darauf h<strong>in</strong>, dass er ke<strong>in</strong>e Veranlassung habe, von <strong>der</strong> Existenz e<strong>in</strong>es solchen bösenGottes auszugehen, ja, dass er noch nicht e<strong>in</strong>mal weiß, ob es Gott überhaupt gibt. Das seija erst e<strong>in</strong>mal nur e<strong>in</strong> Vorurteil. Und daher fällt e<strong>in</strong> fragwürdiges Licht auf denZweifelsgang. Solange Gottes Dase<strong>in</strong> nicht bewiesen ist, ist <strong>der</strong> Zweifelsgangunbefriedigend. Ja, Descartes sagt den seltsamen Satz: „Denn solange das unbekannt ist(ob Gott existiert und ob er e<strong>in</strong> Betrüger se<strong>in</strong> kann), glaube ich nicht, dass ich über irgendetwas an<strong>der</strong>es völlig gewiss se<strong>in</strong> kann.“Das ist nun e<strong>in</strong> überraschend traditioneller Gedanke, <strong>der</strong> <strong>die</strong> zweite Meditation mit ihreransche<strong>in</strong>enden Radikalität ziemlich relativiert. Die Existenz Gottes muss demnach e<strong>in</strong>eerste Gewissheit se<strong>in</strong>, von <strong>der</strong> alle weiteren Gewissheiten abhängen. Das kl<strong>in</strong>gt dann abernoch durchaus nach Mittelalter, will sagen: <strong>der</strong> Gedanke, <strong>die</strong> Existenz Gottes ist <strong>die</strong>Voraussetzung von allem - das ist strukturell betrachtet e<strong>in</strong> Gedanke <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> desMittelalters. Es ist aber für uns erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Frage, ob Descartes mit se<strong>in</strong>er drittenMeditation Ähnliches will wie <strong>die</strong> Philosophen des Mittelalters. Ja, was will er überhauptmit dem Beweis vom Dase<strong>in</strong> Gottes? Das ist e<strong>in</strong>e Frage, <strong>die</strong> ich heute nicht mehr zubeantworten versuchen möchte. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nicht überstrapazieren.Zuletzt möchte ich nur noch e<strong>in</strong>mal betonen, dass ich anfangs behauptete, <strong>die</strong> <strong>Neuzeit</strong>beg<strong>in</strong>ne auch mit e<strong>in</strong>em neuen Menschenbild. Wenn für das Mittelalter <strong>der</strong> Mensch enscreatum ist, also Geschöpf Gottes, e<strong>in</strong> Geschöpf unter an<strong>der</strong>en Geschöpfen (zwar erstesGeschöpf, weil Ebenbild Gottes, aber doch eben Geschöpf), e<strong>in</strong> Geschöpf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vonGott geschaffenen Ordnung, so ist <strong>der</strong> Mensch <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong> das freiere Individuum, dassich aus dem ordo des Mittelalters löst und sich auf e<strong>in</strong>en Weg begibt, <strong>der</strong> dann <strong>in</strong> <strong>der</strong>„Aufklärung“ endet. Ich hatte das ja <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Woche an dem Vergleich von Dantes Demonarchia und Machiavellis Il pr<strong>in</strong>cipe zu zeigen gesucht. Descartes entspricht <strong>die</strong>serInterpretation natürlich gleichsam, <strong>in</strong>dem er das Ich denke, das Subjekt, zum absolutenund unerschütterlichen Fundament des Wissens macht.In <strong>der</strong> nächsten Woche werden wir uns noch <strong>die</strong> dritte Meditation genauer anschauen,denn sie ist wichtig für das, was nach Descartes als <strong>Neuzeit</strong> gilt.22
Dritte VorlesungIn <strong>der</strong> letzten Woche haben mich Unwetter davon abgehalten, pünktlich zu ersche<strong>in</strong>en und<strong>die</strong> Vorlesung wie geplant zu halten. Dennoch habe ich dann schon e<strong>in</strong> wenig <strong>in</strong> <strong>die</strong>„Meditationen“ des Descartes e<strong>in</strong>geführt. Ich werde kurz wie<strong>der</strong>holen, was wir da gehörthaben, um dann fortzufahren.Zunächst noch e<strong>in</strong>mal zum Aufbau des Werkes. Es gibt sechs Meditationen. Die ersteMeditation hat den Titel: Woran man zweifeln kann; <strong>die</strong> zweite: Über <strong>die</strong> Natur desmenschlichen Geistes; dass se<strong>in</strong>e Erkenntnis ursprünglicher ist als <strong>die</strong> des Körpers; <strong>die</strong>dritte: Über das Dase<strong>in</strong> Gottes; <strong>die</strong> vierte: Über Wahrheit und Falschheit; <strong>die</strong> fünfte: Überdas Wesen <strong>der</strong> materiellen D<strong>in</strong>ge und nochmals über das Dase<strong>in</strong> Gottes; <strong>die</strong> sechste:Über das Dase<strong>in</strong> <strong>der</strong> materiellen D<strong>in</strong>ge und den substantiellen Unterschied zwischenSeele und Körper. Uns geht es um <strong>die</strong> ersten drei Meditationen.Um zu verstehen, was an Descartes so „neu“ ist, was ihn also als den ersten Denker <strong>der</strong><strong>Neuzeit</strong> ausweist, habe ich auf e<strong>in</strong> Zitat von Georg Wilhelm Friedrich Hegel h<strong>in</strong>gewiesen,aus