Wie also hält <strong>der</strong> Mensch im Geme<strong>in</strong>wesen Ruhe? Indem er se<strong>in</strong> Recht auf Alles delegiert.An wen? An e<strong>in</strong>en Menschen o<strong>der</strong> an e<strong>in</strong>e Versammlung von Menschen - wie Hobbesimmer wie<strong>der</strong> sagt. Das ist <strong>der</strong> Ursprung des Souveräns bzw. <strong>der</strong> Souveränität. D.h. ich -so Hobbes - übertrage <strong>die</strong>sem Souverän das Recht, mich zu regieren, wenn auch du ihm<strong>die</strong>ses Recht erteilst (an<strong>der</strong>nfalls gilt wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kriegszustand). Das ist eben <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n desVertrags, den alle mit allen schließen - natürlich nicht konkret, aber doch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>esLebens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>wesen. (Ich habe nie mit Ihnen ausgemacht, dass Sie mich nichterschießen, ich Sie nicht erschieße - aber doch halten wir uns daran - warum?)Wir halten uns an den Vertrag, weil wir an den Souverän das Recht auf Alles abgegebenhaben, das Recht auf Alles, das impliziert, dass wir auch den An<strong>der</strong>en nehmen o<strong>der</strong> dasswir ihm das Leben nehmen können, wenn wir es müssen. Der Souverän hat - als E<strong>in</strong>zigerim Geme<strong>in</strong>wesen - das Recht zu töten, er besitzt das Schwert. Er ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat <strong>der</strong>absolute Souverän, dem Legislative, Exekutive und Jurisdiktion eignen - wäre das nicht<strong>der</strong> Fall, wäre er überhaupt ke<strong>in</strong> Souverän mehr im S<strong>in</strong>ne Hobbes‘. Also - ich sehe davonab, Sie zu töten, weil ich dann vom Souverän getötet werden kann. Die zw<strong>in</strong>gende Macht,<strong>die</strong> noch stärker als unsere Gemütsbewegungen ist, weil sie sich selber als e<strong>in</strong> Affekt undzwar als <strong>der</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich stärkste Affekt überhaupt äußert, ist <strong>die</strong> Angst vor demgewaltsamen Tod. Das ist <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zigartige Macht des Leviathan, dass er das Recht hat, zutöten. Dieser Tod muss auch deshalb notwendig gewaltsam se<strong>in</strong>, weil vom E<strong>in</strong>zelnen nichterwartet werden kann, dass er auf se<strong>in</strong>e Freiheit, se<strong>in</strong>en eigenen Körper zu verteidigen,verzichtet.Der Vertrag wird e<strong>in</strong>gehalten, weil <strong>der</strong> Souverän tötet, weil er töten kann. Diese Macht istfür den Leviathan unverzichtbar. Sie hat nicht unbed<strong>in</strong>gt etwas mit <strong>der</strong> Legalität <strong>der</strong>Todesstrafe zu tun - wenn natürlich <strong>die</strong>se auch bei Hobbes als höchste mögliche Strafe(noch über <strong>der</strong> Folter) gegeben ist. Es geht vielmehr um e<strong>in</strong> Gewaltmonopol, nachwelchem <strong>der</strong> Staat den E<strong>in</strong>zelnen, <strong>der</strong> sich gegen den Staat wendet, gegen dasGeme<strong>in</strong>wesen wendet, töten kann. So gibt es z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD zwar ke<strong>in</strong>e Todesstrafe,aber es gibt bei <strong>der</strong> Polizei freilich das Recht, <strong>die</strong> körperliche Unversehrtheit <strong>der</strong> Exekutivezu sichern. D.h. es gibt e<strong>in</strong> Recht, e<strong>in</strong>en Angriff auf den Staat durch den Tod abzuwenden.(Über das „Recht“ <strong>der</strong> Demokratie im Zustand <strong>der</strong> Bedrohung kann man sich e<strong>in</strong>enÜberblick verschaffen, wenn man sich e<strong>in</strong>mal anguckt, was <strong>in</strong> den siebziger Jahren desletzten Jahrhun<strong>der</strong>ts mit <strong>der</strong> so genannten Roten Armee Fraktion geschah.)Der Leviathan von Thomas Hobbes ist e<strong>in</strong> gewaltiges Werk, dessen Wirkungsgeschichtenoch nicht an e<strong>in</strong> Ende gekommen ist. Dennoch ist es ziemlich bald kritisiert worden.Hören wir Folgendes: „Von e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>wesen, dessen Untertanen nicht zu den Waffengreifen, weil sie durch Furcht e<strong>in</strong>geschüchtert s<strong>in</strong>d, läßt sich eher sagen, daß es ohneKrieg ist, als daß es sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand des Friedens bef<strong>in</strong>det. Frieden nämlich ist nicht50
