frühere Schrift, <strong>die</strong> Ende <strong>der</strong> zwanziger Jahre des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts unvollendet blieb,spricht Descartes von <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Methode für <strong>die</strong> Wissenschaft. Dabeiwird sogleich <strong>die</strong> Methode def<strong>in</strong>iert: „Unter Methode aber verstehe ich zuverlässige undleicht zu befolgende Regeln, so daß, wer sich pünktlich an sie hält, niemals etwasFalsches für wahr unterstellt und, <strong>in</strong>dem er ke<strong>in</strong>e geistige Mühe nutzlos verschwendet,son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong> Wissen Stück für Stück ständig erweitert, <strong>die</strong> wahre Erkenntnis allesdessen erreicht, wozu er fähig ist.“ Wissenschaft heißt Methodenwissen. OhneMethode, ke<strong>in</strong> Wissen. Hatte das vorneuzeitliche Wissen ke<strong>in</strong>e Methode? Natürlichlässt sich das so nicht sagen. Selbstverständlich fragte <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> immerirgendwie, wie lässt sich etwas erkennen. Aber sie führte nicht den Begriff <strong>der</strong> Methodee<strong>in</strong>, wie es das neuzeitliche Denken tut. Vor allem muss dabei gefragt werden: um wasfür e<strong>in</strong>e Methode handelt es sich? Die Methode aller Methoden ist <strong>die</strong> Mathematik, <strong>die</strong>Arithmetik und <strong>die</strong> Geometrie. Daran lässt sich nun besser <strong>der</strong> Unterschied zwischen,sagen wir, dem griechisch-antiken und dem neuzeitlichen Denken zeigen. Platon z.B.war sich <strong>der</strong> Wichtigkeit <strong>der</strong> Mathematik bewusst. Für ihn war sie so etwas wie e<strong>in</strong>Modell des Denkens mit Ideen. Platon wendete <strong>die</strong> Geometrie auch schon auf dasnatürlich Seiende an, aber, so können wir sagen, eher aus Gründen <strong>der</strong> Ordnung undSchönheit des Seienden überhaupt. Der Aufbau <strong>der</strong> Natur war <strong>in</strong> sich regelmäßiggeformt. Dabei blieb <strong>die</strong> Erkenntnis. Nun, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong>, f<strong>in</strong>det <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>eMathematisierung <strong>der</strong> Natur statt, als sie messbar wird. Das Messen aber ist e<strong>in</strong>espezifische Anwendung <strong>der</strong> Mathematik, <strong>die</strong> Platon fremd geblieben ist. Man könntesagen, dass für Platon mit <strong>der</strong> Mathematik <strong>die</strong> Möglichkeit gegeben war, e<strong>in</strong>eTheoretisierung <strong>der</strong> Natur zu vollziehen. Für Descartes <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Mathematik dazu, dasDenken als e<strong>in</strong>e Praxis des Erkennens zu entwerfen. Die Wissenschaft begann imMessen, sich <strong>die</strong> Natur zu entwerfen. Daher spricht Descartes im „Discours de laméthode“ (1637) davon, dass <strong>der</strong> Mensch nun „maître et possesseur de la nature“ sei,Beherrscher und Besitzer <strong>der</strong> Natur. Doch wir müssen noch e<strong>in</strong> Element <strong>der</strong>Methodisierung und Mathematisierung des Wissens nennen. Die Mathematik blieb nichtnur vor den Türen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> stehen, sie drang auch <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> selbst e<strong>in</strong>.Descartes und z.B. Sp<strong>in</strong>oza sprachen von e<strong>in</strong>em Denken more geometrico. Der mosgeometricus wurde <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> selbst e<strong>in</strong>geführt. Er bildet e<strong>in</strong> Modell desDenkens, das man sich an Euklids Elementen bzw. <strong>der</strong> griechischen Fun<strong>die</strong>rung <strong>der</strong>Geometrie abgeschaut haben will. So wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Ethik“ des Sp<strong>in</strong>oza, auf <strong>die</strong> ich nochzu sprechen kommen werde, das Denken schlechth<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kette von Propositionenund dazugehörigen Demonstrationen, d.h. <strong>in</strong> Lehrsätzen und Beweisen, entfaltet. Damitwollte man <strong>die</strong> Gewissheit und Sicherheit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mathematik dem Denken vermittelt,direkt <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>führen. Nicht nur <strong>die</strong> Natur, auch <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> solltemathematisiert werden. Das führt dann4. dazu, dass e<strong>in</strong> Wissensideal schlechth<strong>in</strong> für das Denken entsteht, <strong>die</strong> Mathesisuniversalis. Mit <strong>die</strong>sem Begriff, auf den sich z.B. auch Leibniz bezieht, wird e<strong>in</strong>e36
