Vorgang ist). In <strong>die</strong>ser Landschaft ist dann auch e<strong>in</strong>e Dichtung wie <strong>die</strong> von „Romeo undJulia“ (1595) o<strong>der</strong> des „Hamlet“ (1602) möglich; Dichtungen, <strong>in</strong> denen im Großen undGanzen jenseits des Christentums E<strong>in</strong>zelschicksale dramatisiert werden.Nun hat man sich den Übergang vom Mittelalter zur <strong>Neuzeit</strong> - ich hoffe, dass das klar ist -nicht so vorzustellen, als würde das Christentum als weltbestimmende Macht desMittelalters e<strong>in</strong>fach wegbrechen, als wären <strong>die</strong> Philosophen <strong>der</strong> frühen <strong>Neuzeit</strong>, also z.B.Descartes, Hobbes und Leibniz schlechth<strong>in</strong> atheistische o<strong>der</strong> gar gottlose Philosophen.Dass Gott im Denken <strong>der</strong> frühen <strong>Neuzeit</strong>, im sogenannten „Rationalismus“, natürlich noche<strong>in</strong>e große Rolle spielt, wissen Sie und wenn nicht, werde ich es Ihnen zeigen. Aber <strong>die</strong>Rolle, <strong>die</strong> Gott o<strong>der</strong> das Göttliche nunmehr im Denken spielt, ist e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e geworden.Gott ist nicht mehr <strong>der</strong> im Pr<strong>in</strong>zip philosophisch nicht erreichbare Herrscher, dem man sichim Glauben und im Gebet - jenseits <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> also - nähern kann, son<strong>der</strong>n Gott wirdso etwas wie e<strong>in</strong>e causa prima, e<strong>in</strong>e erste Ursache, <strong>die</strong> Ursache ihrer selbst ist, causa sui.Freilich kann sich auch <strong>die</strong>ser Gedanke auf das Mittelalter und <strong>die</strong> Antike beziehen, doches gibt so erhebliche Unterschiede (z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auffassung, was e<strong>in</strong>e „Ursache“ (causa)ist), dass Unterschiede zwischen Mittelalter und <strong>Neuzeit</strong> auch hier aufgezeigt werdenkönnen.Die abschließende Frage heute, <strong>die</strong> bereits <strong>in</strong> <strong>die</strong> nächste Stunde h<strong>in</strong>überführt, ist <strong>die</strong>, objene Landschaft, <strong>die</strong> ich gerade gezeichnet habe, e<strong>in</strong>en Zusammenhang bildet, <strong>in</strong> demdas e<strong>in</strong>e mit dem an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art von Wechselwirkung steht, o<strong>der</strong> ob dasZusammentreffen <strong>der</strong> Merkmale des Epochenwandels e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Zufall ist. Die Antwortkann man natürlich vorwegnehmen. Als <strong>Philosophie</strong>rende müssen wir davon ausgehen,dass es hier e<strong>in</strong>en großen Zusammenhang gibt. Ich möchte dabei <strong>die</strong> Merkmale, <strong>die</strong> ichzusammengebracht habe, e<strong>in</strong>mal so beschreiben: <strong>die</strong> umfassende Entwicklung neuerTechnologien im Rahmen <strong>der</strong> Naturwissenschaften hängt mit bestimmten Bewegungen <strong>in</strong><strong>der</strong> Theologie und <strong>Philosophie</strong> zusammen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e reagiert auf <strong>die</strong> an<strong>der</strong>e, <strong>die</strong>Bewegungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theologie und <strong>Philosophie</strong> lassen e<strong>in</strong> neues Verständnis desMenschen zur Ersche<strong>in</strong>ung kommen, <strong>die</strong> Kunst manifestiert <strong>die</strong>se Ersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong>Theaterstücken wie „Romeo und Julia“ o<strong>der</strong> „Hamlet“, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bildenden Kunst, <strong>die</strong> sichaus dem Kirchenraum verabschiedet und autonom zu werden beg<strong>in</strong>nt.Dieser ganze Zusammenhang schlägt sich nie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Werk, mit dem z.B. Hegel <strong>die</strong><strong>Neuzeit</strong> emphatisch beg<strong>in</strong>nen lässt. In se<strong>in</strong>en Vorlesungen zur Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>heißt es e<strong>in</strong>mal: „Wir kommen eigentlich jetzt erst zur <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> neuen Welt undfangen <strong>die</strong>se mit Cartesius an. Mit ihm treten wir eigentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e selbständige<strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>, welche weiß, daß sie selbständig aus <strong>der</strong> Vernunft kommt und daß dasSelbstbewusstse<strong>in</strong> wesentliches Moment des Wahren ist. Hier können wir sagen, s<strong>in</strong>d wirzu Hause und können wie <strong>der</strong> Schiffer nach langer Umherfahrt auf <strong>der</strong> ungestümen8
See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e<strong>in</strong>er von den Menschen, <strong>die</strong> wie<strong>der</strong> mit allem von vornangefangen haben; und mit ihm hebt <strong>die</strong> Bildung <strong>der</strong> neueren Zeit an.“ René Descartes(1596-1650) ist <strong>die</strong> Ikone - könnte man schon fast sagen - des Beg<strong>in</strong>ns <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong>. Nunsagt Hegel schon, warum: weil „das Selbstbewußtse<strong>in</strong> wesentliches Moment des Wahren“ist. Was damit gesagt se<strong>in</strong> soll, müssen wir im Folgenden verstehen.Das Werk, auf das ich mich hier e<strong>in</strong>lassen werde, hat den vollen Titel: Meditationes deprima philosophia <strong>in</strong> quibus Dei existentia et animae humanae a corpore dist<strong>in</strong>ctiodemonstrantur“, zu Deutsch: „Meditationen über <strong>die</strong> erste <strong>Philosophie</strong>, <strong>in</strong> denen dasDase<strong>in</strong> Gottes und <strong>die</strong> Verschiedenheit <strong>der</strong> menschlichen Seele vom Körper bewiesenwerden“. Das Werk stammt aus dem Jahre 1641. Schauen wir uns zunächst e<strong>in</strong>mal denaufwendigen Titel an. Ich lasse das erste Wort erst e<strong>in</strong>mal außer Betracht. Es geht um <strong>die</strong>prima philosophia. Dieser Begriff geht auf Aristoteles zurück. Auf Griechisch heißt primaphilosophia πρώτη φιλοσοφία. Diese <strong>Philosophie</strong> ist e<strong>in</strong>erseits Ontologie, d.h. sie fragt:was ist das Seiende (als Seiendes)? Diese Frage enthält dann <strong>die</strong> weitere: was ist imhöchsten S<strong>in</strong>ne seiend? Mit <strong>die</strong>ser Frage wird <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> Theologie (nicht imchristlichen S<strong>in</strong>ne natürlich), denn das höchste Seiende ist für Aristoteles das Göttliche.Was Aristoteles so zusammenfasst, ist Gegenstand se<strong>in</strong>er Vorlesungen über <strong>die</strong>„Metaphysik“, über das Wissen, dass sich mit dem beschäftigt, was über das S<strong>in</strong>nliche, <strong>die</strong>Physik, h<strong>in</strong>ausgeht (<strong>die</strong> an<strong>der</strong>e Erläuterung des Titels ist hier nicht wichtig). Was demnachDescartes mit den Meditationen vorlegt, ist e<strong>in</strong>e Metaphysik, ist metaphysisches Denken.Das letzte Wort des Titels lautet: demonstrantur. Die Meditationes verstehen sich also alse<strong>in</strong>e demonstratio, wobei <strong>die</strong> demonstratio <strong>in</strong> den Meditationen selbst geleistet wird. E<strong>in</strong>edemonstratio ist e<strong>in</strong> Beweis, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs hier bei Descartes nichts mit <strong>der</strong> Empirie zu tunhat. Die Demonstration <strong>der</strong> Wahrheit e<strong>in</strong>es Gedankens, se<strong>in</strong>e Prüfung, geschieht alle<strong>in</strong> imDenken, als Denken. Das bedeutet nicht, dass <strong>die</strong> Natur und das Wissen über sie ke<strong>in</strong>eBedeutung hat, im Gegenteil: Descartes ist e<strong>in</strong> Philosoph, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Naturwissenschaftse<strong>in</strong>er Zeit stellt und <strong>der</strong> wichtige Beiträge (z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mathematik) leistet. Doch <strong>der</strong>Anspruch, den Descartes erhebt, ist, dass <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> im Denken alle<strong>in</strong> begründetwerden müsse. Deshalb nennt man <strong>die</strong>se Art von <strong>Philosophie</strong> auch „Rationalismus“, wobei<strong>die</strong>se Bezeichnungen zumeist nicht sehr wichtig s<strong>in</strong>d. Man muss wissen, was siebezeichnen.Was soll demonstriert werden? Zunächst e<strong>in</strong>mal: <strong>die</strong> Existenz Gottes. Damit - so könnteman sagen - zeigt Descartes bereits e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung mit dem Denken des Mittelalters an.Denn e<strong>in</strong>en sogenannten Gottesbeweis, e<strong>in</strong> Argument, dass alle<strong>in</strong> aus dem Verstand <strong>die</strong>Existenz Gottes „beweisen“ will, kennen wir von Anselm von Canterbury (1033-1109). Derhatte es natürlich nicht nötig, Gott zu beweisen, weil ihm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Glauben <strong>die</strong> ExistenzGottes gewiss war. Doch er me<strong>in</strong>te, dass eben auch <strong>der</strong> Verstand ganz aus sich selbst9
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umstellen noch sich eine innere Bew
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Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
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eginnt: „Das Gedächtnis liefert
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offenbar auch kein Fenster haben ka
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Die Differenz zum Tier ist also nic
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Mathematik, was wenig überzeugt (d
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Hegel schreibt in seiner Vorrede zu
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Gegenstand nähern will. Das ist fr
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demnach in der Materie das Denken,
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den dogmatischen Schlummer unterbra
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa