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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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Ausstellungen<br />

Schwules Museum<br />

Mädchen in Uniform<br />

Christa Winsloe (1888 –1944)<br />

30. November 2012 bis 4. März 2013<br />

»Mein Leben lang habe ich Tiere gezeichnet und<br />

modelliert und ein paar hübsche kleine Geschichten<br />

zusammengeschrieben. Jetzt wollte ich doch<br />

bloß mal versuchen, ob ich lebendige Menschen<br />

zustande bringe. Und da kommen nun auch noch<br />

all die Frauen, die keine Männer mögen und wollen<br />

mir einreden, ich hab dieses Stück für sie geschrieben.<br />

Ich fahr wieder heim nach München,<br />

da kenn ich mich besser aus.« So kokett reagierte<br />

Christa Winsloe im November 1931 nach der Premiere<br />

von »Mädchen in Uniform« im <strong>Berlin</strong>er<br />

Kino Capitol. Ihr zugrundeliegendes Theaterstück<br />

»Ritter Neréstan« wurde in Leipzig uraufgeführt<br />

und im folgenden Jahr unter dem Titel<br />

»Gestern und heute« an Bühnen in <strong>Berlin</strong>, Wien<br />

und Zürich inszeniert. Doch der durchschlagende<br />

Publikumserfolg kam erst mit der filmischen<br />

Bearbeitung. Das Drehbuch erstellte Christa<br />

Winsloe mit Leontine Sagan und Carl Froelich.<br />

Leontine Sagan, die das Stück bereits in <strong>Berlin</strong><br />

inszeniert hatte, führte unter der künstlerischen<br />

Oberleitung von Froelich Regie. Der Film galt<br />

als einer der besten des Jahres 1931, erzielte Preise<br />

und wurde weltweit gefeiert. Die zeitgenössische<br />

Filmkritik interpretierte den Film als Anklage<br />

gegen den preußischen Erziehungsdrill –<br />

Lotte H. Eisner, Herbert Ihering und Rudolf Arnheim<br />

ließen den lesbischen Subtext weitgehend<br />

unbeachtet. In der Lesbenzeitschrift »Die Freundin«<br />

wurde der Film euphorisch besprochen und<br />

eindeutig bewertet: »Die Lehrerin und die Schülerin<br />

lassen nicht mehr voneinander.« Der Film<br />

war sehr populär. So ging die Protagonistin Doris<br />

in Irmgard Keuns Roman »Das kunstseidene<br />

Mädchen«, der im Juni 1932 erschien, ins Kino:<br />

Sie sah »Mädchen in Uniform«. In diesem Jahr<br />

gab es in zahlreichen deutschen Städten erneut<br />

Inszenierungen des Theaterstücks.<br />

Christa Winsloe ist heute fast vergessen. Im<br />

AvivA-Verlag erscheint in diesem Herbst die<br />

erste Biografie »Meerkatzen, Meißel und das<br />

Mädchen Manuela« von Doris Hermanns. Neu<br />

aufgelegt wird auch der 1933 in Amsterdam erschienene<br />

Roman »Das Mädchen Manuela« bei<br />

Krug & Schadenberg. Das Schwule Museum<br />

nimmt dies zum Anlass, die Autorin und Bildhauerin<br />

Christa Winsloe in einer Ausstellung<br />

zu präsentieren.<br />

Christa Winsloe besuchte in Potsdam ein<br />

Mädcheninternat – Erlebnisse, die sie später literarisch<br />

verarbeitete. Sie zog zum Bildhauerstudium<br />

nach München und verkehrte in der<br />

Schwabinger Bohème. 1913 lernte sie den ungarischen<br />

Schriftsteller Lajos Hatvany kennen, den<br />

sie im gleichen Jahr heiratete. Zum Schreiben<br />

kam sie über die Bildhauerei. Eine Veröffentlichung<br />

in der renommierten Kulturzeitschrift<br />

»Querschnitt« erzählte von ihren Skulpturen:<br />

»Ich modelliere Tiere«. Neben ihrer bildhauerischen<br />

und journalistischen Arbeit verfasste sie<br />

Theaterstücke: Ihr erstes hieß »Ritter Nerestan«.<br />

1932 verliebte sie sich in die Journalistin<br />

und frühe NS-Kritikerin Dorothy Thompson. Sie<br />

gingen zusammen auf Reisen und Christa Winsloe<br />

zog zu ihr in die USA. Die Beziehung scheiterte<br />

nach zwei Jahren. Christa Winsloe tat sich<br />

mit ihrer weiteren Lebensplanung schwer. Sie<br />

reiste, lebte in München und in Frankreich. Ihre<br />

Bücher wurden nach 1933 in Deutschland nicht<br />

mehr verkauft. 1938 schrieb sie das Drehbuch für<br />

Unbekannter Fotograf, Christa Winsloe,<br />

ohne Jahr. Sammlung Renate von Gebhardt<br />

den Pabst-Film »Jeunes filles en détresse«. In<br />

den folgenden Jahren ließ sie sich in Cagnes,<br />

Südfrankreich, nieder und lebte dort mit der<br />

Schweizer Pianistin Simone de Gentet. Als die<br />

beiden aus Frankreich in ihre Herkunftsländer<br />

aufbrechen wollten, wurden sie 1944 in Cluny<br />

von Kriminellen erschossen. Lange hielt sich das<br />

Gerücht, sie seien als deutsche Spioninnen von<br />

der Résistance hingerichtet worden.<br />

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M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2

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