Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
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775 Jahre <strong>Berlin</strong> – 25 Jahre Deutsches Historisches Museum<br />
MJ Wodurch ergeben sich die Themen der Sonderausstellungen<br />
Ziehen Sie diese aus den Gegebenheiten<br />
der Sammlung, oder sind es eher Jubiläen<br />
oder andere, gerade virulente Themen<br />
Koch Das ist ganz unterschiedlich: Der wichtigste<br />
Ansatzpunkt ist, dass wir uns unter dem Aspekt<br />
der deutschen Geschichte keinem attraktiven<br />
Thema, keinem attraktiv erscheinenden Jubiläum<br />
und keiner attraktiv erscheinenden Kompetenz,<br />
die im Haus vorhanden ist, verschließen. Die Ideen<br />
entwickeln sich meist in Gesprächsrunden,<br />
manchmal auch en passant. Mein Wunsch ist,<br />
dass wir auch aktuelle Entwicklungen in unserer<br />
Gesellschaft aufgreifen und möglichst zeitnah in<br />
Ausstellungen widerspiegeln. Deshalb führen wir<br />
Debatten darüber, wie es mit unserer Gesellschaft<br />
weitergeht, in Fragen der Medien, der Informationsgesellschaft,<br />
der Integration, der Globalisierung.<br />
Wir sind nun einmal eine Einrichtung<br />
des Bundes und damit von der Öffentlichkeit<br />
getragen für die Öffentlichkeit. Das heißt,<br />
dass wir überzeitliche Ziele verfolgen, die sich<br />
nicht in Legislaturperioden oder anderen zeitlich<br />
beschränkten Vorstellungen ausdrücken<br />
lassen, sondern das Museum als eine gesellschaftsorientierte<br />
Kultur-, Bildungs- und Vermittlungseinrichtung<br />
verstehen.<br />
MJ Und vermittelt wird nationale Identität Oder<br />
handelt es sich dabei nicht um ein Auslaufmodell<br />
Koch Wir werden im Herbst dazu eine Tagung<br />
machen, weil uns die Frage der nationalen Identität<br />
selbstverständlich berührt. Sie wird in<br />
Deutschland und Europa ganz unterschiedlich<br />
beurteilt. Denken Sie nur an die aktuellen Entwicklungen<br />
in Ungarn und Rumänien, wo unter<br />
zum Teil problematischen Vorzeichen neue Nationalismen<br />
aufkommen. Wir leben in Deutschland<br />
in einem Rechtsstaat, in einem staatlichen<br />
Gebilde, das sich seit Jahrzehnten bewährt, und<br />
insofern sind wir hier im Museum ein Spiegelbild<br />
dieses Erfolgsmodells Deutschland. Klar ist<br />
aber auch, dass die Gesellschaft von heute eine<br />
andere ist als die vor zwanzig oder dreißig Jahren.<br />
Und die Gesellschaft von morgen wird auch<br />
eine andere sein als die von heute. Das heißt, wir<br />
müssen diesen Veränderungen Rechnung tragen,<br />
gerade auch unter dem Aspekt der Frage<br />
der nationalen Identität oder besser der natio-<br />
nalen Identitäten, der transnationalen Aspekte<br />
in unserer Gesellschaft. Wer sind wir Sind wir<br />
Deutsche, sind wir Europäer, sind wir Weltbürger<br />
Wo kommt jemand her Das sind alles aktuelle<br />
Fragestellungen, die neu zu diskutieren sind,<br />
sowohl in den Tagesmedien wie in den Monatsschriften<br />
und im Museum.<br />
MJ Sind Sie frei in Ihrer Arbeit oder hat der Bund<br />
als Auftraggeber ein Interesse, dass Sie bestimmte<br />
Themen bearbeiten<br />
Koch Der Bund ist in erster Linie Zuwendungsgeber<br />
und hat das Interesse, dass die Mittel,<br />
die wir von ihm erhalten, erfolgreich umgesetzt<br />
werden, er hat sozusagen die Rechtsaufsicht.<br />
Das ist ja das Raffinierte an einer öffentlichrechtlichen<br />
Stiftung. Wir verfügen über einen<br />
Stiftungsrat, der sich bei uns Kuratorium nennt,<br />
besetzt mit Vertretern der Bundesregierung, des<br />
Bundestags und der Länder; wir haben des Weiteren<br />
einen wissenschaftlichen Beirat, der Empfehlungen<br />
abgibt und uns berät. Wir möchten,<br />
