geben, müsste <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln nur durch sich selbst bestimmt werden - das nennen wire<strong>in</strong>en „absoluten“ Willen, denn absolut ist das, was abgelöst von allem an<strong>der</strong>en alles <strong>in</strong>sich selbst enthält. Nur das Absolute - können wir sagen - ist frei, denn es gibt nichts mehr,von dem es abhängig se<strong>in</strong> könnte. Alles an<strong>der</strong>e ist relativ, d.h. es steht <strong>in</strong> Beziehungen mitAn<strong>der</strong>em. Absolut ist aber nach Sp<strong>in</strong>oza, wie gesagt, nur Gott/Substanz/Natur. Es gibtalso ke<strong>in</strong>en freien Willen, weil <strong>die</strong>ser von Ursachen bzw. von Ketten von Ursachenbestimmt ist, <strong>die</strong> aber nicht irgendwo enden, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong>s Unendliche gehen. Warum? Weilwir <strong>in</strong> <strong>der</strong> achten Def<strong>in</strong>ition des ersten Teils ja hörten, dass <strong>die</strong> Existenz <strong>der</strong> Substanz ewigist.Mit an<strong>der</strong>en Worten: wie ich jetzt handele, war seit Ewigkeit determ<strong>in</strong>iert, denn me<strong>in</strong>eHandlung ist Teil e<strong>in</strong>er Ursachenkette, <strong>die</strong> <strong>in</strong>s Unendliche zurück- und vorangeht. Wennalles e<strong>in</strong>e Ursache hat, alles im Verhältnis von Ursache und Wirkung steht, dann ist me<strong>in</strong>eHandlung seit Ewigkeiten determ<strong>in</strong>iert. Das sche<strong>in</strong>t nun aber doch e<strong>in</strong>e bloße Behauptungzu se<strong>in</strong>. Denn es gibt doch <strong>in</strong> unserer Praxis klare H<strong>in</strong>weise darauf, dass Sp<strong>in</strong>oza falschliegt. Diesem Sche<strong>in</strong> widmet sich Sp<strong>in</strong>oza im Anhang des ersten Teils <strong>der</strong> Ethik. Er sprichtda von praejudicia, von Vorurteilen. Die Menschen würden Vorurteile haben ihre Freiheitbetreffend. E<strong>in</strong>es <strong>die</strong>ser Vorurteile geht so vor. Es gibt doch Urteile wie gut und schlecht,Ver<strong>die</strong>nst und Sünde, Lob und Tadel, Ordnung und Verwirrung und Schönheit undHässlichkeit. Unsere Praxis richtet sich doch ganz deutlich nach <strong>die</strong>sen Urteilen. So wollenwir gelobt und nicht getadelt werden, weshalb wir gut handeln und nicht schlecht. Wiebevorzugen das Schöne vor dem Hässlichen und <strong>die</strong> Ordnung vor <strong>der</strong> Verwirrung. Dass<strong>in</strong>d doch offenbar Zwecke, <strong>die</strong> wir verfolgen und <strong>die</strong> nur deshalb s<strong>in</strong>nvoll verfolgt werdenkönnen, weil wir auch das Gegenteil verfolgen könnten. Denn ich kann nur loben, wennich auch tadeln könnte. Das setzt also e<strong>in</strong>e gewisse Entscheidungsfreiheit, e<strong>in</strong>en freienWillen, voraus.Sp<strong>in</strong>oza denkt das aber an<strong>der</strong>s. Er schreibt <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Anhang Folgendes: „Es wirdgenügen, das, was je<strong>der</strong>mann anerkennen muss (was also vernünftig ist), zur Grundlagezu nehmen: nämlich daß alle Menschen, ohne Kenntnis <strong>der</strong> Ursachen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge, zur Weltkommen und daß alle den Trieb haben, ihren Nutzen zu suchen, und sich dessen wohlbewußt s<strong>in</strong>d (conscii). Denn daraus folgt erstens, daß <strong>die</strong> Menschen sich für frei halten, dasie sich ihres Wollens und ihres Triebes bewußt s<strong>in</strong>d, während sie nicht im Traum an <strong>die</strong>Ursachen denken, von denen sie zum Begehren und Wollen veranlaßt werden, eben weilsie <strong>die</strong>se nicht kennen.“ Es folgt noch etwas zweites, doch dazu später.Das Argument, das Sp<strong>in</strong>oza hier formuliert, ist e<strong>in</strong>es, das bis zu Kant wichtig und bleibtund von Kant auch anerkannt wird. Alle Menschen - als Gegenstände <strong>der</strong> Naturbetrachtet, und was sollten Menschen als denkend-ausgedehnte Wesen sonst se<strong>in</strong>? -kommen zur Welt, ohne dass sie <strong>die</strong> Ursachen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge kennen. Was ist damit geme<strong>in</strong>t?60
