10.07.2015 Aufrufe

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sechste VorlesungHegel schreibt über Sp<strong>in</strong>oza: „Wenn man anfängt zu philosophieren, so muß man zuerstSp<strong>in</strong>ozist se<strong>in</strong>. Die Seele muß sich baden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Äther <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Substanz, <strong>in</strong> <strong>der</strong>alles, was man für wahr gehalten hat, untergegangen ist. Es ist <strong>die</strong>se Negation allesBeson<strong>der</strong>en, zu <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Philosoph gekommen se<strong>in</strong> muß: es ist <strong>die</strong> Befreiung des Geistesund se<strong>in</strong>e absolute Grundlage.“ Diese schönen Worte über Sp<strong>in</strong>oza kann man immerwie<strong>der</strong> lesen und hören. Doch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> geht es um mehr als nur um schöneWorte. Man muss Hegels Worte auch verstehen. Was heißt es, dass es hier um „e<strong>in</strong>eSubstanz“ geht? Und was heißt es, dass dar<strong>in</strong> „alles, was man für wahr gehalten hat,untergegangen“ se<strong>in</strong> soll? Was me<strong>in</strong>t „Negation alles Beson<strong>der</strong>en“? Und was bedeutet„Befreiung des Geistes“ und „absolute Grundlage“? Vielleicht werde ich nicht all <strong>die</strong>seFragen beantworten, aber wir sollten und müssen noch genauer <strong>in</strong> Sp<strong>in</strong>ozas Denkene<strong>in</strong>tauchen, um se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zigartigkeit zu verstehen.Damit habe ich letzte Woche schon begonnen. Ich habe mich auf <strong>die</strong> acht Def<strong>in</strong>itionen desersten Teils mit <strong>der</strong> Überschrift De Deo <strong>der</strong> „Ethica ord<strong>in</strong>e geometrico demonstrata“bezogen und dabei schon gezeigt, <strong>in</strong>wiefern Sp<strong>in</strong>oza e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en traditionellenGottesbegriff übernimmt, um ihn an<strong>der</strong>erseits für se<strong>in</strong>e Zeitgenossen nachgerade auferschreckenden Art und Weise zu verän<strong>der</strong>n. Dabei geht es zunächst um so sche<strong>in</strong>barharmlose Def<strong>in</strong>itionen wie <strong>die</strong> <strong>der</strong> Substanz, <strong>der</strong> Attribute und <strong>der</strong> Modi, <strong>die</strong> Attribute undModi <strong>der</strong> Substanz s<strong>in</strong>d. Dabei wird Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> sechsten Def<strong>in</strong>ition mit <strong>der</strong> Substanzidentifiziert. Das ist ke<strong>in</strong>e große Überraschung, hatte doch bereits Descartes Gott als <strong>die</strong>e<strong>in</strong>zige unendliche Substanz bestimmt. Was nun aber Sp<strong>in</strong>oza an<strong>der</strong>s macht alsDescartes, das ist, dass er <strong>die</strong> bei Descartes noch vorausgesetzten beiden an<strong>der</strong>enSubstanzen, <strong>die</strong> res cogitans und <strong>die</strong> res extensa, das Denken und <strong>die</strong> Ausdehnung, zuAttributen <strong>der</strong> göttlichen Substanz macht. (Es gibt unendliche Attribute, doch nur <strong>die</strong>sebeiden können wir erkennen.) Das macht Sp<strong>in</strong>oza nicht e<strong>in</strong>fach so, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>zig ausdem Grunde, dass es dem Begriff <strong>der</strong> Substanz eignet, dass es nur e<strong>in</strong>e geben kann.Diesen Beweis führt Sp<strong>in</strong>oza <strong>in</strong> den ersten Propositionen des ersten Teils <strong>der</strong> Ethik durch.Ich möchte ihn hier aussparen, weil wir noch Wichtigeres zu bedenken haben. Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong>propositio 14 heißt es: „Außer Gott kann es we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Substanz geben, noch kann e<strong>in</strong>ebegriffen werden.“ Wir können ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Substanz als Gott denken, so wie es ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e als ihn geben kann. Daher spricht Hegel von <strong>der</strong> „e<strong>in</strong>en Substanz“. Zu ihr gehörtdas Denken und <strong>die</strong> Ausdehnung als Attribute. Denken und Ausdehnung s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>Substanz also beigeordnet, sie kommen an ihr vor. Das bedeutet dann aber, dass zu GottDenken und Ausdehnung gehören. Denken und Ausdehnung drücken Gott aus. Denkenund vor allem Ausdehnung s<strong>in</strong>d aber das, was wir Natur nennen, wobei zu <strong>die</strong>ser Natureben Alles gehört, was es überhaupt und schlechth<strong>in</strong> gibt - alle Ereignisse, <strong>die</strong> wir uns z.B.57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!