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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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Deutsches Historisches Museum | Aus den Sammlungen<br />

(540–604) kniet um 600 in der Kirche Santa Croce<br />

in Rom, als ihm der gekreuzigte Jesus über<br />

dem Altar erscheint. Alle Marterwerkzeuge, die<br />

ihn ans Kreuz brachten, werden aufgezählt. Sie<br />

dokumentieren akribisch seinen Opfergang. Die<br />

Botschaft ist eindeutig: Er ist für uns gestorben,<br />

mehr noch, er hat sich ans Kreuz schlagen lassen,<br />

um uns von unserer Schuld zu erlösen. Und<br />

als Beweis fließt sein Blut in den Kelch des Papstes.<br />

Daran erinnert die Holztafel mit der Gregorsmesse<br />

aus dem Jahr 1496 und verkündet in<br />

einem Textteil: »Wer in Reue und Andacht fünf<br />

Vaterunser spricht, der erwirbt dreizehntausendfünfzehn<br />

Jahre Ablass und muss sich nicht sorgen.«<br />

Gemeint sind damit also nicht nur der Betende<br />

und seine lange Zeit in der Vorhölle bis zum Ende<br />

der Welt, sondern auch alle Vorfahren, die nicht<br />

um Ablass beten konnten. Eigentlich eine tolle<br />

Erfindung. Musste man früher persönlich nach<br />

Rom reisen, um den Ablass zu erwirken, trat nun<br />

ein Kniefall mit Gebet vor diesen mobilen Bildern<br />

an die Stelle der weiten Romreise. Man<br />

konnte zu Hause bleiben und seiner Arbeit nachgehen.<br />

Wurde einem das Beten zu lang, konnte<br />

auch eine Geldspende für den Bau von Sankt Peter<br />

in Rom Gleiches bewirken. Aber dies bot<br />

Sprengstoff: Diese finanziellen Transferleistungen<br />

aus dem Deutschen Reich in Richtung Italien<br />

und Mittelmeer wurden um 1500 den Landesfürsten<br />

nördlich der Alpen zuviel. Sie wollten<br />

den Ablasshandel einschränken. Luther kam ihnen<br />

gerade recht, der nun den nächstbesten Verkäufer<br />

von Ablassbriefen im Raume Wittenberg<br />

für alle Zeit an den protestantischen Pranger<br />

stellte: Es handelte sich um den Dominikanermönch<br />

Johann Tetzel (um 1460–1519), der seinen<br />

von links nach rechts:<br />

Philipp Fleischer, Schichtwechsel<br />

beim Bau des Gotthard-Tunnels,<br />

1886. Öl auf<br />

Leinwand, 250 × 488 cm.<br />

Deutsches Historisches<br />

Museum<br />

Amtspflichten nachging. Richtig berühmt wurde<br />

Tetzel nicht im 16., sondern erst im 19. Jahrhundert.<br />

Auf den Historiengemälden, die den<br />

Protestantismus in ihrer Zeit feierten, wird der<br />

Dominikaner als ein feister, fetter Nichtsnutz<br />

dargestellt, der die Gläubigen narrt und ihnen<br />

das Geld aus der Tasche zieht.<br />

Dass Bildnisse in ihrer Zeit ein Affront sein<br />

konnten, sieht man ihnen heute teils nicht mehr<br />

an. Das Ehebildnis von Martin Luther (1483–<br />

1546) und seiner Frau Katharina von Bora (1499–<br />

1552) schreckt die meisten von uns heute nicht<br />

mehr. Aber als strenggläubiger Katholik, und<br />

es gab in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />

kaum Andersgläubige, sah man in diesem Ehebildnis<br />

den Augustinermönch, der eine aus dem<br />

Kloster entflohene Nonne geheiratet hat – ein<br />

Skandalbild aus der Werkstatt der Cranachs. Es<br />

machte den Gemeinden der Protestanten so viel<br />

Freude, dass es vermutlich hundertmal nachbestellt<br />

worden ist und folglich heute in fast jeder<br />

größeren Gemäldegalerie hängt. Das »Porträt<br />

des toten Luther« ist schon seltener. Aber<br />

auch dieses Werk aus dem Atelier der Geschichte<br />

war in seiner Zeit der Beweis dafür, dass er<br />

nicht vom Teufel geholt worden ist. Ein bildhafter<br />

Beleg für Gegner in Rom, die Luther als vom<br />

Teufel besessen gebrandmarkt und prophezeit<br />

Thoman Burgkmair,<br />

Gregorsmesse, 1496.<br />

Öl auf Holz, 143,5 × 133 cm.<br />

Deutsches Historisches<br />

Museum<br />

Francois Gérard,<br />

Napoleon I., Kaiser der<br />

Franzosen (1804–14/15), im<br />

Krönungsornat, 1806–10. Öl<br />

auf Leinwand, 223 × 146 cm.<br />

Deutsches Historisches<br />

Museum<br />

Alle Abbildungen:<br />

© Deutsches Historisches<br />

Museum. Foto: Arne Psille<br />

hatte, dass in seiner Todesstunde der Teufel aus<br />

ihm fahren würde.<br />

Die Ausstellung »Im Atelier der Geschichte«<br />

widmet sich hundert solcher Erzählungen aus<br />

500 Jahren. Sie will ein wenig belehren, viel unterhalten,<br />

von der Arbeit aus der Sammlung der<br />

letzten 25 Jahre erzählen und die Besucher ins<br />

Atelier der Geschichte des DHM locken.<br />

Dieter Vorsteher-Seiler<br />

Dr. Dieter Vorsteher-Seiler ist Abteilungsleiter Sammlungen<br />

und Stellvertreter des Präsidenten. Er hat die<br />

Ausstellung »Im Atelier der Geschichte« mit Dr. Sabine<br />

Beneke und Dr. Brigitte Reineke kuratiert.<br />

Anlässlich der Ausstellung erscheint die Publikation:<br />

Im Atelier der Geschichte. Aus der Gemäldesammlung<br />

des Deutschen Historischen Museums mit ca. 320 Seiten<br />

zum Museumspreis von 25 €.<br />

M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2 | 4 1

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