlichen Bewußtseins. Hamburg 1994; ferner ders., Darwins<br />

gefährliches Erbe. Die Evolution und der Sinn des Lebens, Hamburg 1997, 482f.; ferner: Joshua S. Lateiner, The<br />

Memetic Web, in: Gerfried Stocker/Christine Schöpf (Hrsg.), Memesis. The Future of Evolution. Ars<br />

Electronica. Wien / New York 1996, 58­65 (61f.); Gerfried Stocker, Memesis, in: ders./Christine Schöpf (Hg.),<br />

1996, 26f<br />

58<br />

Siehe auch André Siegfried, Germs and Ideas. Routes of Epidemics and Ideologies, xxx 1995, Kap. IV<br />

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