Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
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Panorama<br />
Kustoden im musealen Alltagsgeschäft vorgenommenen Untersuchungen<br />
an den Beständen, die sich in Bestands- und Ausstellungskatalogen<br />
niederschlagen. Obgleich also die Erforschung der Herkunft der Objekte<br />
zu den Kernaufgaben jedes Wissenschaftlers im Museum zählt, entschied<br />
man sich 2008 eine feste Wissenschaftlerstelle für Provenienzforschung<br />
einzurichten, um zuvorderst die teils sehr speziellen<br />
und diffizilen historischen Recherchen zu den<br />
aktuellen Restitutionsbegehren für Sammlungsgegenstände<br />
der SMB an einer Stelle zu bündeln sowie<br />
die dringend gebotene systematische Untersuchung<br />
der seit 1933 erworbenen musealen Bestände<br />
koordinierend voranzubringen.<br />
Die Stelle ist angesiedelt am Zentralarchiv, dem<br />
Hort der historischen Überlieferung der Museen,<br />
ein Ort, an dem alle Forschungen zur Historie der<br />
ehemals Königlichen, jetzt Staatlichen Museen beginnen<br />
müssen. Dieser Ort wurde sehr bewusst gewählt<br />
und erweist sich bis heute als kongeniale<br />
Quelle für vielfältige Recherchen zur Herkunft und<br />
zu diffizilen Eigentumsfragen von Objekten der<br />
Museen. Seit Jahren unterstützt das Zentralarchiv<br />
Forschungen zu Bestands- und Fremdbesitzkatalogen<br />
und war von Beginn an ein wichtiger Partner<br />
zur Bearbeitung der stetig wachsenden Zahl von<br />
Auskunftsersuchen und Restitutionsbegehren, die<br />
an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gestellt<br />
wurden. Auf die steigenden Anforderungen im<br />
Rahmen der Provenienzforschung reagierte das<br />
Zentralarchiv frühzeitig (2002) mit dem Aufbau einer<br />
Datenbank, die ausgewählte Akten aus dem<br />
Zeitraum 1918 bis 1945 einer sogenannten Tiefenerschließung unterzog.<br />
Zielgerichtete Abfragen nach einzelnen Kunstwerken, nach Künstlern,<br />
nach Kunsthändlern und Galerien oder privaten Sammlern respektive<br />
Eigentümern von Objekten erlauben nun einen direkten Zugriff auf die<br />
Quellen und reduzieren den zeitlichen Aufwand der archivischen Recherche<br />
für die eigene sammlungsbezogene Provenienzforschung der Staatlichen<br />
Museen sowie für externe Forscher erheblich.<br />
Vor allem Eigentumsfragen, die angesichts der Fülle und Vielfalt der<br />
Sammlungen der SMB und ihrer über 180-jährigen Geschichte mitnichten<br />
nur die Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch Besitzerwechsel in<br />
den 1920er-Jahren (sog. Fürstenabfindung 1926) sowie in der Zeit der Sowjetischen<br />
Besatzungszone und in der DDR betreffen, bestimmen den Alltag<br />
der Provenienzforscherin der SMB. Daneben gilt es, Fremdbesitz zu<br />
identifizieren und den Zugang eines Objektes in die Museen zu rekonstruieren<br />
oder den Nachweis eines Werkes zu führen, welches als vermeintlicher<br />
Kriegsverlust galt und plötzlich im Kunsthandel wieder auftaucht.<br />
Auch bei Erwerbungsvorhaben der Sammlungen oder der Aufklärung<br />
und Zuordnung von alten Dauerleihgaben und -leihnahmen wird<br />
zunehmend die Hilfe der Provenienzforschung in Anspruch genommen.<br />
oben: Abbildung aus: Richard Kaufmann, Auf den Pfaden nazarenischer und<br />
romantischer Kunst. Was meine Bilder erzählen, <strong>Berlin</strong> 1922, S. 6<br />
links: Johann Martin von Rohden, Tivoli, 1848. Öl auf Leinwand, 67 × 94,6 cm.<br />
Nationalgalerie. © Nationalgalerie SMB. Foto: Jörg P. Anders<br />
Um der Fülle der »aktuellen Fälle« gerecht zu werden und gleichzeitig<br />
die systematischen Bestandsuntersuchungen in den betroffenen Sammlungen<br />
voranzutreiben, wurden zusätzlich mehrere befristete Stellen in<br />
den Museen eingerichtet: zunächst im Kupferstichkabinett, wo sich ein<br />
weiteres Projekt zur Untersuchung der Sammlung der Zeichnungen anschließen<br />
wird, sowie im Kunstgewerbemuseum. Ein dreijähriges Forschungsprojekt<br />
mit zwei Wissenschaftlerinnen zu Beständen der Nationalgalerie<br />
und des Kupferstichkabinetts (Journal S. 12) wird ebenfalls<br />
vom Zentralarchiv aus geleitet.<br />
Jenseits von allen aktuellen politischen Erfordernissen und belastbaren<br />
Besitznachweisen fördert die Provenienzforschung immer auch erstaunliche<br />
Erkenntnisse zur Geschichte der Objekte zutage, erhellt Sammlungszusammenhänge<br />
und trägt mosaikartig Biografien von Künstlern,<br />
Sammlern oder Händlern zusammen, die auf verschiedene Art und Weise<br />
in die Museen hineinwirkten und somit dauerhaft Teil ihrer Geschichte<br />
geworden sind.<br />
Dr. Petra Winter ist Provenienzforscherin der SMB und stellvertretende Leiterin des<br />
Zentralarchivs der SMB.<br />
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