Dass es verschiedene Zuschreibungen gibt - und dass <strong>die</strong>se auch als „möglich“ anerkannts<strong>in</strong>d, zeigt bereits, dass <strong>die</strong> Epochen nicht so monolithisch s<strong>in</strong>d, wie wir sie zumeistverstehen. Die Epochen selbst s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich vielfältig, versammeln Unterschiede,Spannungen <strong>in</strong> sich. Und es s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se Spannungen, <strong>die</strong> dann schließlich zu e<strong>in</strong>em Endeführen. Dann nämlich offenbar, wenn <strong>die</strong> Spannungen zu stark werden, wenn e<strong>in</strong> Gedankeo<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Phänomen nicht mehr e<strong>in</strong>gebunden werden kann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tradition, <strong>in</strong> dasGewohnte etc. Lassen Sie uns e<strong>in</strong>en Blick auf <strong>die</strong> Epochenschwelle zwischen demMittelalter und <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong> werfen - zunächst e<strong>in</strong>mal ganz allgeme<strong>in</strong>, dann <strong>in</strong> Bezug auf<strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> und d.h. am Ausgang des Mittelalters: auf <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>in</strong> ihrem Bezugzur Religion, d.h. zum Christentum.In <strong>der</strong> historischen Sichtweise kann z.B. so etwas wie <strong>die</strong> Entdeckung Amerikas vonChristoph Kolumbus im Jahre 1492 als <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong> gefasst werden. OhneZweifel hat <strong>die</strong> Entdeckung <strong>die</strong>ses an<strong>der</strong>en Kont<strong>in</strong>ents das Weltverständnis desMittelalters revolutioniert. Man traf auf Menschen, <strong>die</strong> ganz offensichtlich nicht christlichlebten - und das auch ganz gut konnten. Freilich reagierte <strong>die</strong> alte Welt zunächst daraufmit Eroberung und Massenmord - aber dennoch hatte das geschlossene Bild desMittelalters e<strong>in</strong>en Sprung bekommen.O<strong>der</strong> - e<strong>in</strong>e überaus wichtige Entdeckung, wichtiger vielleicht noch als <strong>die</strong> Amerikas - war<strong>die</strong> Erf<strong>in</strong>dung o<strong>der</strong> Verbesserung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg <strong>in</strong> <strong>der</strong>ersten Hälfte des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Dieses Me<strong>die</strong>n-Ereignis stellt e<strong>in</strong>en überaus großenE<strong>in</strong>schnitt dar, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s auf <strong>die</strong> Wissenschaften und dabei auch auf <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong>größten E<strong>in</strong>fluss ausübte. Das Buch wurde zu e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong> zugänglichen Gegenstand.Dem entsprach dann e<strong>in</strong>e verstärkte Alphabetisierung <strong>der</strong> Menschen, mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellenLektüre dann e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bedeutung des <strong>in</strong>dividuellen Denkens überhaupt.Die Philosophen ten<strong>die</strong>ren für gewöhnlich dazu, <strong>die</strong> me<strong>die</strong>nhistorischen Großereignisse zuvernachlässigen, so als wäre <strong>der</strong> Buchdruck nicht etwas wichtiges für das Denken - nichtnur übrigens für <strong>die</strong> Verbreitung, son<strong>der</strong>n auch für <strong>die</strong> Art und Weise des Denkens. StellenSie sich vor, dass Sie gar nicht <strong>die</strong> Möglichkeit haben, e<strong>in</strong>en Text <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissenAuflagenzahl zu verteilen, dass Sie womöglich auf e<strong>in</strong>e Handschrift, <strong>die</strong> nur wie<strong>der</strong>abgeschrieben werden kann, angewiesen s<strong>in</strong>d. (Das lässt sich auf den Übergang von <strong>der</strong>mechanischen o<strong>der</strong> elektrischen Schreibmasch<strong>in</strong>e zum Computer übertragen. DasArbeiten am Computer hat <strong>die</strong> Herstellung e<strong>in</strong>es Textes noch e<strong>in</strong>mal tief verän<strong>der</strong>t. Soetwas lässt auch das Denken selber nicht unberührt. Die Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Produktionvon Texten ist e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e geworden. Vielleicht ist auch das Denken schnellergeworden, vielleicht musste es schneller werden - was für <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> aber schlechtist. Zurück zur <strong>Neuzeit</strong>.)2
