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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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775 Jahre <strong>Berlin</strong><br />

An der Marienkirche<br />

Die <strong>Berlin</strong>-Jubiläen von 1937 und 1987<br />

Ein Vergleich<br />

25. August bis 28. Oktober 2012<br />

Zum 775. Geburtstag blickt <strong>Berlin</strong> auf die vergangenen<br />

Jubiläen zurück. Dreimal wurde bis<br />

heute ein <strong>Berlin</strong>-Jubiläum gefeiert, und jedes in<br />

einer anderen politischen Ordnung: das erste<br />

1937 im nationalsozialistischen <strong>Berlin</strong>, die 750-<br />

Jahr-Feiern getrennt und im direkten Wettbewerb<br />

miteinander in Ost- und West-<strong>Berlin</strong>. Diese<br />

Situation lädt zum Vergleich ein, und dieser<br />

vergleichenden Perspektive ist die Fotoausstellung<br />

»Party, Pomp und Propaganda« vor<br />

der Marienkirche gewidmet.<br />

Bis ins Jahr 1937 hatte <strong>Berlin</strong> keine Tradition<br />

von Gründungsfeiern oder Stadtjubiläen. Die<br />

Idee wurde erstmals in den zwanziger Jahren diskutiert.<br />

Damals richteten viele deutsche Städte<br />

Ortsjubiläen aus, darunter 1929 Brandenburg an<br />

der Havel mit einer 1000-Jahr-Feier. 1928 lehnte<br />

<strong>Berlin</strong>s Oberbürgermeister Gustav Böß (Deutsche<br />

Demokratische Partei) die Idee einer 700-<br />

Jahr-Feier ab. Ein festes Gründungsdatum sei<br />

nicht überliefert und darüber hinaus fand Böß,<br />

dass »die gegenwärtigen Zeitverhältnisse für die<br />

Abhaltung prunkvoller Feste doch wohl nicht geeignet«<br />

seien, zudem kämen »politische Gründe<br />

für eine derartige Feier ebenfalls nicht in Frage«.<br />

Acht Jahre später stellte sich die Situation<br />

anders dar: Julius Lippert, seit 1933 Staatskommissar<br />

für <strong>Berlin</strong>, wurde 1937 Oberbürgermeister<br />

der Stadt und suchte Gründe für ein prunkvolles<br />

Fest, mit dem er sich und sein Amt inszenieren<br />

konnte. Er reaktivierte die Idee einer<br />

700-Jahr-Feier und legte den Zeitpunkt auf den<br />

Sommer 1937. Damit begründeten die <strong>Berlin</strong>er<br />

Nationalsozialisten eine bis heute währende<br />

Tradition.<br />

Die 700-Jahr-Feier war eine kommunale Veranstaltung,<br />

gerichtet an die örtliche Bevölkerung,<br />

die sogenannten Reichsgroßen interessierten<br />

sich nicht dafür und Joseph Goebbels,<br />

Gauleiter der <strong>Berlin</strong>er NSDAP, nahm nur an einem<br />

Tag am Jubiläum teil. In seinem Tagebuch<br />

hielt er fest, Lippert habe »gar kein Format für<br />

<strong>Berlin</strong>. Seine 700 Jahrfeier ist ein wahrer Witz«.<br />

Der Geburtstag war ein lokales Fest. Er sollte<br />

die Gemeinschaft und Heimatliebe der <strong>Berlin</strong>er<br />

festigen und die Stadt historisch in das »Dritte<br />

Reich« einordnen. Das Programm erstreckte<br />

sich über eine Augustwoche und bot neben dem<br />

Festzug auch ein Festspiel im Olympiastadion,<br />

eine Freiluftausstellung und einen Blumenkorso.<br />

Das alles wurde zwar mit viel nationalsozialistischem<br />

Pathos aufgeladen, bewegte sich zugleich<br />

aber innerhalb des damals für Stadtfeste<br />

üblichen Rahmens.<br />

Ein halbes Jahrhundert später war <strong>Berlin</strong> eine<br />

geteilte Stadt. Im Legitimationskampf konnte<br />

keine der beiden Stadthälften das Fest der anderen<br />

überlassen. So feierte <strong>Berlin</strong> doppelt, unter<br />

gegensätzlichen ideologischen Vorzeichen.<br />

Ost-<strong>Berlin</strong> beging den Geburtstag als Hauptstadt<br />

der DDR und konnte Ressourcen aus der<br />

gesamten Republik mobilisieren. Ein Staatsfest<br />

war die Folge, das ein ganzes Jahr dauerte und<br />

kommunale Grenzen weit überstieg. Vor dem<br />

Hintergrund der um sich greifenden Stagnation<br />

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M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2

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