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Tradition1.pdf (Download) - Medienwissenschaft - HU Berlin

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Die Selektion, die in der Kommunikation aktualisiert wird, konstituiert ihren eigenen Horizont; sie konstituiert<br />

das, was sie wählt, schon als Selektion, nämlich als Information. Das , was sie mitteilt, wird nicht nur<br />

ausgewählt, es ist selbst schon Auswahl und wird deshalb mitgeteilt. vielmehr ist die Selektivität der<br />

Information selbst ein Moment des Kommunikationsprozesses, weil nur im Hinblick auf sie selektive<br />

Aufmerksamkeit aktiviert werden kann. <br />

Damit ist die Selektion nicht passiv (als Speicher), sondern<br />

konstruktiv am Werk der Tradition.<br />

In einem Zug nennt Luhmann sein nachrichtentheoretisches<br />

Modell für diese Definition: Claude Shannons und Warren<br />

Weavers Mathematical Theory of Communication 183 - wohl wissend,<br />

daß dieser Informationsbegriff Sinnbezüge ausdrücklich<br />

zugunsten rein technischener Berechnungen außer Acht läßt<br />

. Doch von dem Moment an, wo Kulturtechniken im<br />

wohldefinierten Sinne verstanden werden, können Sinnkontexte<br />

selbst als syntaktisch selektive Akte (als Syntax zweiter<br />

Ordnung) begriffen werden.<br />

Luhmann bezeichnet die kommunikative Relation als "Ego" und<br />

"alter". In diesem Sinne steht auch die Vergangenheit in einem<br />

alterierten Verhältnis zum Lektüreakt einer gegebenen<br />

Gegenwart,. Für Luhmann ist die Distanz kein Fakt einer<br />

transzendentalen Situierung, sondern "Effekt der Tatsache, daß<br />

Ego das Verhalten Alters als Kommunikation auffaßt und ihm<br />

dadurch zumutet, diese Distanz anzunehmen" - womit der<br />

Vergangenheit eine postalische Adressierung der Gegenwart<br />

unterstellt wird. An anderer Stelle kommt Luhmann unter Bezug<br />

auf Fritz Heiders Differenzierung von "Ding und Medium" darauf<br />

zurück, daß der mediale Kanal die Zeit selbst sein kann:<br />

Lose Kopplung, die Offenheit einer Vielzahl möglicher Verbindungen, kann in sachlicher und in zeitlicher<br />

Hinsicht verstanden werden. Sachlich ist dann gemeint, daß viele festere Kopplungen in Betracht kommen und<br />

jede Formbildung eine Selektion erfordert. Zeitlich wird unter einem Medium oft eine Bedingung der<br />

Möglichkeit von Übertragungen verstanden. Auch besteht ein enger Zusammenhang mit der Theorie des<br />

Gedächtnisses, wenn man Gedächtnis als Verzögerung der Re­aktualisierung von Sinn begreift. 184<br />

Denn "Gedächtnis ist nicht etwa Speicherung von etwas<br />

Vergangenem (wie sollte das gehen), sondern Hinausschieben der<br />

Wiederholung" - also in den Worten von Jack Goody<br />

ein delayed transfer, der indes weniger der makrohistorischen<br />

Ökonomie denn einer zeitkritischen Medialität gehorcht und<br />

darin aufgehoben ist. Ein kurzfristiger Aufzeichnungsakt<br />

verwandelt das Ereignis in einen Informationsraum (das<br />

"Archiv") und einen latenten Zustand - eine Stauchung der Zeit<br />

-, der seiner Aktualisierung harrt. Womit Historie nicht einer<br />

emphatischen Geschichtszeit, sondern einer Ausstülpung eines<br />

183<br />

Claude E. Shannon / Warren Weaver, Mathematische Grundlagen der Informationstheorie, München<br />

(Oldenbourg) 1976 [*1949]<br />

184<br />

Niklas Luhmann, Medium und Form, in: ders., Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1995,<br />

165-214 (168), unter Verweis auf: Robert B. Glassman, Persistence and Loose Coupling in Living Sytems, in:<br />

Behavioural Sciences 18 (1973), 83-98, woher Luhmann den Begriff der "losen Kopplung" übernimmt - ein<br />

Begriff der Regelungstechnik.<br />

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