se<strong>in</strong>en Vorlesungen über <strong>die</strong> „Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“. Ich möchte <strong>die</strong>ses Zitatnicht noch e<strong>in</strong>mal vorlesen, son<strong>der</strong>n auf zwei bzw. drei Aussagen reduzieren: 1. <strong>die</strong><strong>Philosophie</strong> des Descartes komme „selbständig aus <strong>der</strong> Vernunft“; 2. das„Selbstbewusstse<strong>in</strong> sei wesentliches Moment des Wahren“ (ob das zwei o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>Gedanke ist, braucht uns nicht zu <strong>in</strong>teressieren); 3. Descartes hat „mit allem von vornangefangen“.Die dritte Bemerkung war schnell aufzulösen, denn Descartes sagt am Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 1.Meditation selber, dass ihm all se<strong>in</strong>e alten Überzeugungen zweifelhaft geworden seien, sodass er noch e<strong>in</strong>mal ganz von vorn habe anfangen müssen. Ich hatte aber daraufh<strong>in</strong>gewiesen, dass <strong>die</strong>ser Anfang doch e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er ist. Es geht nicht e<strong>in</strong>fach darum,alles noch e<strong>in</strong>mal zu durchdenken, was man für wahr hielt, son<strong>der</strong>n darum, auf e<strong>in</strong> erstesunerschütterliches Fundament zu kommen. Es geht darum, e<strong>in</strong>e erste unerschütterlicheErkenntnis zu f<strong>in</strong>den, auf welcher dann e<strong>in</strong>e neue und vor allem echte Wissenschaftaufbauen kann. Denn es ist ja klar, sollte irgende<strong>in</strong> Wissen auf e<strong>in</strong>em schwachen undunsicheren Grund aufbauen, ist es im eigentlichen S<strong>in</strong>ne gar nicht als Wissen zubezeichnen.Was tut Descartes nun, um an e<strong>in</strong> solches Fundament zu gelangen? Er beg<strong>in</strong>nt, an Allemzu zweifeln. Die erste Meditation lautet: Woran man zweifeln kann. Diesen Zweifelsganghatten wir hier schon e<strong>in</strong> wenig verfolgt. Zunächst beg<strong>in</strong>nt Descartes, gleichsam amunmittelbaren Wissen zu zweifeln, d.h. an <strong>der</strong> Wahrnehmung. Die Wahrnehmung täuschtoft genug, also ist ihr Wahrheitsgehalt begrenzt. Aber - E<strong>in</strong>wand dagegen - dass wir hier23
- Seite 1 und 2: Einführung in die Philosophie der
- Seite 3 und 4: Eine Sicht, die ich persönlich fav
- Seite 5 und 6: letzthinnigen Prüfung dessen, was
- Seite 7 und 8: auf die Staatsform als solche, auf
- Seite 9 und 10: See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e
- Seite 11 und 12: Descartes natürlich nicht so. Bei
- Seite 13 und 14: Ich möchte bevor ich zu dem Aufbau
- Seite 15 und 16: als Grundsätze. Wieder geht es als
- Seite 17 und 18: Doch - der Zweifelsgang ist noch ni
- Seite 19 und 20: zwischen den beiden endlichen Subst
- Seite 21: und unrichtig halten - das ist eben
- Seite 25 und 26: Descartes, nicht so sehr täuschen,
- Seite 27 und 28: Es gibt einen bösen Geist, der mic
- Seite 29 und 30: für „subjektiv“ halten, das ha
- Seite 31 und 32: Im Folgenden beschäftigt sich Desc
- Seite 33 und 34: In Bezug auf die Kausalität führt
- Seite 35 und 36: Vierte VorlesungAm Beginn dieser Vo
- Seite 37 und 38: Methode bezeichnet, für die die Ma
- Seite 39 und 40: ein Ungeheuer, das von Gott kontrol
- Seite 41 und 42: sage Kennzeichnen, wenn wir für un
- Seite 43 und 44: Aus dieser Situation entsteht eine
- Seite 45 und 46: ei Machiavelli - in der Staatsgrün
- Seite 47 und 48: Ich habe dabei zunächst darauf hin
- Seite 49 und 50: Naturgesetze kennenzulernen, sonder
- Seite 51 und 52: die Abwesenheit von Krieg (wie Hobb
- Seite 53 und 54: Deo. Sie lautet: „1. Per causam s
- Seite 55 und 56: finden ist. Wir werden sehen, dass
- Seite 57 und 58: Sechste VorlesungHegel schreibt üb
- Seite 59 und 60: geben - es wird eine geben so, wie
- Seite 61 und 62: Damit ist gemeint, dass wir uns not
- Seite 63 und 64: Erkenntnis zugänglich ist, keine Z
- Seite 65 und 66: glauben, er könnte das auch noch a
- Seite 67 und 68: Siebente Vorlesung„Verflucht sei
- Seite 69 und 70: Also die „Monadologie“. Da ist
- Seite 71 und 72: umstellen noch sich eine innere Bew
- Seite 73 und 74:
Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
- Seite 75 und 76:
eginnt: „Das Gedächtnis liefert
- Seite 77 und 78:
offenbar auch kein Fenster haben ka
- Seite 79 und 80:
Die Kritik an den Cartesianern ist
- Seite 81 und 82:
Die Differenz zum Tier ist also nic
- Seite 83 und 84:
Mathematik, was wenig überzeugt (d
- Seite 85 und 86:
Böse möglich, wenn doch Gott notw
- Seite 87 und 88:
Hegel schreibt in seiner Vorrede zu
- Seite 89 und 90:
Körper keinen Unterschied zu geben
- Seite 91 und 92:
Gegenstand nähern will. Das ist fr
- Seite 93 und 94:
demnach in der Materie das Denken,
- Seite 95 und 96:
den dogmatischen Schlummer unterbra
- Seite 97 und 98:
entwickeln. Ein Blinder kann sich k
- Seite 99 und 100:
Für Hume steht aber zunächst etwa