Uhrmacher Mühe kostet, <strong>die</strong> komplizierteste Uhr zu machen. Ihr Vermögen kommtgleichermaßen sowohl bei <strong>der</strong> Erzeugung des niedrigsten Insekts als auch bei <strong>der</strong> desansehnlichsten Menschen an den Tag; das Tierreich kostet sie nicht mehr Mühe als dasPflanzenreich, das größte Genie nicht mehr als e<strong>in</strong>e Getreide-Ähre.“ (133) Noch e<strong>in</strong>malbestätigt La Mettrie den mechanischen Charakter <strong>der</strong> Natur. Allerd<strong>in</strong>gs ist es vielleichtwahr, auf <strong>die</strong> ungeheuerliche Mannigfaltigkeit <strong>der</strong> Formen h<strong>in</strong>zuweisen, welche <strong>die</strong> Naturhervorzubr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist. Und dass <strong>die</strong> Natur wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat ke<strong>in</strong>enUnterschied macht zwischen e<strong>in</strong>em wun<strong>der</strong>lichen bunten Käfer und e<strong>in</strong>em Genie.An e<strong>in</strong>er Stelle spricht La Mettrie von den „Médéc<strong>in</strong>s éclairés“ (122), von den aufgeklärtenÄrzten also. Und so würde ich abschließend behaupten, dass La Mettrie e<strong>in</strong> Aufklärer ist,dass es ihm wirklich darum g<strong>in</strong>g, mündig selbst zu denken und sich nicht von denautoritativen Ideen <strong>der</strong> Metaphysiker und vor allem <strong>der</strong> Kirche bevormunden zu lassen.Vielleicht hat er es sich da o<strong>der</strong> dort etwas leicht gemacht. Sich so wesentlich auf dasGehirn zu berufen, aber ständig zu betonen, man weiß noch nichts darüber, ist zwaraufrichtig, aber nicht ganz unproblematisch. Zwar wird das Gehirn dadurch nicht gleichzum Gott <strong>der</strong> Metaphysiker, aber es kommt ihm nahe. Immerh<strong>in</strong> können wir sagen, dass,wissenschaftshistorisch gesehen, La Mettrie ansche<strong>in</strong>end <strong>in</strong>s Schwarze getroffen hat.La Mettrie ist e<strong>in</strong> Früh-Aufklärer. Doch zur Aufklärung gehört eben auch e<strong>in</strong> kritischesBewusstse<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> kritisches Bewusstse<strong>in</strong> vor allem auch gegen <strong>die</strong> Überlieferung <strong>der</strong>Tradition. Diese Tradition ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts das Denken <strong>der</strong>Metaphysik. Sie gerät also immer mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Blick, <strong>der</strong> sich mit den alten Lösungeno<strong>der</strong> Nichtlösungen <strong>der</strong> Probleme nicht mehr zufriedenstellt. Das lässt sich auch an e<strong>in</strong>emBuch zeigen, das nur e<strong>in</strong> Jahr später als <strong>der</strong> „L‘homme mach<strong>in</strong>e“ erschienen ist. Eshandelt sich um David Humes „An enquiry concern<strong>in</strong>g human un<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g“, das 1748veröffentlicht wurde. La Mettrie und Hume - sie können m.E. durchaus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enhistorischen Zusammenhang gebracht werden.David Hume wurde 1711 <strong>in</strong> Ed<strong>in</strong>burgh geboren und starb genau da 1776. Er ist e<strong>in</strong>Zeitgenosse Rousseaus, <strong>der</strong> 1712 geboren wurde und 1778 starb. Mit Rousseau gab esauch e<strong>in</strong>e biographisch Berührung, <strong>die</strong> uns aber hier nicht <strong>in</strong>teressieren soll. Über HumesLeben braucht nicht viel gesagt zu werden. Ihm blieb e<strong>in</strong>e Universitätskarriere verwehrt,selbst wenn er - vor allem im Alter - e<strong>in</strong> immer e<strong>in</strong>flussreicherer Philosoph war. Nicht nur<strong>die</strong> „Untersuchung über den menschlichen Verstand“ ist wichtig, son<strong>der</strong>n auch „An enquiryconcern<strong>in</strong>g the pr<strong>in</strong>ciples of morals“ von 1751 und <strong>die</strong> posthum erschienenen „Dialoguesconcern<strong>in</strong>g natural religion“.Es ist bekannt, auf wen nun Hume vor allem e<strong>in</strong>en großen E<strong>in</strong>fluss ausübte: „Ich gestehefrei: <strong>die</strong> Er<strong>in</strong>nerung David Humes war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst94
