werden sehen, dass er sich be<strong>in</strong>ahe überall auf ihn bezieht. Der e<strong>in</strong>zige Text, den Sp<strong>in</strong>ozazu Lebzeiten unter se<strong>in</strong>em eigenen Namen veröffentlichte, trägt den Titel: Descartes‘Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> auf geometrische Weise begründet, 1663 erschienen <strong>in</strong>Amsterdam. Sp<strong>in</strong>oza hat sich <strong>in</strong>tensiv mit Descartes ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt, man kannsagen, dass Descartes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen H<strong>in</strong>sicht Sp<strong>in</strong>ozas Lehrer war.Die Frage ist nicht nur, was wir mit <strong>die</strong>ser zweiten Def<strong>in</strong>ition an <strong>die</strong>ser Stelle anfangensollen, <strong>die</strong> Frage ist, was wir überhaupt mit solchen Def<strong>in</strong>itionen anfangen sollen. Aber -wenn es sich hier um e<strong>in</strong> Denken more geometrico handelt, dann können wir von denVoraussetzungen nicht verlangen, dass sie uns sogleich sagen, wozu sie alsVoraussetzungen <strong>die</strong>nen. Das wird sich dann jeweils im Gang <strong>der</strong> Deduktionen zeigenmüssen. Und natürlich zeigt es sich auch bei Sp<strong>in</strong>oza.Zur dritten Def<strong>in</strong>ition: „Unter Substanz verstehe ich das, was <strong>in</strong> sich (<strong>in</strong> se) ist und durchsich begriffen wird; d.h. das, dessen Begriff nicht den Begriff e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en D<strong>in</strong>ges nötighat, um daraus gebildet zu werden.“ Bei <strong>die</strong>ser Def<strong>in</strong>ition gibt es das Beson<strong>der</strong>e, dass <strong>die</strong>Substanz <strong>in</strong> sich ist. Was soll das heißen, könnte man fragen? Zunächst e<strong>in</strong>mal: dass <strong>die</strong>Substanz sich nicht von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Begriff her erklären lassen soll, ist e<strong>in</strong>e klassischeBestimmung. Wenn wir auf <strong>die</strong> Aristotelische Bestimmung <strong>der</strong> ousía, d.h. des griechischenBegriffs für Substanz zurückgehen, dann besagt auch er, ohne def<strong>in</strong>iert zu werden, dassich das, was Kuh heißt, nur durch <strong>die</strong> Kuh, das Kuhige verstehen kann. Erst recht kann ich<strong>die</strong> Substanz <strong>der</strong> Kuh nicht verstehen, wenn ich sage: schwarz o<strong>der</strong> weiß, flauschig mitOhren etc. Aber - was heißt: dass <strong>die</strong> Substanz <strong>in</strong> sich ist?Descartes bestimmt <strong>die</strong> Substanz folgen<strong>der</strong>maßen: „Unter Substanz können wir nur e<strong>in</strong>D<strong>in</strong>g verstehen, das so existiert, dass es zu se<strong>in</strong>er Existenz ke<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en D<strong>in</strong>gesbedarf.“ Das ist e<strong>in</strong> gefährliche Def<strong>in</strong>ition für Descartes. Denn klar ist, dass sie sich aufGott anwenden lässt. Gott ist auch für Descartes causa sui. Er bedarf ke<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>enD<strong>in</strong>ges, um zu existieren. Aber gilt das auch für <strong>die</strong> res cogitans und <strong>die</strong> res extensa? S<strong>in</strong>dsie auch causae suarum, Ursachen ihrer selbst? Das dürfte nicht se<strong>in</strong>, denn <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zigecausa sui ist Gott. Deshalb sagt Descartes auch wirklich irgendwo, dass <strong>die</strong> Substanz imeigentlichen S<strong>in</strong>ne, nämlich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige unendliche Substanz Gott ist. Denken undAusdehnung s<strong>in</strong>d endlich, denn gemäß des Satzes vom Wi<strong>der</strong>spruch wird e<strong>in</strong> Denkendurch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es, e<strong>in</strong> Körper durch den an<strong>der</strong>en begrenzt. Aber, wie gefragt, was heißthier „<strong>in</strong> sich se<strong>in</strong>“? Das wird sich gleich zeigen.Gehen wir weiter zur vierten Def<strong>in</strong>ition: „Unter Attribut verstehe ich das an das Substanz,was <strong>der</strong> Verstand als zu ihrem Wesen gehörig erkennt.“ Attributum, das Zugeteilte,Zugeordnete, wird vom <strong>in</strong>tellectus erkannt. Das Attribut hängt an <strong>der</strong> Substanz, Attributheißt: e<strong>in</strong>er Substanz zugeordnet se<strong>in</strong>. Das ist e<strong>in</strong> Gedanke, <strong>der</strong> nicht bei Descartes zu54
