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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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Ausstellungen<br />

Aktives Museum in der Akademie der Künste am Pariser Platz<br />

Letzte Zuflucht Mexiko<br />

Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil nach 1939<br />

3. Dezember 2012 bis 14. April 2013<br />

»Fremdes Land, wo nichts mir angehört,<br />

Weder Haus noch Baum noch Vogelnest.<br />

Land, dem ich wie Strangut angeschwemmt.<br />

[…]<br />

Für das Land, das wahllos mich verstieß,<br />

Tausche ich Dich ein, Du Paradies.«1<br />

Diese Zeilen stammen aus einen Gedicht von<br />

Paul Mayer mit dem Titel »Dank an Mexico«, das<br />

1943 in der New Yorker Emigrantenzeitschrift<br />

»Aufbau« veröffentlicht wurde. Der Autor und<br />

Verleger Paul Mayer (1889–1970) gehörte zu den<br />

etwa Tausend deutschsprachigen Emigranten,<br />

die zwischen 1933 und 1945 in Mexiko Zuflucht<br />

fanden. Das Aktive Museum bereitet in Kooperation<br />

mit der Akademie der Künste <strong>Berlin</strong>, dem Iberoamerikanischen<br />

Institut <strong>Berlin</strong> und dem Instituto<br />

deInvestigaciones Interculturales Germano-<br />

Mexicanas eine Ausstellung vor, die sich exemplarisch<br />

mit der Geschichte von <strong>Berlin</strong>er Emigrantinnen<br />

und Emigranten in Mexiko befasst.<br />

Ähnlich wie Varian Fry, dessen Arbeit als<br />

Fluchthelfer Tausender Emigranten eine Ausstellung<br />

des Aktiven Museums 2006 ebenfalls<br />

in der Akademie der Künste dokumentierte, hat<br />

der mexikanische Generalkonsul jener Jahre,<br />

Gilberto Bosques, ab 1939 zunächst in Paris und<br />

dann von 1940 bis 1942 in Marseille durch die<br />

Erteilung von Visa vielen deutschen und österreichischen<br />

Emigranten noch in letzter Sekunde<br />

das Leben gerettet. Unter ihnen waren zahlreiche<br />

Mitglieder der Akademie der Künste sowie<br />

Künstler und Schriftsteller, deren Nachlässe im<br />

dortigen Archiv bewahrt werden. Zu ihnen gehören<br />

unter anderem Hanns Eisler, Egon Erwin<br />

Kisch, Rudolf Leonhard, Anna Seghers, Steffie<br />

Spira und Paul Westheim.<br />

»Dieses Mexiko hat<br />

einfach die Tür aufgemacht …«2<br />

MexikosAußenpolitik in den1930er-Jahren zeichnete<br />

sich durch eine konsequent antinazistische<br />

Haltung aus: So verweigerte das Land 1938 dem<br />

»Anschluss« Österreichs die Anerkennung und<br />

protestierte 1939 vor dem Völkerbund gegen<br />

die Zerschlagung der Tschechoslowakei. Im Juni<br />

1938 erklärte der mexikanische Präsident Lázaro<br />

Cárdenas die Bereitschaft seines Landes, den<br />

politischen Flüchtlingen vor der nationalsozialistischen<br />

Verfolgung in Europa die Tore zu öffnen.<br />

Waren es zunächst insbesondere die rund<br />

15 000 republikanischen Spanienkämpfer, denen<br />

die Regierung Mexikos zur Befreiung aus der Internierung<br />

in Frankreich und zur Ausreise aus<br />

Europa verhalf, so kamen bald auch zahlreiche<br />

deutschsprachige Emigranten hinzu, die noch<br />

in der Region Marseille festsaßen. Viele von ihnen<br />

hatten in den Internationalen Brigaden der<br />

Spanischen Republik gekämpft und waren nach<br />

deren Niederschlagung ebenfalls in Frankreich<br />

interniert worden. Aufgrund einer ersten Liste<br />

wies Präsident Cárdenas am 9. September 1940<br />

den mexikanischen Generalkonsul Gilberto Bosques<br />

in Marseille an, für zwanzig prominente<br />

deutsche politische Flüchtlinge und ihre Familienangehörigen<br />

Visa zu erteilen. Zu dieser ersten<br />

Gruppe gehörten neben Anna Seghers unter anderem<br />

die Schriftsteller Franz Werfel, Alfred Döblin,<br />

Walter Mehring und Emil Julius Gumpel sowie<br />

die Mutter von Hermann Kesten. Nicht alle<br />

Genannten gingen dann auch nach Mexiko, aber<br />

das Visum ermöglichte ihnen angesichts des<br />

Vormarsches der deutschen Wehrmacht und der<br />

drohenden Besetzung des zunächst noch freien<br />

Süden Frankreichs die Ausreise. Mexiko wurde<br />

so zu einem der letzten Auswege aus Europa.<br />

Von 1940 bis 1942 wurde Gilberto Bosques<br />

Teil eines Netzwerkes von Hilfsorganisationen<br />

in Marseille. Zur Unterbringung der Flüchtlinge<br />

mietete er zwei Schlösser in Reynarde und<br />

Montgrand, sorgte für Lebensmittel, medizinische<br />

Versorgung und juristische Beratung und<br />

organisierte eine Arbeitsvermittlung bis zur<br />

Ausreise. Nach der deutschen Besetzung Südfrankreichs<br />

und der Schließung des Konsulats<br />

Ende 1942 wurde Gilberto Bosques selbst nach<br />

Deutschland deportiert und über ein Jahr im<br />

»Rheinhotel Dreesen« in Bad Godesberg interniert.<br />

Bei seiner Rückkehr nach Mexiko bereiteten<br />

ihm die noch dort lebenden deutschen Emigranten<br />

einen begeisterten Empfang.<br />

»Dies ist ein Land, in dem<br />

ein Kunstmensch leben kann.«3<br />

Es waren vor allem die politisch Verfolgten unterschiedlichster<br />

Gruppierungen, unter ihnen<br />

viele Schriftsteller und Künstler, die in Mexiko<br />

eine neue politische Heimat suchten. Anders<br />

als in den meisten Exilländern war es in Mexiko<br />

nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht,<br />

dass sich die aufgenommenen Flüchtlinge poli-<br />

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M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2

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