das Argument entwickeln konnte, das beweist, dass Gott existiert. Diese Intention hatDescartes nicht. Für ihn hat <strong>der</strong> Gottesbeweis (o<strong>der</strong> <strong>die</strong> beiden Gottesbeweise, <strong>die</strong> wir <strong>in</strong>den Meditationen f<strong>in</strong>den) e<strong>in</strong>e bestimmte Funktion. In e<strong>in</strong>er gewissen H<strong>in</strong>sicht ist <strong>der</strong>Gottesbeweis bei Descartes sogar noch wichtiger als bei Anselm. Doch genau das, dassim Bereich des Denkens Gott e<strong>in</strong>e bestimmte rationale Funktion hat, zeigt schon, <strong>in</strong>wiefernsich Descartes auch vom Mittelalter entfernt. Gott - wie auch immer <strong>in</strong>teressant - erfüllte<strong>in</strong>e vernünftige Rolle - natürlich glaubt auch <strong>der</strong> Privatmann Descartes an Gott - aber<strong>die</strong>ser Glaube spielt ke<strong>in</strong>e philosophische Rolle mehr.Neben Gott werden dann noch genannt <strong>die</strong> anima humanae und das corpus mitsamt e<strong>in</strong>erdist<strong>in</strong>ctio, <strong>die</strong> menschliche Seele und <strong>der</strong> Körper <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Unterschied von <strong>der</strong> Seele.Dieser Unterschied ist dem Denken freilich schon seit Platon bekannt. Wer da genauereswissen will, muss den „Phaidon“ lesen. Seele und Körper bilden <strong>die</strong> beiden Bestandteile,aus denen <strong>der</strong> Mensch besteht. Die Seele ist dabei natürlich e<strong>in</strong> denkende Seele, <strong>die</strong>mens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> animus, gehören zur Seele. Davon unterschieden - und zwar <strong>in</strong> radikalerWeise - wird <strong>der</strong> Körper. Das schon deshalb, weil <strong>die</strong> Seele unsterblich ist. Descartes willnun zwar <strong>in</strong> den Meditationen ke<strong>in</strong>eswegs <strong>die</strong> Unsterblichkeit <strong>der</strong> Seele beweisen, doch ermöchte sozusagen <strong>die</strong> Vorarbeit dazu leisten. Er geht demnach von ihr aus. Dass imUnterschied zur Seele <strong>der</strong> Körper verfällt und stirbt, ist deutlich. Es muss daher e<strong>in</strong>edist<strong>in</strong>ctio geben. Diese wird <strong>in</strong> den Meditationen demonstriert.Wovon Descartes hier spricht, was er hier nennt, bezeichnet er an<strong>der</strong>swo als <strong>die</strong> dreiSubstanzen, von denen <strong>die</strong> erste <strong>Philosophie</strong> ausgehen muss. Der Begriff <strong>der</strong> substantiaist e<strong>in</strong> altehrwürdiger <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> überhaupt. Er geht zurück auf das griechische Wortοὐσία, was es schon bei Platon, aber erst Recht bei Aristoteles gibt. Eigentlich besagt <strong>die</strong>substantia, was etwas eigentlich ist, was je<strong>der</strong> Bestimmung, <strong>die</strong> man e<strong>in</strong>em Seiendengeben kann, zugrundeliegt. An <strong>der</strong> Kuh ist <strong>die</strong> Substanz, was „kuhig“ ist, was e<strong>in</strong>e Kuh zurKuh macht. Sagen wir e<strong>in</strong>mal: ihre spezifische Form (d.h. auch ihr Stoff) und dass sie lebt.Das <strong>die</strong> Kuh schwarz- o<strong>der</strong> braunweiß o<strong>der</strong> me<strong>in</strong>etwegen p<strong>in</strong>k ist, gehört nicht zurSubstanz, das kommt sozusagen h<strong>in</strong>zu, ist akzidentiell. Soweit <strong>die</strong> Herkunft des Begriffes.Bei Descartes ist das nun aber noch e<strong>in</strong> wenig an<strong>der</strong>s als bei Aristoteles. Für <strong>die</strong>sennämlich ist jedes Seiende e<strong>in</strong>e ousía. Bei Descartes zieht sich alles Seiende auf <strong>die</strong> dreigenannten Substanzen zusammen. E<strong>in</strong>e davon wird als unendliche Substanz bezeichnet:Gott. Die an<strong>der</strong>en beiden s<strong>in</strong>d endliche Substanzen: <strong>die</strong> res cogitans (das Denken) und<strong>die</strong> res extensa (<strong>der</strong> Körper, <strong>die</strong> Ausdehnung). Alles Seiende ist demnach entwe<strong>der</strong> Gott,Denken und/o<strong>der</strong> Körper. E<strong>in</strong> Tisch z.B. ist ausgedehnt, denkt aber nicht.Bleibt noch das letzte Wort: Meditationen. Dieses Wort ist schlecht zu übersetzen. Esstammt vom Verb meditari, nachdenken, nachs<strong>in</strong>nen, sich vielleicht bes<strong>in</strong>nen. Wir kennen<strong>die</strong> Meditation eher als e<strong>in</strong>e spirituelle Übung, e<strong>in</strong>e Selbstversenkung. Doch das me<strong>in</strong>t10
Descartes natürlich nicht so. Bei ihm geht es um das Denken als Grund <strong>der</strong> ersten<strong>Philosophie</strong>, <strong>der</strong> Metaphysik. Alle<strong>in</strong> im Denken sollen <strong>die</strong> ersten Gegenstände <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> entfaltet und d.h. demonstriert werden. Das Denken ist das A und O <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong>. Man könnte me<strong>in</strong>en: das sei banal. Doch ke<strong>in</strong>eswegs: denn bereits im Titelwird gesagt, wo das eigentliche Fundament <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> zu suchen ist. Nicht <strong>in</strong> Gott,son<strong>der</strong>n im Denken (auch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erfahrung). Von ihm geht <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> aus undzu ihm kommt sie zurück. Das ist e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf den Epochenwandel vom Mittelalter zur<strong>Neuzeit</strong>. Die <strong>Philosophie</strong> ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> Denken.Was das besagen soll, erfahren wir dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Woche.11
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demnach in der Materie das Denken,
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa