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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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ist, dass <strong>die</strong> Monadologie etwas mit e<strong>in</strong>er Theorie des Bewusstse<strong>in</strong>s zu tun hat <strong>in</strong>sofern,als es um <strong>die</strong> Frage nach den Perzeptionen, <strong>der</strong> Apperzeption, dem appetitus und <strong>der</strong>Seele geht. Nun, mit dem Satz 29, kommt im Rahmen <strong>der</strong> Metaphysik des Leibniz nunnotwendig e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frage <strong>in</strong>s Spiel. Der Paragraph lautet: „Indessen unterscheidet uns<strong>die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> notwendigen und ewigen Wahrheiten von den e<strong>in</strong>fachen Tieren undbefähigt uns zu Vernunft und Wissenschaften, <strong>in</strong>dem sie uns zur Erkenntnis unserer selbstund Gottes erhebt. Dies nennen wir vernünftige Seele o<strong>der</strong> Geist (esprit).“ DieserParagraph bestätigt, dass wir Leibniz e<strong>in</strong>e neuzeitlichen Aristoteliker nennen können,wenn er hier von <strong>der</strong> Ame raisonable ou Esprit spricht. Auch Aristoteles spricht <strong>die</strong>vernünftige Seele bzw. den nous nur dem Menschen bzw. dem Göttlichen zu. Was unsvon den Tieren unterscheidet, ist also nicht e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong> Seele schlechth<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong>vernünftige Seele. Mit ihr können wir <strong>die</strong> notwendigen und ewigen Wahrheiten erkennen.Damit erhält <strong>die</strong> Monadologie e<strong>in</strong>e etwas an<strong>der</strong>e Wendung. Jetzt geht Leibniz auf <strong>die</strong>traditionelleren metaphysischen Fragen e<strong>in</strong>. Auf dem Fundament <strong>der</strong> erläuterten Monadegeht es jetzt um den Menschen (bzw. se<strong>in</strong>e Seele) und Gott (wir er<strong>in</strong>nern uns an den Titel<strong>der</strong> Meditationen). So heißt es jetzt <strong>in</strong> Paragraph 30: „Durch <strong>die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong>notwendigen Wahrheiten und durch ihre Abstraktionen s<strong>in</strong>d wir auch zu den reflexivenAkten erhoben, <strong>die</strong> uns e<strong>in</strong> Ich denken und Betrachtungen darüber anstellen lassen, dass<strong>die</strong>s und jenes <strong>in</strong> uns ist: und so denken wir, wenn wir an uns denken, an das Se<strong>in</strong>, an <strong>die</strong>Substanz, an E<strong>in</strong>faches und Zusammengesetztes, an das Immaterielle und selbst an Gott,<strong>in</strong>dem wir begreifen, das, was <strong>in</strong> uns begrenzt ist, <strong>in</strong> ihm ohne Grenze ist. Und <strong>die</strong>sereflexiven Akte liefern <strong>die</strong> Hauptgegenstände unserer Vernunftschlüsse.“ Das könnte soetwas se<strong>in</strong>, wie e<strong>in</strong>e Kritik an Descartes. Inwiefern? Wenn Leibniz sagen will, dass wir, ume<strong>in</strong> Ich zu haben, um „reflexive Akte“ zu haben, Betrachtungen anstellen müssen überdas, was <strong>in</strong> uns ist, dann sche<strong>in</strong>t ja gerade Descartes‘ Zweifelgang dah<strong>in</strong> gelangen zuwollen, dass wir von dem absehen müssen, um e<strong>in</strong>fach auf den Akt des Denkens bzw. desZweifelns selbst zu kommen.Brauchen wir zu e<strong>in</strong>em reflexiven Akt wirklich <strong>die</strong> ewigen und notwendigen Wahrheiten?Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> ersten Meditation brauchen wir sie nur, um sie zu verne<strong>in</strong>en und <strong>in</strong> <strong>die</strong>sermethodischen Verne<strong>in</strong>ung den Vorgang <strong>der</strong> Verne<strong>in</strong>ung selbst als reflexiven Akt zuverstehen. Doch gewiss zeigt auch Descartes, dass wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Meditation nichtstehen bleiben können und dass <strong>die</strong> metaphysische Überlegung erst danach beg<strong>in</strong>nt. In<strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne hat Leibniz Recht, dass e<strong>in</strong>e Metaphysik des Selbst auf <strong>die</strong> ewigen undnotwendigen Wahrheiten und auch auf <strong>die</strong> Gottesfrage e<strong>in</strong>gehen muss. Denn nur damitkann e<strong>in</strong> reflexiver Akt auch als e<strong>in</strong> wirklicher Akt aufgefasst werden. Wenn er <strong>in</strong>Paragraph 29 von <strong>der</strong> Selbsterkenntnis spricht, dann gehört natürlich zu ihr viel mehr alsnur das Descarte‘sche cogito me cogitare. Freilich kann Selbsterkenntnis auch nie ohne<strong>die</strong>ses cogito me cogitare stattf<strong>in</strong>den, was jedoch zugegebenermaßen e<strong>in</strong>e Banalität ist.80

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