<strong>die</strong> Abwesenheit von Krieg (wie Hobbes behauptet), son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Tugend (virtus), <strong>die</strong>e<strong>in</strong>er Stärke des Charakters entspr<strong>in</strong>gt“. E<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wesen, „bei dem <strong>der</strong> Frieden von <strong>der</strong>Verzagtheit <strong>der</strong> Untertanen abhängt, <strong>die</strong> man wie e<strong>in</strong>e Herde führt, um sie lediglich zuSklaven abzurichten“, kann man „angemessener ,E<strong>in</strong>öde‘ als ,Geme<strong>in</strong>wesen‘ nennen“.Das schreibt rund zwanzig Jahre nach Hobbes Leviathan e<strong>in</strong> gewisser Baruch de Sp<strong>in</strong>oza<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tractatus politicus. Sp<strong>in</strong>oza will Hobbes mit <strong>die</strong>sem Gedanken treffen - undvielleicht trifft er auch etwas. Doch es lässt sich nicht sagen, dass se<strong>in</strong> Tractatus politicusden Leviathan etwa verdrängt hätte. Es wird sich vielmehr sagen lassen, dass <strong>der</strong>Leviathan <strong>die</strong> Konzeption e<strong>in</strong>er Politik enthält und darstellt, <strong>die</strong> nach wie vor e<strong>in</strong>igeÜberzeugungskraft hat.Dennoch hat Sp<strong>in</strong>oza zum neuzeitlichen Denken etwas beigetragen, was wir bei Hobbesso nicht f<strong>in</strong>den. Weniger aber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tractatus politicus, <strong>der</strong> sich mit Hobbesbeschäftigt, als <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tractatus theologico-politicus von 1670 und vor allem mit <strong>der</strong>Schrift Ethica ord<strong>in</strong>e geometrico demonstrata, <strong>der</strong> 1677, d.h. posthum veröffentlichtenHauptschrift des Philosophen, <strong>die</strong> allerd<strong>in</strong>gs vor dem Tractatus theologico-politicusentstand. 1677 war also Sp<strong>in</strong>oza schon tot. Er starb im Februar 1677 und wurde 1632 <strong>in</strong>Amsterdam, im jüdischen Getto, geboren. Das bedeutet, dass Hobbes früher geborenwurde und später starb (1588-1679). Wie ich bereits sagte, e<strong>in</strong> ungewöhnliches Alter,wobei Sp<strong>in</strong>oza natürlich auch ziemlich früh starb.Sp<strong>in</strong>ozas Biographie ist - wie auch <strong>die</strong> von Descartes - <strong>in</strong>teressant, vielleicht noch<strong>in</strong>teressanter. Sp<strong>in</strong>oza wurde nämlich schon früh, so um 1655, aus se<strong>in</strong>er jüdischenGeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Amsterdam ausgestoßen und mit e<strong>in</strong>em Bann belegt, wonach den Judenverboten wurde, sich mit Sp<strong>in</strong>oza schriftlich o<strong>der</strong> mündlich zu verständigen. Offenbarwaren se<strong>in</strong>e Gedanken zu freis<strong>in</strong>nig. Davon gibt se<strong>in</strong> Tractatus theologico-politicusAuskunft, das erste Werk, das e<strong>in</strong>e konsequente Bibelkritik vorträgt, d.h. das auf e<strong>in</strong>egewisse Weise Religionskritik übt, ohne allerd<strong>in</strong>gs etwa <strong>die</strong> Religion als solcheanzugreifen. Vielmehr geht es ihm z.B. um e<strong>in</strong>e Trennung von Religion und Staat, wasnatürlich zu se<strong>in</strong>er Zeit ke<strong>in</strong> Gedanke war, den man öffentlich diskutieren konnte.Sp<strong>in</strong>oza war schon zu Lebzeiten e<strong>in</strong>e berüchtigte Gestalt, <strong>die</strong> nur unter dem Schutz <strong>der</strong>Brü<strong>der</strong> de Witt <strong>in</strong> Den Haag e<strong>in</strong>igermaßen unbehelligt leben konnte. Geld erhielt er z.T.von <strong>die</strong>sen reichen liberalen Politikern sowie aus se<strong>in</strong>er Tätigkeit des L<strong>in</strong>senschleifens fürMikro- und Teleskope. Er war immerh<strong>in</strong> so berühmt, dass ihm <strong>die</strong> Universität Heidelberge<strong>in</strong>e Stelle anbot, <strong>die</strong> er mit <strong>der</strong> Mitteilung ablehnte, dass er als öffentlicher Professor nichtdas hätte denken können, was er denken wollte. Er starb dann recht früh. Er lebte sehre<strong>in</strong>fach, und war - nach all den Zeugen - <strong>die</strong> ihm begegneten, e<strong>in</strong> sehr freundlicher Mann -ganz im Gegensatz zu se<strong>in</strong>em Ruf, dem ihn <strong>der</strong> Tractatus theologico-politicus und vorallem <strong>die</strong> Ethik e<strong>in</strong>brachte. Mit <strong>der</strong> möchte ich mich im Folgenden beschäftigen.51
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