Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
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775 Jahre <strong>Berlin</strong> – Spuren des Mittelalters<br />
ist das regelmäßige Straßennetz gut zu erkennen<br />
(Abb. 2). Ende des 12. Jahrhunderts hatten<br />
sich zunächst kleine Marktorte auf beiden Seiten<br />
des Spreeübergangs gebildet, rund um Nikolaikirche<br />
und Petrikirche, die damals noch kleine<br />
Holzkirchen waren. Mit der Stadtrechtsverleihung<br />
um 1230 konnte der Ausbau der Doppelstadt<br />
geplant werden. Die größten Bauprojekte<br />
waren der Staudamm an der Spree (der Mühlendamm)<br />
und die Stadtmauer. Doch auch neue<br />
Viertel entstanden. Mit Pflug und Seilen wurden<br />
Straßen- und Grundstücksgrenzen gezogen und<br />
die Parzellen nach und nach bebaut.<br />
Abb. 1: Ausgrabung am Petriplatz,<br />
2009. Foto: Claudia Melisch.<br />
Rechts sieht man die Grundmauern<br />
des Chors der neugotischen Kirche.<br />
Abb. 2: Johann Gregor Memhardt,<br />
Stadtplan von <strong>Berlin</strong> und Cölln,<br />
1652. Staatsbibliothek zu <strong>Berlin</strong> –<br />
Preußischer Kulturbesitz. Der<br />
Mühlendamm verbindet die beiden<br />
Städte. Auf Cöllner Seite ist der<br />
Fischmarkt mit der Petrikirche<br />
und dem Rathaus zu erkennen,<br />
auf <strong>Berlin</strong>er Seite die Nikolaikirche<br />
und, nah an der Stadtmauer,<br />
die jüngere Marienkirche.<br />
Dazwischen liegt das Rathaus.<br />
Nordöstlich des Petriplatzes, an der Ecke Breite<br />
Straße/Mühlendamm, fanden – ebenfalls unter<br />
einem Parkplatz – Ausgrabungen statt, bevor<br />
Ende 1997 das Haus der Deutschen Wirtschaft<br />
gebaut wurde. Die Funde sind vermeintlich weniger<br />
spektakulär als am Petriplatz, denn hier<br />
standen einfache Bürgerhäuser aus Bohlen und<br />
Fachwerk. Doch die Fundstelle eröffnete mannigfaltige<br />
Einblicke in den Alltag der Menschen<br />
des 13. Jahrhunderts. Aus dem Profil und den Verfärbungen<br />
der Erdschichten, Holzkohleresten,<br />
Knochen- und Keramikfunden konnten die Archäologen<br />
auf die Bauweise der Häuser, Ernährungsgewohnheiten<br />
und die Vorratshaltung<br />
schließen. Auch über den Zuschnitt der Grundstücke<br />
und die Straße erfuhren die Archäologen<br />
einiges. Wer hätte gedacht, dass die Breite Straße<br />
schon im Mittelalter zehn Meter breit war<br />
<strong>Berlin</strong> und Cölln sind, wie die meisten Gründungsstädte<br />
des 12. und 13. Jahrhunderts, planmäßig<br />
angelegt worden. Auf dem ältesten bekannten<br />
Stadtplan von Johann Gregor Memhardt,<br />
dem Erbauer der barocken Festung von <strong>Berlin</strong>,<br />
Mitgeplant wurde auch ein Bereich für die<br />
jüdischen Bürger <strong>Berlin</strong>s, die zu den Mitgründern<br />
der Stadt gehörten: der Große Jüdenhof. Er<br />
fällt aus dem Raster der regelmäßigen Blocks,<br />
ein Binnenhof mit zwölf Häusern, zugänglich<br />
durch ein Tor von der damals bogenförmig verlaufenden<br />
Jüdenstraße aus. Wie Dieter Hoffmann-Axthelm<br />
gezeigt hat, teilen die mittelalterlichen<br />
Judenhöfe und Judengassen bestimmte<br />
topografische Merkmale. Sie liegen stets in der<br />
Nähe des Marktes – hier des Molkenmarktes –,<br />
wo die jüdischen Händler als Geldwechsler und<br />
Pfandleiher tätig waren, in der Nähe von »lebendigem«<br />
Wasser und meist an der Stadtmauer, sodass<br />
Durchgangsverkehr vermieden wurde. Die<br />
zurückgesetzte Lage und die Abschließbarkeit<br />
des <strong>Berlin</strong>er Jüdenhofes machte nicht nur die<br />
Einhaltung der Sabbatruhe leichter. Auf diese<br />
Weise wurde ein Bereich geschaffen, in dem die<br />
jüdische Gemeinde ungestört lehren, Recht<br />
sprechen und Versammlungen abhalten konnte.<br />
Der Große Jüdenhof lag dort, wo sich bis vor<br />
Kurzem noch der Parkplatz des Stadthauses befand.<br />
Ein nichtssagender Ort, ein Reststück zwischen<br />
Grunerstraße und Stadthaus. Doch knapp<br />
unter dem Asphalt ist die Hofstruktur noch gut<br />
zu erkennen, wie die Ausgrabungen im vergangenen<br />
Jahr gezeigt haben (Abb. 4). Die Parzellen,<br />
auf denen im Lauf der Jahrhunderte neue<br />
Häuser entstanden, haben sich bis zum Zweiten<br />
Weltkrieg erhalten. Von besonderem Interesse<br />
sind die Grundstücke Nummer 9 und 10, denn<br />
hier vermutet man den Standort der mittelalter-<br />
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