E<strong>in</strong>e Sicht, <strong>die</strong> ich persönlich favorisiere, <strong>die</strong> mit <strong>der</strong> Erf<strong>in</strong>dung des Buchdruckszusammenhängt, ist <strong>die</strong> Emanzipation <strong>der</strong> Naturwissenschaft zu e<strong>in</strong>em zwischen Theorieund Experiment sich entwickelndem Wissen. Was me<strong>in</strong>t das? Nehmen wir Aristoteles,<strong>die</strong>ser für das ganze Mittelalter wichtige Philosoph (nun könnte man schon sagen: ja aber,Platon war auch wichtig und Plot<strong>in</strong> etc. - jede Epoche ist vielfältiger als wir me<strong>in</strong>en).Aristoteles prägt e<strong>in</strong> gewisses Verständnis <strong>der</strong> θεωρία. Das Höchste, was <strong>der</strong> Philosophleisten kann, ist <strong>die</strong> Betrachtung des Göttlichen, das als das sich selber denkende Denkencharakterisiert wird. Das ist <strong>die</strong> Theorie - re<strong>in</strong>e Betrachtung des sich selber Denkens. Daskonnte sehr gut auf das Christentum übertragen werden. Der Philosoph des Mittelalters -nicht selten Mönch - betrachtet Gott und nichts an<strong>der</strong>es. Das neuzeitliche Verständnis <strong>der</strong>Theorie bezieht sich aber vor allem auf <strong>die</strong> Natur, wobei <strong>die</strong>se nun Gegenstand <strong>der</strong>Betrachtung wird. Da ist dann wichtig, dass jede Aussage über <strong>die</strong> Natur auf ihrenWahrheitsgehalt h<strong>in</strong> befragt wird. Nehmen wir das sogenannte geozentrische o<strong>der</strong>ptolemäische Weltbild, das für das ganze Mittelalter verb<strong>in</strong>dlich war. Claudius Ptolemäuslebte zwischen 100 und 160 nach Christi Geburt. Er war e<strong>in</strong> Mathematiker, <strong>der</strong> auf Grundvon bestimmten sehr groben Beobachtungen <strong>die</strong> Theorie aufstellte, wonach sich <strong>die</strong>Sonne wie auch an<strong>der</strong>e Planeten um <strong>die</strong> Erde bewegen. Dieses geozentrische Weltbildwurde durch Nicolaus Kopernikus (1473-1543) revolutioniert. Nicht <strong>die</strong> Erde bef<strong>in</strong>det sichim Mittelpunkt des Universums, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Sonne. Doch Kopernikus hatte <strong>die</strong>se Theorie<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk De revolutionibus orbium coelestium wie<strong>der</strong>um eben nur als e<strong>in</strong>emathematische Hypothese e<strong>in</strong>geführt. Damit konnte sich das Mittelalter, sprich: konntesich das Christentum und auch Rom durchaus arrangieren. Hier stand sozusagen e<strong>in</strong>eHypothese gegen das geozentrische Weltbild, nach dem <strong>die</strong> Erde das Zentrum desUniversums se<strong>in</strong> musste, weil es dem Willen Gottes entsprach. Das wurde aber <strong>in</strong> <strong>die</strong> Luftgesprengt, als e<strong>in</strong> gewisser Galileo Galilei (1564-1642) begann, <strong>die</strong> technischenInnovationen se<strong>in</strong>er Zeit, sprich: e<strong>in</strong> Teleskop (bzw. e<strong>in</strong> Mikroskop) <strong>in</strong> <strong>der</strong>Naturbetrachtung anzuwenden. Nun g<strong>in</strong>g es nicht mehr um Hypothesen, son<strong>der</strong>n um ihreVerifikation o<strong>der</strong> Falsifikation. Die Naturwissenschaft begann, experimentell gesichertesWissen zu for<strong>der</strong>n und e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Das war e<strong>in</strong> ganz neues Verständnis von „Wissen“überhaupt. Auch <strong>die</strong> Philosophen des Mittelalters sprachen von e<strong>in</strong>em „Wissen“ und von<strong>der</strong> „Wahrheit“ - doch wie noch Aristoteles hätten sie nicht daran gedacht, dass nur das alswirkliches „Wissen“ gelten dürfe, was sich empirisch verifizieren ließe - e<strong>in</strong> Gedanke, <strong>der</strong>übrigens <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> bis heute sehr wesentlich betrifft. Der Übergang vom Mittelalterzur <strong>Neuzeit</strong> hängt demnach u.a. auch mit <strong>der</strong> Bedeutung zusammen, <strong>die</strong> wir <strong>der</strong> Technikund dem naturwissenschaftlichen Begriff des „Wissens“ zuschreiben. Es leuchtet e<strong>in</strong>, dass<strong>die</strong>se Zuschreibung auch mit <strong>der</strong> Erf<strong>in</strong>dung des Buchdrucks zusammenhängt. Denn auch<strong>die</strong>se war ja nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Technologie.Noch e<strong>in</strong> Gedanke: wenn wir sagen können, <strong>die</strong> Technik ist an <strong>der</strong> Epochenschwelle vomMittelalter zur <strong>Neuzeit</strong> von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung, dann könnte dagegen e<strong>in</strong>gewendet3
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geben - es wird eine geben so, wie
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offenbar auch kein Fenster haben ka
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demnach in der Materie das Denken,
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa