Die Ethik heißt <strong>in</strong>sgesamt: Ethica ord<strong>in</strong>e geometrico demonstrata. Ethik <strong>in</strong> geometrischerOrdnung bewiesen. Das zeigt schon, dass Sp<strong>in</strong>oza e<strong>in</strong>er Methode folgt. Diese Methode ist<strong>der</strong> mos geometricus. Wir hatten schon bei Descartes von ihm gehört. E<strong>in</strong>e deduktiveMethode <strong>der</strong> Ableitung von Begriffen, <strong>die</strong> sich an den Elementen des Euklids orientieren,wobei das leichter gesagt als getan ist. Denn wie übertragen wir geometrischeVerhältnisse <strong>in</strong> <strong>die</strong> Sprache? Das ist e<strong>in</strong> Problem, das Descartes o<strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>oza nichtgesehen haben. Wir müssen aber sagen, dass Sp<strong>in</strong>oza mit <strong>die</strong>ser Methode am weitestengegangen ist.Die Ethik hat fünf Teile: 1. Über Gott; 2. Über <strong>die</strong> Natur und den Ursprung des Geistes; 3.Über den Ursprung und <strong>die</strong> Natur <strong>der</strong> Affekte; 4. Über <strong>die</strong> menschliche Knechtschaft o<strong>der</strong><strong>die</strong> Macht <strong>der</strong> Affekte; 5. Über <strong>die</strong> Macht des Verstandes o<strong>der</strong> <strong>die</strong> menschliche Freiheit.Von den Überschriften aus gesehen verstehen wir auch jetzt, warum das Buch Ethik heißt.Es geht um <strong>die</strong> menschliche Freiheit.Die geometrische Methode schlägt sich nun so wie<strong>der</strong>, dass je<strong>der</strong> Teil mit Def<strong>in</strong>itionenbeg<strong>in</strong>nt, <strong>die</strong> sodann expliziert werden. Dann gibt es Axiomata. Sowohl <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>itionen alsauch <strong>die</strong> Axiomata s<strong>in</strong>d nummeriert. Im ersten Teil De Deo gibt es acht Def<strong>in</strong>itionen undsieben Axiomata. Dann gibt es jeweils e<strong>in</strong>e Reihe von Propositionen, Lehrsätzen, imersten Teil 36, <strong>die</strong> dann stets auch demonstriert bzw. bewiesen werden. Der Schluss desersten Teils ist e<strong>in</strong> langer Appendix, d.h. Anhang. Die Sequenzierung <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>itionen,Axiomata und Propositionen ist nun natürlich nicht beliebig, son<strong>der</strong>n soll deduktivverlaufen. Allgeme<strong>in</strong>ere Bestimmungen werden vorausgesetzt, aus denen sich dann Konsequenzenergeben.Wenn ich vorh<strong>in</strong> von dem Netz sprach, dem Bedeutungsnetz, das sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Vorlesungergeben soll, wenn wir <strong>die</strong> Schlüsseltexte <strong>die</strong>ser Epoche bedenken, dann wird an <strong>die</strong>semPunkt klar, dass Descartes, Hobbes und Sp<strong>in</strong>oza - je<strong>der</strong> auf se<strong>in</strong>e Weise (Sp<strong>in</strong>oza näheran Descartes als an Hobbes - wie sich gleich zeigen wird) - e<strong>in</strong>e Nähe zur Mathematikteilen. Die Vernunft ist wirklich e<strong>in</strong> Berechnen von Kausalverhältnissen - wenn man so will.Und das wird bei Sp<strong>in</strong>oza vielleicht so deutlich wie sonst bei ke<strong>in</strong>em - wobei wir abersehen werden, wie Sp<strong>in</strong>oza an entscheidenden Stellen irgendwie über <strong>die</strong> berechnendeVernunft h<strong>in</strong>ausgeht.Also tauchen wir e<strong>in</strong> wenig <strong>in</strong> Sp<strong>in</strong>oza e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>die</strong>ses höchst bemerkenswerte Denken.Tauchen wir an e<strong>in</strong>er Stelle e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> sich nahelegt. Wenn Sp<strong>in</strong>ozas Denken dem mosgeometricus gehorcht, wenn es sich als deduktiv versteht, <strong>in</strong>dem es aus VoraussetzungenKonsequenzen ableitet, dann muss ganz am Anfang sich <strong>die</strong> wichtigste, <strong>die</strong> essentiellsteVoraussetzung f<strong>in</strong>den. Ganz am Anfang bef<strong>in</strong>det sich <strong>die</strong> erste Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> dem Teil De52