Methode bezeichnet, für <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mathematik als e<strong>in</strong> universelles Erkenntnismittelersche<strong>in</strong>t. Alles, was Ordnung und Maß aufweisen kann, was für Ordnung und Maß -bzw. dem Messen - zugänglich ist, wird als pr<strong>in</strong>zipieller Gegenstand des Wissensgedacht. Für Descartes wird <strong>die</strong> Algebra e<strong>in</strong> wichtiges Moment des Denkens undErkennens. Noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundlegung <strong>der</strong> Kybernetik bei Norbert Wiener ist <strong>die</strong>serBegriff <strong>der</strong> mathesis universalis wichtig. Inwiefern bedeutet er etwas für unsMerkwürdiges? Was ist daran beson<strong>der</strong>s, dass wir es nennen müssen? Ist nicht Allespr<strong>in</strong>zipiell erkennbar? Vielleicht: aber denken Sie daran, dass Descartes <strong>die</strong> rescogitans und <strong>die</strong> res extensa unterscheidet. Alles Seiende ist Denken und/o<strong>der</strong>Ausdehnung. Wie kommen nun Denken und Ausdehnung im Menschen zusammen?Wie können Denken und Ausdehnung, Seele und Körper überhaupt zusammen können,wenn doch <strong>die</strong> Seele e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Substanz als <strong>der</strong> Körper ist? Warum hebe ich denArm, wenn ich will? Es gibt im Gehirn e<strong>in</strong>e Drüse, sagt Descartes, „<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>die</strong> Seele ihreFunktion spezieller ausübt als <strong>in</strong> jedem an<strong>der</strong>en Teil des Körpers“. Das sagt er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erSpätschrift „Les passions de l‘âme“ (1649). Descartes sagt nun nicht, wie manchedenken, <strong>die</strong> Seele sitzt als Zirbeldrüse im Gehirn, so als sei <strong>die</strong> Seele e<strong>in</strong> Gegenstand.Aber er reagiert doch auf das Problem, dass zwei Substanzen wie Seele undAusdehnung im Grunde nicht zusammenkommen können, damit, dass er das Gehirnals spezifische Sphäre e<strong>in</strong>er Berührung von Seele und Körper bezeichnet. Das aber istm.E. e<strong>in</strong> nachgerade spezifischer Gedanke, wenn man bedenkt, dass ja <strong>die</strong> Seele vorallem als Denken aufgefasst wird. Descartes gehört demnach also nicht zu denen, <strong>die</strong><strong>die</strong> Seele <strong>in</strong> e<strong>in</strong> messbares Objekt <strong>der</strong> Mathesis universalis überführen. Doch er legtgleichsam das Fundament dafür. Wenn ich also fragte, was denn das Beson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong>Mathesis universalis ist, an <strong>die</strong>ser durchgängigen Mathematisierung <strong>der</strong> Natur, dannbesteht <strong>die</strong>ses Beson<strong>der</strong>e dar<strong>in</strong>, dass bald nach Descartes Alles als messbar betrachtetworden ist, auch so etwas wie e<strong>in</strong> Gefühl. Und noch e<strong>in</strong> Gedanke gehört alsKonsequenz zu e<strong>in</strong>er solchen Mathesis universalis h<strong>in</strong>zu. Wenn Alles als pr<strong>in</strong>zipiellmessbar verstanden wird, wenn Alles <strong>in</strong> messbaren Ursache-Wirkungs-Beziehungengeschieht, dann ist nur noch das, was eben so messbar ist. Se<strong>in</strong> heißt dann: messbarse<strong>in</strong>. Was nicht messbar ist, ist nicht. Das ist e<strong>in</strong> Gedanke von e<strong>in</strong>er ungeheuerlichenTragweite.Das waren <strong>die</strong> zwei Elemente des Descarteschen Denkens, <strong>die</strong> ich noch nachtragenwollte: <strong>die</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Methode für das Denken und <strong>die</strong> Mathesis universalis alsProjekt e<strong>in</strong>er neuzeitlich begründeten Wissenschaft.Ich komme nun zu e<strong>in</strong>em Mann, <strong>der</strong> früher geboren wurde und später starb als Descartes,zu Thomas Hobbes (1588-1679). Hobbes gehört auch zu jenen Lesern <strong>der</strong> Meditationendes Descartes, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e obiectio, e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>wand, dagegen verfasste, auf den wie<strong>der</strong>umDescartes antwortet. Es gibt sieben solcher obiectiones und eben sieben Antworten. Se37
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demnach in der Materie das Denken,
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa