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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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Damit ist geme<strong>in</strong>t, dass wir uns notwendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unendlichen Menge von Ursachen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er unendlichen Ursachenkette bef<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> wir unmöglich kennen können. Ich b<strong>in</strong> dasGlied e<strong>in</strong>er solchen unendlichen Kette von Ursachen und Wirkungen, <strong>die</strong> mir unerkennbarbleibt, weil ich nur über e<strong>in</strong>en endlichen Verstand verfüge. Dabei aber eignet mir e<strong>in</strong>gewisser conatus. In <strong>der</strong> Propositio 6 des dritten Teils <strong>der</strong> Ethik heißt es schlicht: „JedesD<strong>in</strong>g strebt, soviel an ihm liegt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> zu verharren.“ „<strong>in</strong> suo esse perseverareconatur“. Das heißt, dass wir Menschen, wie er im Anhang zum ersten Teil sagt, unserenNutzen suchen. Wir streben danach, <strong>in</strong> unserem Se<strong>in</strong> zu verharren, wir möchten unsselbst erhalten (was Hobbes ja so betont), und wir wissen, dass wir das tun. Wir strebenalso nicht nur nach unserem Nutzen, son<strong>der</strong>n wir s<strong>in</strong>d uns dessen bewusst.Daraus entsteht das Problem, dass wir uns über uns selbst täuschen. Denn eben weil wire<strong>in</strong> Wissen davon haben, dass wir unserem Nutzen h<strong>in</strong>terherlaufen, me<strong>in</strong>en wir, das tätenwir aus freien Stücken, das wäre e<strong>in</strong> Beweis unserer Freiheit. Dabei wissen wir bloß nichtund können es auch nicht wissen, dass jede Handlung <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Streben Teil e<strong>in</strong>erunendlichen Determ<strong>in</strong>ation ist. Wir s<strong>in</strong>d demnach ke<strong>in</strong>eswegs frei o<strong>der</strong> - so könnte mansagen - wir me<strong>in</strong>en frei zu se<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d es aber nicht, d.h. unsere „Freiheit“ bestünde <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Nichtwissen unserer Determ<strong>in</strong>ation. Sp<strong>in</strong>oza hat dafür e<strong>in</strong> schönes Beispiel. Ine<strong>in</strong>em Brief schreibt er:„E<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> empfängt durch e<strong>in</strong>e äußere Ursache, <strong>die</strong> ihn stößt, e<strong>in</strong> gewisses Quantum vonBewegung, durch welches er dann, auch wenn <strong>der</strong> Anstoß <strong>der</strong> äußeren Ursache aufhört,notwendig fortfährt sich zu bewegen. [...] Denken Sie nun, bitte, <strong>der</strong> Ste<strong>in</strong> denke, <strong>in</strong>dem erfortfährt, sich zu bewegen, und er wisse, daß er nach Möglichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung zuverharren strebt. Dieser Ste<strong>in</strong> wird sicherlich, da er sich doch nur se<strong>in</strong>es Strebens bewußtund durchaus nicht <strong>in</strong>different ist, <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>, er sei vollkommen frei [vollkommenvrij] und verharre nur darum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bewegung, weil er es so wolle. Und das ist jenemenschliche Freiheit, auf <strong>der</strong>en Besitz alle so stolz s<strong>in</strong>d und <strong>die</strong> doch nur dar<strong>in</strong> besteht,daß <strong>die</strong> Menschen sich ihres Begehrens bewußt s<strong>in</strong>d, aber <strong>die</strong> Ursachen, von denen siebestimmt werden, nicht kennen“ (Brief an Schuller).Der Ste<strong>in</strong> ist von se<strong>in</strong>em conatus (Jedes D<strong>in</strong>g strebt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> zu verharren.) dazuangehalten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bewegung, <strong>die</strong> er von außen erhalten hat, zu verharren. Er weiß,dass er sich weiter bewegen will und er me<strong>in</strong>t, er werde sich nur darum weiter bewegen,weil er es will. Doch <strong>in</strong> Wahrheit hat er irgende<strong>in</strong>en Anstoß zu se<strong>in</strong>er Bewegung erhalten,ja er bewegt sich e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>em Abhang h<strong>in</strong>unter <strong>der</strong> Gravitation gemäß, von dem er abernichts mehr weiß. Nach Sp<strong>in</strong>oza ist <strong>der</strong> Mensch e<strong>in</strong> absolut determ<strong>in</strong>iertes Wesen. Ja wirmüssen darüber h<strong>in</strong>aus sagen: er ist e<strong>in</strong> absolut determ<strong>in</strong>iertes Wesen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er absolutdeterm<strong>in</strong>ierten Natur. Das sagt das Beispiel: <strong>der</strong> Mensch bewegt sich nicht an<strong>der</strong>s als61

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