In sich bedeutet nun: <strong>die</strong> Substanz ist absolut unendlich. D.h. sie hat nichts mehr, was sichnoch außerhalb ihrer bef<strong>in</strong>den würde. Würde es so etwas geben, wäre sie ke<strong>in</strong>e Substanz.Das me<strong>in</strong>t dann, dass alles sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Substanz bef<strong>in</strong>det. Wir hörten ja: <strong>die</strong> Substanzo<strong>der</strong> Gott ist e<strong>in</strong> denkendes D<strong>in</strong>g, <strong>die</strong> Substanz o<strong>der</strong> Gott ist e<strong>in</strong> ausgedehntes D<strong>in</strong>g. Dasmuss so se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>sofern Denken und Ausdehnung Attribute <strong>der</strong> Substanz s<strong>in</strong>d, und alssolche von <strong>der</strong> Substanz her kommen, drücken sie <strong>die</strong> Substanz aus. Denken undAusdehnung drücken also Gott aus, denn <strong>der</strong> ist ja <strong>die</strong> Substanz. Wie ist das möglich?was ist das für e<strong>in</strong> Gott, was für e<strong>in</strong>e Substanz?Die Substanz, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich alles bef<strong>in</strong>det, <strong>die</strong> selber <strong>in</strong> sich ist, ist <strong>die</strong> Substanz von Allemo<strong>der</strong> - ist Alles. Das liegt schon daran, dass <strong>die</strong> Substanz unendlich ist. Wenn sieunendlich ist, kann sie nicht begrenzt werden. Ist dann aber Gott nicht Alles? Nun - er istnach Sp<strong>in</strong>oza <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat <strong>die</strong> Natur selbst, <strong>in</strong>sofern wir unter Natur nicht e<strong>in</strong> begrenztesSeiendes verstehen, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> unendliches, ewiges. Deshalb kann Sp<strong>in</strong>oza sagen, Gottist e<strong>in</strong> denkendes und ausgedehntes D<strong>in</strong>g, Gott ist Denken und Ausdehnung, Denken undAusdehnung drücken Gott aus. Denken und Ausdehnung stehen aber für alles, was esgibt, bilden <strong>die</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Natur - denn auch <strong>der</strong> Mensch ist ja Teil <strong>der</strong> Natur. Deussive natura - es gibt e<strong>in</strong>e Stelle im vierten Teil <strong>der</strong> Ethik, <strong>die</strong> lautet: „aeternum namqueillud, & <strong>in</strong>f<strong>in</strong>itum Ens, quod Deum, seu Naturam appellamus, eadem, qua existit,necessitate agit.“ Jenes ewige und endliche Seiende, das wir Gott o<strong>der</strong> Natur nennen,handelt vielmehr mit <strong>der</strong>selben Notwendigkeit, mit <strong>der</strong> es existiert.“ Woh<strong>in</strong> ist <strong>die</strong>Geometrie da geraten? Was ist da geschehen? Gott ist <strong>die</strong> Natur, <strong>die</strong> Natur ist Gott?Sp<strong>in</strong>oza, <strong>der</strong> Denker des Pantheismus, <strong>der</strong> teuflische Denker, <strong>der</strong> Gott mit <strong>der</strong> Naturidentifiziert. E<strong>in</strong> Gedanke, <strong>der</strong> ebenso angezogen hat wie er abstieß. Be<strong>in</strong>ahe alle Denkerdes sogenannten Deutschen Idealismus waren e<strong>in</strong>mal Sp<strong>in</strong>ozisten. Wie ich es schonfrüher tat, möchte ich auch hier e<strong>in</strong>e Stelle aus den Vorlesungen zur Geschichte <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> von Hegel vorlesen: „Wenn man anfängt zu philosophieren, so muß manzuerst Sp<strong>in</strong>ozist se<strong>in</strong>. Die Seele muß sich baden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Äther <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Substanz, <strong>in</strong><strong>der</strong> alles, was man für wahr gehalten hat, untergegangen ist. Es ist <strong>die</strong>se Negation allesBeson<strong>der</strong>en, zu <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Philosoph gekommen se<strong>in</strong> muß: es ist <strong>die</strong> Befreiung des Geistesund se<strong>in</strong>e absolute Grundlage.“Sp<strong>in</strong>oza ist e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong> Philosoph.56
Sechste VorlesungHegel schreibt über Sp<strong>in</strong>oza: „Wenn man anfängt zu philosophieren, so muß man zuerstSp<strong>in</strong>ozist se<strong>in</strong>. Die Seele muß sich baden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Äther <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Substanz, <strong>in</strong> <strong>der</strong>alles, was man für wahr gehalten hat, untergegangen ist. Es ist <strong>die</strong>se Negation allesBeson<strong>der</strong>en, zu <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Philosoph gekommen se<strong>in</strong> muß: es ist <strong>die</strong> Befreiung des Geistesund se<strong>in</strong>e absolute Grundlage.“ Diese schönen Worte über Sp<strong>in</strong>oza kann man immerwie<strong>der</strong> lesen und hören. Doch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> geht es um mehr als nur um schöneWorte. Man muss Hegels Worte auch verstehen. Was heißt es, dass es hier um „e<strong>in</strong>eSubstanz“ geht? Und was heißt es, dass dar<strong>in</strong> „alles, was man für wahr gehalten hat,untergegangen“ se<strong>in</strong> soll? Was me<strong>in</strong>t „Negation alles Beson<strong>der</strong>en“? Und was bedeutet„Befreiung des Geistes“ und „absolute Grundlage“? Vielleicht werde ich nicht all <strong>die</strong>seFragen beantworten, aber wir sollten und müssen noch genauer <strong>in</strong> Sp<strong>in</strong>ozas Denkene<strong>in</strong>tauchen, um se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zigartigkeit zu verstehen.Damit habe ich letzte Woche schon begonnen. Ich habe mich auf <strong>die</strong> acht Def<strong>in</strong>itionen desersten Teils mit <strong>der</strong> Überschrift De Deo <strong>der</strong> „Ethica ord<strong>in</strong>e geometrico demonstrata“bezogen und dabei schon gezeigt, <strong>in</strong>wiefern Sp<strong>in</strong>oza e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en traditionellenGottesbegriff übernimmt, um ihn an<strong>der</strong>erseits für se<strong>in</strong>e Zeitgenossen nachgerade auferschreckenden Art und Weise zu verän<strong>der</strong>n. Dabei geht es zunächst um so sche<strong>in</strong>barharmlose Def<strong>in</strong>itionen wie <strong>die</strong> <strong>der</strong> Substanz, <strong>der</strong> Attribute und <strong>der</strong> Modi, <strong>die</strong> Attribute undModi <strong>der</strong> Substanz s<strong>in</strong>d. Dabei wird Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> sechsten Def<strong>in</strong>ition mit <strong>der</strong> Substanzidentifiziert. Das ist ke<strong>in</strong>e große Überraschung, hatte doch bereits Descartes Gott als <strong>die</strong>e<strong>in</strong>zige unendliche Substanz bestimmt. Was nun aber Sp<strong>in</strong>oza an<strong>der</strong>s macht alsDescartes, das ist, dass er <strong>die</strong> bei Descartes noch vorausgesetzten beiden an<strong>der</strong>enSubstanzen, <strong>die</strong> res cogitans und <strong>die</strong> res extensa, das Denken und <strong>die</strong> Ausdehnung, zuAttributen <strong>der</strong> göttlichen Substanz macht. (Es gibt unendliche Attribute, doch nur <strong>die</strong>sebeiden können wir erkennen.) Das macht Sp<strong>in</strong>oza nicht e<strong>in</strong>fach so, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>zig ausdem Grunde, dass es dem Begriff <strong>der</strong> Substanz eignet, dass es nur e<strong>in</strong>e geben kann.Diesen Beweis führt Sp<strong>in</strong>oza <strong>in</strong> den ersten Propositionen des ersten Teils <strong>der</strong> Ethik durch.Ich möchte ihn hier aussparen, weil wir noch Wichtigeres zu bedenken haben. Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong>propositio 14 heißt es: „Außer Gott kann es we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Substanz geben, noch kann e<strong>in</strong>ebegriffen werden.“ Wir können ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Substanz als Gott denken, so wie es ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e als ihn geben kann. Daher spricht Hegel von <strong>der</strong> „e<strong>in</strong>en Substanz“. Zu ihr gehörtdas Denken und <strong>die</strong> Ausdehnung als Attribute. Denken und Ausdehnung s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>Substanz also beigeordnet, sie kommen an ihr vor. Das bedeutet dann aber, dass zu GottDenken und Ausdehnung gehören. Denken und Ausdehnung drücken Gott aus. Denkenund vor allem Ausdehnung s<strong>in</strong>d aber das, was wir Natur nennen, wobei zu <strong>die</strong>ser Natureben Alles gehört, was es überhaupt und schlechth<strong>in</strong> gibt - alle Ereignisse, <strong>die</strong> wir uns z.B.57
- Seite 1 und 2:
Einführung in die Philosophie der
- Seite 3 und 4:
Eine Sicht, die ich persönlich fav
- Seite 5 und 6: letzthinnigen Prüfung dessen, was
- Seite 7 und 8: auf die Staatsform als solche, auf
- Seite 9 und 10: See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e
- Seite 11 und 12: Descartes natürlich nicht so. Bei
- Seite 13 und 14: Ich möchte bevor ich zu dem Aufbau
- Seite 15 und 16: als Grundsätze. Wieder geht es als
- Seite 17 und 18: Doch - der Zweifelsgang ist noch ni
- Seite 19 und 20: zwischen den beiden endlichen Subst
- Seite 21 und 22: und unrichtig halten - das ist eben
- Seite 23 und 24: Dritte VorlesungIn der letzten Woch
- Seite 25 und 26: Descartes, nicht so sehr täuschen,
- Seite 27 und 28: Es gibt einen bösen Geist, der mic
- Seite 29 und 30: für „subjektiv“ halten, das ha
- Seite 31 und 32: Im Folgenden beschäftigt sich Desc
- Seite 33 und 34: In Bezug auf die Kausalität führt
- Seite 35 und 36: Vierte VorlesungAm Beginn dieser Vo
- Seite 37 und 38: Methode bezeichnet, für die die Ma
- Seite 39 und 40: ein Ungeheuer, das von Gott kontrol
- Seite 41 und 42: sage Kennzeichnen, wenn wir für un
- Seite 43 und 44: Aus dieser Situation entsteht eine
- Seite 45 und 46: ei Machiavelli - in der Staatsgrün
- Seite 47 und 48: Ich habe dabei zunächst darauf hin
- Seite 49 und 50: Naturgesetze kennenzulernen, sonder
- Seite 51 und 52: die Abwesenheit von Krieg (wie Hobb
- Seite 53 und 54: Deo. Sie lautet: „1. Per causam s
- Seite 55: finden ist. Wir werden sehen, dass
- Seite 59 und 60: geben - es wird eine geben so, wie
- Seite 61 und 62: Damit ist gemeint, dass wir uns not
- Seite 63 und 64: Erkenntnis zugänglich ist, keine Z
- Seite 65 und 66: glauben, er könnte das auch noch a
- Seite 67 und 68: Siebente Vorlesung„Verflucht sei
- Seite 69 und 70: Also die „Monadologie“. Da ist
- Seite 71 und 72: umstellen noch sich eine innere Bew
- Seite 73 und 74: Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
- Seite 75 und 76: eginnt: „Das Gedächtnis liefert
- Seite 77 und 78: offenbar auch kein Fenster haben ka
- Seite 79 und 80: Die Kritik an den Cartesianern ist
- Seite 81 und 82: Die Differenz zum Tier ist also nic
- Seite 83 und 84: Mathematik, was wenig überzeugt (d
- Seite 85 und 86: Böse möglich, wenn doch Gott notw
- Seite 87 und 88: Hegel schreibt in seiner Vorrede zu
- Seite 89 und 90: Körper keinen Unterschied zu geben
- Seite 91 und 92: Gegenstand nähern will. Das ist fr
- Seite 93 und 94: demnach in der Materie das Denken,
- Seite 95 und 96: den dogmatischen Schlummer unterbra
- Seite 97 und 98: entwickeln. Ein Blinder kann sich k
- Seite 99 und 100: Für Hume steht aber zunächst etwa