dass dieses Haus sich erfolgreich in unserer Kulturlandschaft<br />
als nationales Geschichtsmuseum<br />
behauptet, in einem Land, das vom Kulturföderalismus<br />
geprägt ist. Wir liegen sozusagen<br />
quer zum Föderalismus, und trotzdem sehe ich<br />
mich und mein Haus natürlich im Bunde mit<br />
den Ländern.<br />
Wir unterstützen die Länder und auch die<br />
Kommunen in ihren Aktivitäten. Wir sind für viele<br />
Museen Leihgeber bei Wechselausstellungen,<br />
wir sind wahrscheinlich eines der in dieser Hinsicht<br />
begehrtesten Geschichtsmuseen in Europa<br />
überhaupt.EinAnliegen,das ich verfolge,ist, dass<br />
wir unsere Umsetzungen im Ausstellungsbereich<br />
in die Länder tragen, also auch Ausstellungen<br />
weitergeben. Was wir präsentieren, ist deutsche<br />
Geschichte im Kontext, die oft gleichermaßen<br />
auf Bundesländerebene wie in kommunalen<br />
Zusammenhängen präsentierbar ist. Das hat mit<br />
Geben und Nehmen zu tun, und ich glaube, gerade<br />
in dieser Ausgewogenheit ist ein solches<br />
Bundesmuseum eine wertvolle Einrichtung.<br />
MJ Lässt sich bei den beiden größeren Sonderausstellungen<br />
»Unter Bäumen. Die Deutschen und<br />
der Wald« und »Friedrich der Große. verehrt, verklärt,<br />
verdammt«, die seit ihrem Amtsantritt hier<br />
stattgefunden haben, ihre Herangehensweise bereits<br />
erkennen<br />
Koch Für mich ist bei der Erarbeitung eines Ausstellungsprojekts<br />
relevant, dass es als Arbeit<br />
eines Teams begriffen wird, von Anfang an, von<br />
der ersten Idee bis zur Umsetzung sind viele<br />
Meinungen und Köpfe gefragt.<br />
MJ War das früher anders<br />
Koch Das war früher anders, es wurde anders gehandhabt.<br />
Meine Herangehensweise und Grundkonzeption<br />
basiert auf einem ausgefeilten Projektmanagement.<br />
Von der ersten Idee bis zur<br />
Umsetzung bedarf es vieler Einwürfe, Nachdenkens<br />
und Diskutierens, vor allem Ringens um<br />
den richtigen Kurs. Eine Ausstellung ist ein dreidimensionaler<br />
Erfahrungsraum, der zeitlich befristet<br />
ist. Für wenige Monate werden Räume<br />
kreiert und man wird mit Themen und Inhalten<br />
konfrontiert, und es geht nun darum, diese<br />
Themeninhalte adäquat zu vermitteln. Ich bin<br />
ein großer Freund davon, dass solche Konzepte<br />
auch von verschiedenen Seiten beurteilt werden:<br />
aus wissenschaftlicher oder kuratorischer<br />
Perspektive, aus der Perspektive von Museumspädagogen,<br />
von Gestaltern, Marketingexperten,<br />
solchen der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Experten,<br />
die die Besucherinteressen widerspiegeln.<br />
Dabei kommt es darauf an, diese verschiedenen<br />
Sichtweisen zu bündeln und eine belastbare<br />
Grundlage zu schaffen. Für mich steht das<br />
Einbinden eines größeren Kreises hier am Haus<br />
mit Kick-off-Sitzungen am Anfang jedes Projekts,<br />
um die verschiedenen Kompetenzen an<br />
Bord zu holen, zu informieren. Das ist eine Herangehensweise,<br />
die ich mit großem Erfolg an<br />
anderen großen Häusern umgesetzt habe und<br />
die zur Identifikation mit einem Projekt beiträgt.<br />
Das bedeutet auch, dass sich eine Ausstellung<br />
kritischen Worten stellen muss, und auch ein<br />
Wissenschaftler muss darlegen, wieso er meint,<br />
etwas so machen zu müssen und nicht anders.<br />
MJ Was heißt das für die Friedrich-Ausstellung<br />
Koch Für die Friedrich-Ausstellung heißt das,<br />
dass wir uns der räumlichen Gestaltung widmen,<br />
Dingen wie der Betextung, der Beschriftung, der<br />
Besucherführung, der Beleuchtung, der Architektur,<br />
dem roten Faden, der Exponatauswahl,<br />
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