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Ansichtsexemplar (KPB_MJ2014) - Kulturprojekte Berlin

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Panorama<br />

las berichtet, eine derartige Pflanze am 7. Juli 1772 in unmittelbarer Nähe<br />

zum Posolskischen Kloster am Südufer des Baikalsees in der heutigen<br />

Republik Burjatien im Föderationskreis Sibirien gefunden zu haben. Mitten<br />

in jenem sibirischen Sommer war »der Baikal mit einem dicken und<br />

kalten Nebel bedeckt, dergleichen man nur in hohen Gebürgen, an welche<br />

sich die Wolken ziehn, oder in Seeländen zur Herbst- oder Winterszeit sieht«.<br />

Pallas hatte den Wettlauf bei der Vergabe des wissenschaftlichen Namens<br />

für eine Pflanze gewonnen, die heute in den gemäßigten Zonen<br />

weltweit kultiviert wird und wegen ihrer milchweißen bis zartrosafarbigen<br />

Blütenblätter viele Millionen Gartenliebhaber erfreut – nicht nur in der<br />

Abb. 2: Paeonia lactiflora. Botanischer Garten <strong>Berlin</strong>-Dahlem,<br />

Pflanzengeographische Abteilung. Foto C. Hillmann-Huber, BGBM<br />

pflanzengeografischen Abteilung des Botanischen Gartens <strong>Berlin</strong>-Dahlem<br />

(Abb. 2), sondern auch in zahllosen Privatgärten.<br />

Dabei hatten Pallas und seine Vorgänger Glück gehabt, denn ihnen war<br />

am äußersten nordwestlichen Rand des Verbreitungsgebiets ein Fund von<br />

Paeonia lactiflora gelungen, einer Art, die durch ungleich mehr Fundortspunkte<br />

aus dem östlichen Sibirien, der Mongolei, China und Korea dokumentiert<br />

ist und die deshalb in Nachschlagewerken zurecht meist Chinesische<br />

Pfingstrose genannt wird.<br />

Pallas verdanken wir auch die erste gedruckte Abbildung dieser Pflanzenart:<br />

Sie erschien als kolorierter Kupferstich im Jahre 1788 in St. Petersburg,<br />

allerdings unter dem nicht korrekten, aber ebenfalls zutreffenden<br />

Namen Paeonia albiflora (weißblühende Pfingstrose). Veröffentlicht wurde<br />

die Tafel im ersten Band der großformatigen »Flora Rossica«, die Pallas<br />

wiederum Katharina II. dediziert hat. Das Widmungsblatt des berühmten,<br />

wenn auch Torso gebliebenen Werks kann man derzeit in der Ausstellung<br />

»Floras Schätze. Die Erfassung der grünen Welt« im Botanischen Museum<br />

bewundern (mj 2/2012).<br />

Wer die Chinesische Pfingstrose erstmals in Kultur genommen hat,<br />

wissen wir nicht, sehr wohl aber, wo es geschah: im kaiserlichen botanischen<br />

Garten auf der Apotheker-Insel in St. Petersburg. Und es war ebenfalls<br />

Pallas, der in seiner »Flora Rossica« erstmals darüber berichtete und<br />

einige transbaikalische Fundorte angab. Für einen kultivierten, mehrsprachigen<br />

Mann war es selbstverständlich, dabei nicht nur den russischen,<br />

sondern auch den mongolischen Namen für die Chinesische Pfingstrose<br />

zu nennen.<br />

Wichtiger noch war aber, dass Pallas spätestens im Jahre 1784 lebendes<br />

Material der spektakulären Pfingstrose verschickte und damit den Anfang<br />

der weltweiten Verbreitung dieser Pflanze machte. Nur ein Empfänger<br />

scheint dokumentiert zu sein – der Königliche Garten von Kew bei London.<br />

Noch im Jahre 1799 schreibt Carl Ludwig Willdenow (mj 3/2012), damals<br />

Direktor des Königlichen Botanischen Gartens in Schöneberg bei<br />

<strong>Berlin</strong>, er hätte nur getrocknetes Material der Chinesischen Pfingstrose<br />

gesehen.<br />

Nicht mehr erleben konnte Pallas den Erfolg der gefüllten Formen. Sie<br />

stammten allerdings aus China, wo Paeonia lactiflora unter dem Namen<br />

Shao-yao seit mindestens einem Jahrtausend kultiviert und verschiedene<br />

Sorten selektiert worden waren. John Livingstone, Chirurg bei der East Indian<br />

Company, soll erstmals im Jahre 1808 eine gefüllte Form aus China<br />

nach England geschickt haben, von wo sie über die Gärtnerei Whitley &<br />

Brames rasch weite Verbreitung fand und bereits zwei Jahre später als<br />

»Tartarian Paeony, double flowered variety« beschrieben und erstmals<br />

abgebildet wurde. Damit begann der Triumphzug der gefüllten Formen<br />

der Chinesischen Pfingstrose, die heute so allgegenwärtig sind, dass niemand<br />

mehr an den Baikalsee und den unermüdlichen Russlandreisenden<br />

Peter Simon Pallas denkt.<br />

H. Walter Lack ist Direktor am Botanischen Garten und Botanischen Museum <strong>Berlin</strong>-<br />

Dahlem und Professor an der Freien Universität <strong>Berlin</strong>.<br />

Literatur<br />

Ray Desmond, Dictionary of British & Irish Botanists and Horticulturalists,<br />

London, 1994.<br />

De-Yuan Hong, Peonies of the World, Kew, 2010.<br />

Joseph Needham, Science and Civilisation in China 6 (1), Cambridge, 1986.<br />

M U S E U M S J O U R N A L 4 / 2 0 1 2 | 1 5

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