den dogmatischen Schlummer unterbrach und me<strong>in</strong>en Untersuchungen im Felde <strong>der</strong>spekulativen <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Richtung gab.“, schreibt ke<strong>in</strong> Ger<strong>in</strong>gerer alsImmanuel Kant <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorrede zu den „Prolegomena“ (1783). Der „dogmatischeSchlummer“, das ist <strong>der</strong> leichte Schlaf, <strong>in</strong> dem sich Kant vor <strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Vernunft“befand, <strong>in</strong> dem er alles Lehrhafte, was <strong>die</strong> Tradition <strong>der</strong> Metaphysik so mit sich führte,unbefragt - unkritisch - anerkannte. Hume war es, <strong>der</strong> das än<strong>der</strong>te. Freilich hätte erÄhnliches auch über La Mettrie gesagt haben können; ähnliches, nicht dasselbe, weil <strong>in</strong><strong>der</strong> Tat Hume hier breiter aufgestellt ist - wie wir sagen - als La Mettrie.Ich beziehe mich - wie gesagt - e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> auf <strong>die</strong> „Untersuchung über denmenschlichen Verstand“. Was vorher schon häufiger betont wurde, dass <strong>die</strong> Metaphysikselbst <strong>in</strong> den kritischen Blick <strong>der</strong> Philosophen kommt, bestätigt sich nun bei Hume wörtlich.Im ersten Abschnitt se<strong>in</strong>er Untersuchung beschäftigt er sich mit dem „verschiedenen Arten<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“. Dabei betont er <strong>die</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er „genauen und richtigenVernunfttätigkeit“. Sie alle<strong>in</strong> ist imstande, „jene unzugängliche <strong>Philosophie</strong> und dasmetaphysische Kau<strong>der</strong>welsch zu zerstören, welches, vermischt mit demVolksaberglauben, <strong>die</strong>selbe für sorglose Denker gewissermaßen undurchdr<strong>in</strong>glich machtund ihr das Ansehen von Wissenschaft und Weisheit verleiht“. An<strong>der</strong>s gesagt: „Hier<strong>in</strong> liegtallerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> gerechteste und e<strong>in</strong>leuchtendste Vorwurf gegen e<strong>in</strong>en beträchtlichen Teil<strong>der</strong> Metaphysik: daß sie nicht eigentlich e<strong>in</strong>e Wissenschaft ist, son<strong>der</strong>n entwe<strong>der</strong> dasErgebnis fruchtloser Anstrengungen <strong>der</strong> menschlichen Eitelkeit, welche <strong>in</strong> Gegenständee<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen möchte, <strong>die</strong> dem Verstand durchaus unzugänglich s<strong>in</strong>d, ob <strong>der</strong> aber das listigeWerk des Volksaberglaubens, welcher auf offenem Plan sich nicht verteidigen kann undh<strong>in</strong>ter <strong>die</strong>sem Gestrüpp Schutz und Deckung für se<strong>in</strong>e Schwäche sucht.“ (Stil!) Icher<strong>in</strong>nern an La Mettrie, <strong>der</strong> schreibt: „Welche Verrücktheit, sich damit abzuquälen, wasman unmöglich erkennen kann und was uns nicht glücklicher machen würde, würden wires bewerkstelligen.“ (87) Das ist auch Humes Schritt gegen <strong>die</strong> Metaphysik. Sie operiertmit D<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> dem Verstand notwendig dunkel bleiben. Ihr muss daher <strong>der</strong> Rang e<strong>in</strong>erechten „Wissenschaft“ abgesprochen werden. Nicht an<strong>der</strong>s als später Kant for<strong>der</strong>t Hume,dass sich <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>die</strong> Strenge e<strong>in</strong>er mathematischen Wissenschaft zum Vorbildnehmen solle. Er er<strong>in</strong>nert an Newton.Descartes, Hobbes, Sp<strong>in</strong>oza und auch Leibniz haben <strong>die</strong> Mathematik stets als <strong>die</strong>Meistermethode des Denkens betrachtet. Daher stammt dann auch <strong>die</strong> steile Bedeutungdes mos geometricus beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Ethik“ des Sp<strong>in</strong>oza. Auch Hume und später Kanthaben <strong>die</strong> Vorbildfunktion <strong>der</strong> Mathematik betont. Das Vorbild <strong>der</strong> Mathematik alsstrengste Form des Denkens gilt für alle neuzeitlichen Philosophen - sagen wir bis zumDeutschen Idealismus (Hegel kritisiert <strong>die</strong> Mathematik). Die Mathematik kann es demnachnicht se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Hume von den vorher genannten neuzeitlichen Philosophen unterscheidet.Die Mathematik ist als solche ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Regulativ <strong>der</strong> Metaphysik. Das bezeugt ja95
- Seite 1 und 2:
Einführung in die Philosophie der
- Seite 3 und 4:
Eine Sicht, die ich persönlich fav
- Seite 5 und 6:
letzthinnigen Prüfung dessen, was
- Seite 7 und 8:
auf die Staatsform als solche, auf
- Seite 9 und 10:
See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e
- Seite 11 und 12:
Descartes natürlich nicht so. Bei
- Seite 13 und 14:
Ich möchte bevor ich zu dem Aufbau
- Seite 15 und 16:
als Grundsätze. Wieder geht es als
- Seite 17 und 18:
Doch - der Zweifelsgang ist noch ni
- Seite 19 und 20:
zwischen den beiden endlichen Subst
- Seite 21 und 22:
und unrichtig halten - das ist eben
- Seite 23 und 24:
Dritte VorlesungIn der letzten Woch
- Seite 25 und 26:
Descartes, nicht so sehr täuschen,
- Seite 27 und 28:
Es gibt einen bösen Geist, der mic
- Seite 29 und 30:
für „subjektiv“ halten, das ha
- Seite 31 und 32:
Im Folgenden beschäftigt sich Desc
- Seite 33 und 34:
In Bezug auf die Kausalität führt
- Seite 35 und 36:
Vierte VorlesungAm Beginn dieser Vo
- Seite 37 und 38:
Methode bezeichnet, für die die Ma
- Seite 39 und 40:
ein Ungeheuer, das von Gott kontrol
- Seite 41 und 42:
sage Kennzeichnen, wenn wir für un
- Seite 43 und 44: Aus dieser Situation entsteht eine
- Seite 45 und 46: ei Machiavelli - in der Staatsgrün
- Seite 47 und 48: Ich habe dabei zunächst darauf hin
- Seite 49 und 50: Naturgesetze kennenzulernen, sonder
- Seite 51 und 52: die Abwesenheit von Krieg (wie Hobb
- Seite 53 und 54: Deo. Sie lautet: „1. Per causam s
- Seite 55 und 56: finden ist. Wir werden sehen, dass
- Seite 57 und 58: Sechste VorlesungHegel schreibt üb
- Seite 59 und 60: geben - es wird eine geben so, wie
- Seite 61 und 62: Damit ist gemeint, dass wir uns not
- Seite 63 und 64: Erkenntnis zugänglich ist, keine Z
- Seite 65 und 66: glauben, er könnte das auch noch a
- Seite 67 und 68: Siebente Vorlesung„Verflucht sei
- Seite 69 und 70: Also die „Monadologie“. Da ist
- Seite 71 und 72: umstellen noch sich eine innere Bew
- Seite 73 und 74: Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
- Seite 75 und 76: eginnt: „Das Gedächtnis liefert
- Seite 77 und 78: offenbar auch kein Fenster haben ka
- Seite 79 und 80: Die Kritik an den Cartesianern ist
- Seite 81 und 82: Die Differenz zum Tier ist also nic
- Seite 83 und 84: Mathematik, was wenig überzeugt (d
- Seite 85 und 86: Böse möglich, wenn doch Gott notw
- Seite 87 und 88: Hegel schreibt in seiner Vorrede zu
- Seite 89 und 90: Körper keinen Unterschied zu geben
- Seite 91 und 92: Gegenstand nähern will. Das ist fr
- Seite 93: demnach in der Materie das Denken,
- Seite 97 und 98: entwickeln. Ein Blinder kann sich k
- Seite 99 und 100: Für Hume steht aber zunächst etwa