Damit ist geme<strong>in</strong>t, dass wir uns notwendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unendlichen Menge von Ursachen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er unendlichen Ursachenkette bef<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> wir unmöglich kennen können. Ich b<strong>in</strong> dasGlied e<strong>in</strong>er solchen unendlichen Kette von Ursachen und Wirkungen, <strong>die</strong> mir unerkennbarbleibt, weil ich nur über e<strong>in</strong>en endlichen Verstand verfüge. Dabei aber eignet mir e<strong>in</strong>gewisser conatus. In <strong>der</strong> Propositio 6 des dritten Teils <strong>der</strong> Ethik heißt es schlicht: „JedesD<strong>in</strong>g strebt, soviel an ihm liegt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> zu verharren.“ „<strong>in</strong> suo esse perseverareconatur“. Das heißt, dass wir Menschen, wie er im Anhang zum ersten Teil sagt, unserenNutzen suchen. Wir streben danach, <strong>in</strong> unserem Se<strong>in</strong> zu verharren, wir möchten unsselbst erhalten (was Hobbes ja so betont), und wir wissen, dass wir das tun. Wir strebenalso nicht nur nach unserem Nutzen, son<strong>der</strong>n wir s<strong>in</strong>d uns dessen bewusst.Daraus entsteht das Problem, dass wir uns über uns selbst täuschen. Denn eben weil wire<strong>in</strong> Wissen davon haben, dass wir unserem Nutzen h<strong>in</strong>terherlaufen, me<strong>in</strong>en wir, das tätenwir aus freien Stücken, das wäre e<strong>in</strong> Beweis unserer Freiheit. Dabei wissen wir bloß nichtund können es auch nicht wissen, dass jede Handlung <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Streben Teil e<strong>in</strong>erunendlichen Determ<strong>in</strong>ation ist. Wir s<strong>in</strong>d demnach ke<strong>in</strong>eswegs frei o<strong>der</strong> - so könnte mansagen - wir me<strong>in</strong>en frei zu se<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d es aber nicht, d.h. unsere „Freiheit“ bestünde <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Nichtwissen unserer Determ<strong>in</strong>ation. Sp<strong>in</strong>oza hat dafür e<strong>in</strong> schönes Beispiel. Ine<strong>in</strong>em Brief schreibt er:„E<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> empfängt durch e<strong>in</strong>e äußere Ursache, <strong>die</strong> ihn stößt, e<strong>in</strong> gewisses Quantum vonBewegung, durch welches er dann, auch wenn <strong>der</strong> Anstoß <strong>der</strong> äußeren Ursache aufhört,notwendig fortfährt sich zu bewegen. [...] Denken Sie nun, bitte, <strong>der</strong> Ste<strong>in</strong> denke, <strong>in</strong>dem erfortfährt, sich zu bewegen, und er wisse, daß er nach Möglichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung zuverharren strebt. Dieser Ste<strong>in</strong> wird sicherlich, da er sich doch nur se<strong>in</strong>es Strebens bewußtund durchaus nicht <strong>in</strong>different ist, <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>, er sei vollkommen frei [vollkommenvrij] und verharre nur darum <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bewegung, weil er es so wolle. Und das ist jenemenschliche Freiheit, auf <strong>der</strong>en Besitz alle so stolz s<strong>in</strong>d und <strong>die</strong> doch nur dar<strong>in</strong> besteht,daß <strong>die</strong> Menschen sich ihres Begehrens bewußt s<strong>in</strong>d, aber <strong>die</strong> Ursachen, von denen siebestimmt werden, nicht kennen“ (Brief an Schuller).Der Ste<strong>in</strong> ist von se<strong>in</strong>em conatus (Jedes D<strong>in</strong>g strebt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> zu verharren.) dazuangehalten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bewegung, <strong>die</strong> er von außen erhalten hat, zu verharren. Er weiß,dass er sich weiter bewegen will und er me<strong>in</strong>t, er werde sich nur darum weiter bewegen,weil er es will. Doch <strong>in</strong> Wahrheit hat er irgende<strong>in</strong>en Anstoß zu se<strong>in</strong>er Bewegung erhalten,ja er bewegt sich e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>em Abhang h<strong>in</strong>unter <strong>der</strong> Gravitation gemäß, von dem er abernichts mehr weiß. Nach Sp<strong>in</strong>oza ist <strong>der</strong> Mensch e<strong>in</strong> absolut determ<strong>in</strong>iertes Wesen. Ja wirmüssen darüber h<strong>in</strong>aus sagen: er ist e<strong>in</strong> absolut determ<strong>in</strong>iertes Wesen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er absolutdeterm<strong>in</strong>ierten Natur. Das sagt das Beispiel: <strong>der</strong> Mensch bewegt sich nicht an<strong>der</strong>s als61
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Eine Sicht, die ich persönlich fav
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auf die Staatsform als solche, auf
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