Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ausstellungen<br />
Museum Europäischer Kulturen<br />
Weihnachtspyramiden<br />
Tradition und Moderne<br />
30. November 2012 bis 3. Februar 2013<br />
Die sich durch Kerzenwärme drehende Weihnachtspyramide<br />
gehört vermutlich zu den<br />
bekanntesten weihnachtlichen Symbolen in<br />
Deutschland. Zunächst verbindet man sie mit<br />
dem Erzgebirge. Dabei gab es pyramidenartige<br />
Lichtergestelle auch in anderen Regionen. Auf<br />
dem <strong>Berlin</strong>er Weihnachtsmarkt waren die »Perjemiden«<br />
im 19. Jahrhundert nicht wegzudenken.<br />
Neben dem Stadtschloss am Petriplatz und später<br />
am Lustgarten gab es ganze »Wälder« von<br />
Pyramiden. Sie bestanden aus vier Stäben, die<br />
oben zu einer Spitze zusammenliefen und unten<br />
in einem Brettchen steckten. Meist waren<br />
es Kinder oder ärmere Leute, die sich mit dem<br />
Verkauf dieser Lichtergestelle etwas Geld verdienten.<br />
So auch <strong>Berlin</strong>s berühmter »Eckensteher<br />
Nante«, dem Adolf Glassbrenner die Worte<br />
in den Mund legte: »Am Weihnachtsfeste hab<br />
ick Ruh / von wegen meiner Ollen; / … Sie macht<br />
Rosinenmänner dann / un ick bau Perjemieden.«1<br />
Mit Zweigen, Bändern oder Papierstreifen geschmückt<br />
und mit Äpfeln, Nüssen, Rosinen und<br />
Zuckerzeug behängt, dienten die Pyramiden zur<br />
Beleuchtung des Gabentischs und waren gleichzeitig<br />
eine bescheidene Form der Bescherung.<br />
Erst als es mit den Eisenbahnen möglich wurde,<br />
frisch geschlagene Weihnachtsbäume in die<br />
Städte zu bringen, übernahmen diese die Beleuchtung<br />
des Gabentisches. Fast wären die<br />
Weihnachtspyramiden ganz in Vergessenheit<br />
geraten, hätte es nicht aus dem Erzgebirge die<br />
drehbare Pyramide mit Flügelrad gegeben.<br />
Diesem Thema widmet sich nun eine Ausstellung<br />
im Museum Europäischer Kulturen. Neben<br />
erzgebirgischen Pyramiden zeigt sie auch<br />
Dieter Huch, Engel Weltall haltend, Zwönitz,<br />
2008–11. Museum Europäischer Kulturen SMB.<br />
Foto: Ute Franz-Scarciglia<br />
weniger bekannte Varianten weihnachtlicher<br />
Lichtergestelle wie Holdenstedter Engelstöcke,<br />
Sebnitzer Schattenspiele, Lausitzer Weihnachtsleuchter<br />
oder einen Hiddenseer Bügelbaum.<br />
Viele Pyramiden sind Einzelanfertigungen, hinter<br />
denen eine ganz besondere Geschichte<br />
steht. Erich Gille beispielsweise hat seine Lebenserinnerungen<br />
auf seiner »Lebenspyramide«<br />
dargestellt. Im Osterzgebirge, in der Region um<br />
Seiffen, entstanden unter dem Einfluss der dortigen<br />
Gewerbefachschule Pyramiden, die zu<br />
Klassikern geworden sind, beispielsweise die<br />
von Max Schanz entwickelte Dreistabpyramide<br />
oder die Göpelpyramide von Walter Werner.<br />
Schon um 1900 begannen die Vorläufermuseen<br />
des Museums Europäischer Kulturen Weihnachtspyramiden<br />
zu sammeln. Etwa 100 Objekte<br />
dieser umfangreichen Sammlung sind nun<br />
erstmals gemeinsam zu sehen. Ergänzt wird die<br />
Ausstellung durch Neuerwerbungen moderner<br />
Pyramiden. Sie belegen die Innovationskraft der<br />
Gestalter und zeigen, in welch sensiblem Bereich<br />
zwischen Kunst und Kunsthandwerk sich Weihnachtspyramiden<br />
heute bewegen. Als größte Pyramide,<br />
mit über drei Metern Höhe, wird die 1964<br />
erbaute Cunersdorfer Ortspyramide im Außenbereich<br />
des Museums zu sehen sein. Nicht zuletzt<br />
diese Großpyramiden tragen dazu bei, dass<br />
die Ausstrahlung der Weihnachtspyramiden inzwischen<br />
weit über Sachsen und Deutschland<br />
hinausgeht.<br />
Tina Peschel<br />
Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />
Museum Europäischer Kulturen SMB und Kuratorin der<br />
Ausstellung.<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit englischsprachigen<br />
Zusammenfassungen.<br />
Anmerkung<br />
1 Zitiert nach: Kurt Pomplun, Weihnachten und Neujahr<br />
im alten <strong>Berlin</strong>. Ein Beitrag zur Volkskunde der<br />
Großstadt (= <strong>Berlin</strong>er Forum, Heft 14), Presse- und<br />
Informationsamt des Landes <strong>Berlin</strong>, <strong>Berlin</strong> 1969, S. 18.<br />
9 0 |<br />
M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2