f<strong>in</strong>den ist. Wir werden sehen, dass Sp<strong>in</strong>oza sich hier von Descartes lösen und zu se<strong>in</strong>ereigenen Radikalität f<strong>in</strong>den wird.Die fünfte Def<strong>in</strong>ition lautet: „Unter Modus verstehe ich <strong>die</strong> Affektionen <strong>der</strong> Substanz o<strong>der</strong>das, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en ist, durch das es auch begriffen wird.“ Das ist e<strong>in</strong>e schwierigeDef<strong>in</strong>ition, e<strong>in</strong>e schwierige Ausdrucksweise. „Affektionen <strong>der</strong> Substanz“ - das bedeutet,dass <strong>der</strong> Substanz gewisse Bestimmungen eignen, <strong>die</strong> ihr gleichsam äußerlich s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong>also nicht zu ihr selbst <strong>in</strong> sich selbst gehören. Die Substanz ist „<strong>in</strong> sich“, <strong>die</strong> modi <strong>der</strong>Substanz s<strong>in</strong>d „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en“. Nehmen wir e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Tisch, dann ist <strong>die</strong>ser Tischnicht wie <strong>die</strong> Substanz <strong>in</strong> sich, son<strong>der</strong>n er ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en, er ist abhängig z.B. vonUrsachen, <strong>die</strong> nicht <strong>in</strong> ihm s<strong>in</strong>d (<strong>der</strong> Tischler ist nicht im Tisch). E<strong>in</strong> Modus <strong>der</strong> Substanz,so können wir hier schon e<strong>in</strong>mal sagen, ist <strong>die</strong> Existenz von Tischen bzw. ganz allgeme<strong>in</strong><strong>die</strong> D<strong>in</strong>gwelt. Die D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en. Wor<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d sie? Dazu gleich.Weiter zur sechsten Def<strong>in</strong>ition: „Unter Gott verstehe ich das absolut unendliche Seiende,d.h. <strong>die</strong> Substanz, <strong>die</strong> aus unendlichen Attributen besteht, von denen e<strong>in</strong> jedes ewiges undunendliches Wesen ausdrückt.“ Nun fällt zum ersten Mal <strong>der</strong> Begriff Gott. Ich hatte ihnbereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Def<strong>in</strong>ition mitgenannt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>oza von <strong>der</strong> Ursache se<strong>in</strong>er selbstspricht, was ja bedeutet, „se<strong>in</strong>er“, „dessen Wesen <strong>die</strong> Existenz e<strong>in</strong>schließt“, d.h. aber dochdas Wesen Gottes. In <strong>die</strong>ser H<strong>in</strong>sicht wird <strong>die</strong> erste Def<strong>in</strong>ition mit <strong>der</strong> dritten und viertenverknüpft. Gott ist als das absolut unendliche Seiende Substanz, <strong>die</strong> aus unendlichenAttributen besteht. Jedes <strong>die</strong>ser Attribute drückt ewiges unendliches Wesen aus -exprimare, das ist e<strong>in</strong> eigentümlicher Gedanke des Sp<strong>in</strong>oza. Er bezieht sich auf denUnterschied <strong>in</strong> sich und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en. Was etwas ausdrückt, kommt von e<strong>in</strong>emInneren <strong>in</strong>s Äußere. Von <strong>der</strong> Substanz hörten wir, sie sei <strong>in</strong> sich. Insofern ihr nun Attributezukommen, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>der</strong> Substanz, drücken also das unendliche Wesen <strong>der</strong> Substanzaus. Es gibt zu <strong>die</strong>ser Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>e Explikation, <strong>die</strong> ich aber übergehe.Hier möchte ich schon etwas h<strong>in</strong>zufügen, dass Sp<strong>in</strong>oza an <strong>die</strong>ser Stelle noch nicht sagt.Er sagt es eigentlich sogar durchaus später, im zweiten Teil als Proposition 1 und 2. Dortwird gesagt: „Das Denken ist e<strong>in</strong> Attribut Gottes, o<strong>der</strong> Gott ist e<strong>in</strong> denkendes D<strong>in</strong>g.“ sowie:„Die Ausdehnung ist e<strong>in</strong> Attribut Gottes, o<strong>der</strong> Gott ist e<strong>in</strong> ausgedehntes D<strong>in</strong>g.“ Hier kehrensie also wie<strong>der</strong>, <strong>die</strong> Cartesischen Substanzen <strong>der</strong> res cogitans und <strong>der</strong> res extensa. DieSubstanz bzw. Gott (wir wissen, dass <strong>die</strong>se identisch s<strong>in</strong>d für Sp<strong>in</strong>oza) hat unendlicheAttribute. Doch <strong>der</strong> Verstand kann nur zwei kennen, zwei erkennen: das Denken und <strong>die</strong>Ausdehnung. Das ist e<strong>in</strong>e implizite Kritik an Descartes von Sp<strong>in</strong>oza. Denken undAusdehnung können ke<strong>in</strong>e Substanzen se<strong>in</strong>, weil sie endlich s<strong>in</strong>d, durch sich selberbegrenzbar. Daher gibt es nur e<strong>in</strong>e Substanz. Das dürfen Sie aber nicht e<strong>in</strong>fach sonebenbei hören, son<strong>der</strong>n jetzt müssen sich ihre Ohren spitzen: es gibt nur e<strong>in</strong>e Substanz,und <strong>die</strong>se ist <strong>in</strong> sich.55
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