Deo. Sie lautet: „1. Per causam sui <strong>in</strong>telligo id, Unter Ursache se<strong>in</strong>er selbst verstehe ichdas, dessen Wesen <strong>die</strong> Existenz e<strong>in</strong>schließt, o<strong>der</strong> das, dessen Natur nur als existierendbegriffen werden kann.“ Es ist <strong>die</strong> causa sui, <strong>die</strong> ich <strong>in</strong> Bezug auf Descartes schonansprach. Causa sui - Ursache ihrer selbst. Es kann nur e<strong>in</strong>e Ursache ihrer selbst geben,nur e<strong>in</strong>e Ursache, <strong>die</strong> sich selbst verursacht, <strong>die</strong> also nicht auf e<strong>in</strong>e vorangegangeneWirkung angewiesen ist, sich aus ihr ergibt. Das ist Gott. Die Denkfigur, auf <strong>die</strong> Sp<strong>in</strong>ozahier zurückgeht, kennen wir aus dem sogenannten ontologischen Gottesbeweis, denzuerst Anselm von Canterbury formulierte, <strong>der</strong> aber auch bei Descartes <strong>in</strong> denMeditationen anwesend ist. Die essentia Gottes ist <strong>in</strong>f<strong>in</strong>it, es kann ihm nichts fehlen - dennwürde ihm etwas fehlen, wi<strong>der</strong>spräche das eben er essentia Gottes. Demnach muss ihmnotwendig das Se<strong>in</strong> zukommen, Gott muss notwendig existieren - <strong>in</strong>sofern Gott jazum<strong>in</strong>dest mehr se<strong>in</strong> muss als <strong>die</strong>ser Tisch hier o<strong>der</strong> ich o<strong>der</strong> sie o<strong>der</strong> wir alle geme<strong>in</strong>sam.Da aber alles Seiende verursachtes Seiendes ist, alles Seiende e<strong>in</strong>e Ursache habenmuss, ist Gott nicht nur causa prima et ultima von allem Seienden, also erste Wirkursachevon Allem (Gott ist <strong>der</strong> Schöpfer), son<strong>der</strong>n eben auch causa sui - Ursache von sich selbst.Sp<strong>in</strong>oza kann <strong>die</strong>sen Gedanken auch an<strong>der</strong>s fassen - und zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong> 34. Proposition, im34. Lehrsatz. Der lautet nämlich schlicht: „Dei potentia est ipsa ipsius essentia.“ „DieMacht Gottes ist se<strong>in</strong> Wesen selbst.“ Macht und Wesen s<strong>in</strong>d bei Gott identisch. Die MachtGottes zeigt sich aber beson<strong>der</strong>s dar<strong>in</strong>, dass er als e<strong>in</strong>ziges Seiendes aus sich selbstheraus existieren kann. Das sagt dann <strong>die</strong> demonstratio: „Denn aus <strong>der</strong> Notwendigkeitse<strong>in</strong>es Wesens alle<strong>in</strong> folgt, dass Gott <strong>die</strong> Ursache se<strong>in</strong>er selbst und aller D<strong>in</strong>ge ist.Folglich ist <strong>die</strong> Macht Gottes, durch welche er und alles ist und handelt, se<strong>in</strong> Wesenselbst.“ Gott ist so mächtig, dass <strong>die</strong>se Macht, <strong>die</strong>ses Vermögen von selbst <strong>in</strong>s Se<strong>in</strong>übergeht. Ja se<strong>in</strong>e Macht zeigt sich gerade dar<strong>in</strong>.Gehen wir weiter zur zweiten Def<strong>in</strong>ition, wir wollen alle acht durchgehen. Sie lautet:„Endlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Art heißt e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g, das durch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es von gleicher Natur begrenztwerden kann. E<strong>in</strong> Körper z.B. heißt endlich, weil wir stets e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>e größerenbegreifen. Ebenso wird das Denken durch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Denken begrenzt. Dagegen wirde<strong>in</strong> Körper nicht durch das Denken noch das Denken durch e<strong>in</strong>en Körper begrenzt.“ DieDef<strong>in</strong>ition von f<strong>in</strong>itum, von endlich, ist <strong>die</strong> Begrenzung e<strong>in</strong>es D<strong>in</strong>ges durch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>esD<strong>in</strong>g von gleicher Natur. D<strong>in</strong>g heißt hier res. Nun spricht aber Sp<strong>in</strong>oza im weiteren nur vonzwei D<strong>in</strong>gen, nämlich Denken und Körper, cogitatio und corpus. Es begrenzen sich nunDenken und Denken, Körper und Körper, aber nicht Denken und Körper. Das tun sieaufgrund <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition, dass sich gleiche D<strong>in</strong>ge begrenzen, so dass sie sich verendlichen.Ist das Denken aber e<strong>in</strong>e res, e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g? Ja, wenn wir uns an Descartes‘ Bestimmung <strong>der</strong>e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> drei Substanzen er<strong>in</strong>nern, nämlich an <strong>die</strong> res cogitans, <strong>die</strong> mit <strong>der</strong> res extensazusammengenannt wird und beim Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat e<strong>in</strong>e Komposition bilden. Sp<strong>in</strong>ozaspricht hier demnach <strong>die</strong> Sprache des Descartes. Er spricht nicht nur <strong>die</strong> Sprache. Wir53
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