Das ist natürlich meilenweit von <strong>der</strong> sozusagen „spekulativen“ Atmosphäre desTraumarguments im Zweifelgang entfernt. Übrigens sagt Hobbes dann auch sogleich,dass Träume aus <strong>der</strong> Störung e<strong>in</strong>iger <strong>in</strong>nerer Körperteile verursacht werden - Sie sehen,er ist daran <strong>in</strong>teressiert, <strong>die</strong> materielle Herkunft - d.h. <strong>die</strong> wirkende Ursache - des Traumeszu bezeichnen.)Hobbes, so könnte man <strong>in</strong> Bezug auf Hegel sagen, ist Empirist, weil er Materialist ist. Esgibt nichts an<strong>der</strong>es als Materie, als e<strong>in</strong>e mechanische Natur. Daher muss Erkenntnisnotwendig empirisch se<strong>in</strong>, d.h. auf Erfahrung (o<strong>der</strong> Empf<strong>in</strong>dung) beruhen. Ich lasse dasaber jetzt auf sich beruhen, da das für e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> ohneh<strong>in</strong> schon zu weit geht. Ichwollte Ihnen nur zeigen, dass Hobbes ke<strong>in</strong>eswegs bei e<strong>in</strong>em cogito ergo sum anfangenmuss, selbst wenn er Zeitgenosse von Descartes ist. (E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wand von Hobbes gegenDescartes‘ Meditationen ist z.B.: „<strong>die</strong> res cogitans muss etwas Körperliches se<strong>in</strong>, denn,wie es sche<strong>in</strong>t, s<strong>in</strong>d alle Subjekte von Tätigkeiten als etwas Körperliches, Materiellesaufzufassen“. Sie sehen - so denkt e<strong>in</strong> Materialist.)Nun aber zu den zentralen Gedanken des Leviathan, wenn wir ihn vor allem als e<strong>in</strong>epolitische Schrift lesen. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wichtigen Gedanken für <strong>die</strong> politische <strong>Philosophie</strong> ist <strong>der</strong>,dass das Geme<strong>in</strong>wesen, <strong>der</strong> Staat, <strong>der</strong> Leviathan durch e<strong>in</strong>en Vertrag zustande kommt.Man spricht von e<strong>in</strong>er Tradition <strong>der</strong> Vertragstheorie o<strong>der</strong> des Kontraktualismus. DieseTheorie beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Staat noch nicht gegeben ist. Es gibt e<strong>in</strong>enNaturzustand (natural condition) des Menschen. Dieser Naturzustand ist e<strong>in</strong> solcher e<strong>in</strong>erersten Gleichheit des Menschen, e<strong>in</strong>er Gleichheit von Natur. Die besteht zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erGleichheit <strong>der</strong> Fähigkeiten, körperlicher und <strong>in</strong>tellektueller Fähigkeiten. Die erste zeigt sichdar<strong>in</strong>, dass auch <strong>der</strong> körperlich Schwächere den Stärkeren töten kann - so wenn er sichmit an<strong>der</strong>en verbündet o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en geheimen Anschlag plant. Die zweite zeigt sich dar<strong>in</strong>,dass je<strong>der</strong> me<strong>in</strong>t, es gäbe im Grunde ke<strong>in</strong>en Weiseren als man selbst es sei. Je<strong>der</strong>sche<strong>in</strong>t mit se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tellektuellen Ausstattung zufrieden zu se<strong>in</strong>, das ist e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf<strong>die</strong>se Gleichheit.Aus <strong>die</strong>ser (körperlichen und <strong>in</strong>tellektuellen) Gleichheit <strong>der</strong> Fähigkeiten erwächst nun auch<strong>die</strong> Hoffnung, unsere Ziele zu erreichen. Diese Hoffnung wird enttäuscht, wenn aber zweiMenschen es auf e<strong>in</strong>e Sache abgesehen haben, <strong>die</strong> es nur e<strong>in</strong>mal gibt. Diese Sache, aufwelche es Menschen abgesehen haben, <strong>die</strong>nen hauptsächlich <strong>der</strong> Selbsterhaltung,zuweilen aber auch dem Vergnügen, sagt Hobbes. Wenn aber nun zwei Menschenversuchen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Sache <strong>in</strong> ihren Besitz zu br<strong>in</strong>gen, müssen sie versuchen, den an<strong>der</strong>enzu vernichten o<strong>der</strong> zu unterwerfen (denn man braucht ja <strong>die</strong>se e<strong>in</strong>e Sache, kann ohne sienicht se<strong>in</strong>). H<strong>in</strong>zu kommt: es gibt ke<strong>in</strong> Recht, dass <strong>die</strong> Sache regeln könnte. Es gibt nochke<strong>in</strong> Privateigentum im rechtlichen S<strong>in</strong>ne (das gibt es erst im Staat). O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gesagt:je<strong>der</strong> hat e<strong>in</strong> Recht auf Alles.42
Aus <strong>die</strong>ser Situation entsteht e<strong>in</strong>e ständige Unsicherheit, e<strong>in</strong>e Situation des Menschen, <strong>in</strong><strong>der</strong> er ke<strong>in</strong> Vergnügen f<strong>in</strong>den kann. Ständig muss er um se<strong>in</strong> Leben fürchten, <strong>in</strong>dem fürse<strong>in</strong>e Selbsterhaltung zu sorgen hat. Ständig muss er dabei den An<strong>der</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong> Querekommen, sowie <strong>die</strong> An<strong>der</strong>en ihm <strong>in</strong> <strong>die</strong> Quere kommen. Das ist e<strong>in</strong> Zustand, den Hobbesauf englisch „war of every man aga<strong>in</strong>st every man“, den Krieg e<strong>in</strong>es jeden gegen jedennennt. Dazu gehört nun ke<strong>in</strong>eswegs <strong>die</strong> eigentliche Schlacht, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Zeitraum, <strong>in</strong>dem <strong>der</strong> Wille zum Kampf h<strong>in</strong>reichend bekannt ist, d.h. <strong>in</strong> welchem ich weiß, dass ich denAn<strong>der</strong>en töten muss, sowie er mich töten muss. Daraus entsteht für den Menschen e<strong>in</strong>eständige Furcht vor dem gewaltsamen Tod und, so Hobbes, „das Leben des Mensch iste<strong>in</strong>sam, armselig, wi<strong>der</strong>wärtig, vertiert und kurz“.Hobbes setzt h<strong>in</strong>zu: vielleicht kl<strong>in</strong>gt das etwas hart, was ich hier sage. All das ersche<strong>in</strong>t alse<strong>in</strong>e bloße Behauptung. Aber es gibt doch e<strong>in</strong>e Erfahrung, <strong>die</strong> zeigt, dass Hobbes Rechthat. Wenn wir e<strong>in</strong>e Reise machen, bewaffnen wir uns o<strong>der</strong> suchen uns e<strong>in</strong>e guteBegleitung; wenn wir schlafen gehen, verschließen wir <strong>die</strong> Türen; <strong>in</strong> unserem Hausverschließen wir <strong>die</strong> Schränke. Vielleicht bewaffnen wir uns nicht mehr, wenn wirverreisen. Aber - wir <strong>in</strong>formieren uns doch, ob das Gebiet, <strong>in</strong> das wir uns begeben, sicherist. Dass wir unsere Wohnungen und Häuser abschließen, stimmt allerd<strong>in</strong>gs ohneh<strong>in</strong>.Man hat gesagt, dass <strong>die</strong>se Idee von e<strong>in</strong>em Naturzustand mit Hobbes Erfahrung desenglischen Bürgerkriegs zusammenhänge. In <strong>der</strong> Tat sagt er, dass man im Bürgerkriegsehen könne, was passiert, wenn es ke<strong>in</strong>e öffentliche Gewalt mehr gebe, <strong>die</strong> für <strong>die</strong>E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung e<strong>in</strong>trete. Es ist auch <strong>die</strong>se Äußerung, <strong>die</strong> zeigt, dassHobbes möglicherweise <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen zum Naturzustand nicht e<strong>in</strong>fach nur e<strong>in</strong>e„Konstruktion“ im Blick hatte. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Beispiel s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> „wilden Völker <strong>in</strong> vielen TeilenAmerikas“. Wenn auch <strong>der</strong> Naturzustand nicht „allgeme<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> ganzen Welt“ geherrschthat, so eben doch vielleicht <strong>in</strong> bestimmten Teilen o<strong>der</strong> Perioden. Ich sage das deshalb,weil <strong>in</strong> den meisten Interpretationen von Hobbes e<strong>in</strong>fach mitgeteilt wird, <strong>der</strong> Kriegszustandsei eben e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Fiktion, e<strong>in</strong>e Konstruktion: so als würde man sofort sagen wollen,ne<strong>in</strong>, so schlimm, wie Hobbes das schil<strong>der</strong>t, ist <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> Wirklichkeit doch nicht. Werdas aber denkt, <strong>der</strong> versteht Hobbes nicht. Von Natur aus ist <strong>der</strong> Mensch genauso.Diese ständige Furcht vor e<strong>in</strong>em gewaltsamen Tod bei gleichzeitigem Verlangen nachD<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> das Leben angenehm machen, führen dazu, dass <strong>der</strong> Mensch siche<strong>in</strong>verstanden erklärt, e<strong>in</strong>en Vertrag abzuschließen. Hier nun kommt <strong>die</strong> rechnendeVernunft <strong>in</strong>s Spiel. Sie legt, so Hobbes, geeignete Friedensartikel nahe, auf <strong>der</strong>enGrundlage dann <strong>der</strong> Vertrag geschlossen werden könne. Hier ist zu sagen, dass <strong>der</strong>Schritt zum Vertragsschluss, zum Friedensschluss, ke<strong>in</strong>er emphatischen Zusageentspricht, son<strong>der</strong>n dass genau das geschieht, was <strong>die</strong> rechnende Vernunft antreibt: <strong>der</strong>43
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demnach in der Materie das Denken,
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den dogmatischen Schlummer unterbra
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa