Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin
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Bauhaus-Archiv | Ausstellungen<br />
zu kulturellen Ereignissen. Außerdem fertigte<br />
sie ausdrucksstarke Tuscheskizzen von Menschen<br />
in Moskaus Straßen an, die sie später teilweise<br />
zu Bildern mit Gruppen von Personen mit<br />
karikaturistisch dargestellten Gesichtern in ungewöhnlichen<br />
Ausschnitten ausarbeitete. Dabei,<br />
wie auch bei verschiedenen Häuserbildern<br />
und späteren Arbeiten, stellen Experimente mit<br />
Farben und deren Auftrag auf die Bildfläche ihre<br />
in der Wandmalerei erworbenen Kenntnisse unter<br />
Beweis. Daneben ließ Lou Scheper ihrer Fantasie<br />
freien Lauf beim Erfinden skurriler Lebewesen,<br />
Geister und Gespenster, die sie, mit<br />
sche Gefilde verweisen oder aber die Hoffnung<br />
auf eine bessere Welt wecken sollen. Damit lässt<br />
Lou Scheper Sehnsüchte der Romantik wieder<br />
aufleben, und es gelingt ihr, den Betrachter zu<br />
eigenen Interpretationen anzuregen.<br />
Viele dieser Arbeiten waren auf Ausstellungen<br />
der Nachkriegszeit zu sehen – vor allem in <strong>Berlin</strong>,<br />
wohin die Familie 1934 umgezogen war und wo<br />
Hinnerk Scheper unmittelbar nach Kriegsende<br />
zum Landeskonservator ernannt wurde.<br />
Lou Scheper konnte sich neben einer anspruchsvollen<br />
Haushaltsführung, der Betreuung<br />
ihrer drei Kinder und der Pflege eines wach-<br />
Lou Scheper in ihrer Wohnung,<br />
um 1925. Foto: Privatbesitz<br />
Lou Scheper, Normen-Menschen …<br />
männlichen Geschlechts, 1930.<br />
Gouache und Tuschfeder auf Briefpapier.<br />
20,9 × 29,5 cm. © Nachlass Scheper,<br />
<strong>Berlin</strong>. Foto: Bauhaus-Archiv <strong>Berlin</strong><br />
feiner Feder gezeichnet, zurückhaltend kolorierte<br />
– darunter ein »Zoo-lou-gischer Garten«<br />
sowie ein Vorschlag an die Natur, sich zu normieren<br />
und einen zusammenklappbaren, zweidimensionalen<br />
Menschentypen zu schaffen.<br />
Ihren Kindern schickte sie ähnlich gestaltete<br />
Blätter mit Figuren aus Zirkus und Jahrmarkt und<br />
Bezeichnungen, die Wortspielereien enthielten,<br />
die sie vermutlich noch nicht verstehen konnten.<br />
Sie zeichnete ihnen auch das Bilderbuch<br />
von Jan und Jon, die per Schiff eine Abenteuerreise<br />
antreten – ein Thema, das Lou Scheper<br />
1946/47 wieder aufgriff, variierte und zu einem<br />
Kinderbuch ausarbeitete. Es wurde – zusammen<br />
mit drei weiteren kleinen Bildgeschichten – 1948<br />
veröffentlicht. Mit ihren ideensprühenden, unsentimentalen<br />
und nur in begrenztem Umfang<br />
belehrenden Kinderbüchern schuf sie eine Gattung,<br />
in der Wort und Bild eine Einheit darstellen<br />
–ähnlich wie bei ihren »Bilderbögen«, die<br />
sie im selben Jahr unter dem Titel »Luftpost<br />
der Seligen« bei ihrer ersten Einzelausstellung<br />
in Rudolstadt zeigen konnte. Die humorvollen<br />
Unterschriften erläutern jeweils eine zugehörige<br />
Zeichnung, auf der himmlische und irdische<br />
Wesen der verschiedensten Epochen zusammentreffen,<br />
wodurch eine überraschende Konfusion<br />
entsteht. Als Mittler zwischen Dies- und<br />
Jenseits betrachtete sie »Vögel und sonstige<br />
Flügelwesen«, die sie überwiegend in minutiös<br />
gestrichelten, schwarz-weißen Federzeichnungen<br />
darstellte.<br />
Neben diesen Arbeiten malte sie seit den<br />
1950er-Jahren viele auf den ersten Blick naturalistisch<br />
wirkende Bilder. Da sieht man in diffuses<br />
Licht getauchte, verlassene Häuser in menschenleeren<br />
Straßen, die wie Kulissen wirken.<br />
Einsame Strände mit Architekturrelikten und<br />
Schiffswracks könnten das Ende der Welt darstellen,<br />
wären da nicht am Himmel zartfarbige,<br />
kristalline Gebilde, die entweder auf außerirdi-<br />
senden Freundeskreises bald auch an der Wiederbelebung<br />
des Ausstellungswesens in <strong>Berlin</strong><br />
beteiligen. Sie trat dem Berufsverband Bildender<br />
Künstler bei, wurde in dessen Vorstand tätig<br />
und betreute die in der Regel alljährlich stattfindende<br />
Große <strong>Berlin</strong>er und Juryfreie Kunstausstellung.<br />
Nach dem frühen Tod ihres Mannes<br />
im Jahr 1957 befasste sie sich wieder mit architektonischen<br />
Farbgestaltungen wie zum Beispiel<br />
in der <strong>Berlin</strong>er Philharmonie von Hans<br />
Scharoun und in der von Walter Gropius entworfenen<br />
Ganztagsschule mit Kindergarten in<br />
<strong>Berlin</strong>-Rudow. Ihre Farbgebung in der <strong>Berlin</strong>er<br />
Staatsbibliothek war noch nicht abgeschlossen,<br />
als sie im April 1976 überraschend starb.<br />
Renate Scheper<br />
Die Autorin ist Kuratorin der Ausstellung.<br />
Zur Ausstellung, in der eine Hörstation auch Beispiele<br />
ihrer Dichtkunst vermittelt, erscheint ein Katalogbuch<br />
mit 72 S., ca. 75 Abb. zum Preis von 15 €; außerdem liegen<br />
Reprints zweier Kinderbücher von Lou Scheper-<br />
Berkenkamp vor.<br />
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