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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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Bode-Museum | Ausstellungen<br />

Jean de la Huerta, vier Pleurants<br />

aus dem Grab von Johann Ohnefurcht,<br />

1443–70, Alabaster, Musée des Beaux-Arts,<br />

Dijon. Foto: François Jay, Dijon<br />

sieht, während die Pleurants auf unserer Augenhöhe<br />

stehen. Darüber hinaus sind sie nicht als<br />

Relieffiguren, sondern vollplastisch konzipiert<br />

und laufen durch reich verzierte Arkaden, wie<br />

durch einen Kreuzgang. Diese Konzeption, die<br />

die dreidimensionale Wirkung der Figuren so<br />

sehr hervorhebt, geht wahrscheinlich auf Claus<br />

Sluter zurück.<br />

Bei den 37 männlichen Figuren in dieser Ausstellung<br />

dominieren Kleriker. Die Prozession<br />

wird am Kopfende von Chorknaben und Diakonen<br />

eröffnet, dann folgen ein Bischof und vier<br />

Vorsänger. Die folgenden Klagenden sind hauptsächlich<br />

Karthäusermönche, die an ihrer breiten<br />

Kapuze erkennbar sind, dazwischen einige Laien.<br />

Der Ablauf bleibt durch die Variationen und<br />

den ausgewogenen Rhythmus der Figuren spannungsvoll.<br />

Erstaunlich ist es, wie jede Figur eine<br />

individuelle Haltung und einen eigenen Gemütszustand<br />

zeigt – allerdings handelt es sich<br />

hier nicht um Porträts. Die Figuren drücken ihre<br />

Trauer durch ihre Gestik und die komplexe Anordnungen<br />

ihrer Draperien aus. Einige der beeindruckendsten<br />

Figuren sind diejenigen, deren<br />

Gesichter ganz hinter ihrer Kapuze versteckt<br />

sind. Obwohl die Pleurants in einen konkreten<br />

historischen Kontext gehören, sind sie für die<br />

heutigen Betrachter immer noch besonders ergreifend.<br />

Da die Trauer zu den universellen und<br />

bestürzendsten Emotionen zählt, erkennen wir<br />

uns in den Pleurants des Grabmals Johann Ohnefurchts<br />

wieder und werden an Zeiten erinnert,<br />

in denen wir am verwundbarsten waren.<br />

Das ikonografische Programm des Grabmals<br />

Johann Ohnefurchts folgt dem des Monuments<br />

seinesVaters getreu,mit dem einenUnterschied,<br />

dass Philip allein, während Johann zusammen<br />

mit seiner Gemahlin Margarete von Bayern dargestellt<br />

ist. Die Anwesenheit von Pleurants –<br />

Mitglieder der Gesellschaft, die um den Verlust<br />

des Verstorbenen trauern und für sein Seelenheil<br />

beten – auf Grabmälern hat eine lange Tradition.<br />

Beispiele dafür gibt es bereits Mitte des<br />

13. Jahrhunderts in der Abtei Saint Denis nördlich<br />

von Paris. Was aber bei den beiden Grabmälern<br />

der burgundischen Herzöge völlig neu ist,<br />

ist die Tatsache, dass die Pleurants nicht mehr<br />

als Relieffiguren eine Nebenrolle spielen, sondern<br />

zum Hauptteil des Figurenschmucks geworden<br />

sind. Die Grabmäler sind so hoch, dass<br />

man die Gisants nur im Profil, etwas von unten,<br />

Julien Chapuis<br />

Der Autor ist Leiter der Skulpturensammlung und des<br />

Museums für Byzantinische Kunst SMB.<br />

Die Ausstellung wurde vom Musée des Beaux-Arts Dijon<br />

mit Unterstützung von Frame und in Kooperation mit<br />

der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische<br />

Kunst, den Musea Brugge und dem Musée National<br />

du Moyen-Âge, Paris, organisiert. Mit Unterstützung<br />

von Museum und Location.<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: Sophie Jugie,<br />

»Die Pleurants. Die Klagefiguren an der Grabmälern der<br />

Burgundischen Herzöge«, Uitgeverij Lannoo, 128 Seiten,<br />

175 Farbabbildungen, 29,99 €.<br />

M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2 | 6 1

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