10.07.2015 Aufrufe

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

Einführung in die Philosophie der Neuzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

jeden Ursache-Wirkungs-Schritt rekonstruieren könnten. Irgendwann hat sich über jenemMeer irgende<strong>in</strong> W<strong>in</strong>d erhoben, <strong>der</strong> dann irgendwann <strong>die</strong>se locker auf dem Dach liegendeDachpfanne dazu brachte zu fallen. Dieser Mensch da war gerade unterwegs, um <strong>die</strong>so<strong>der</strong> das zu erledigen, bzw. er hatte gerade Lust <strong>die</strong>sen Fuss vor se<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en zusetzen und dann viel <strong>die</strong> Dachpfanne. Das ist <strong>in</strong>sgesamt für Sp<strong>in</strong>oza nichts an<strong>der</strong>es alse<strong>in</strong> mechanisches Gesetz <strong>in</strong> Anwendung. Dass wir das Zufall nennen, das kommt daher,dass wir uns eben Zweckursachen e<strong>in</strong>bilden und wir dar<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Zweck erkennenkönnen. Zufall wäre so gesehen <strong>die</strong> Unmöglichkeit, alle Kausalkettenzusammenzurechnen, <strong>die</strong> zu jenem Dachpfannenfall auf den Kopf führte. „Zufall aber wirde<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g aus ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Grund genannt als wegen unserer mangelhaftenErkenntnis“, sagt Sp<strong>in</strong>oza. In Wirklichkeit aber war alles genau bestimmt, genaudeterm<strong>in</strong>iert.Alles ist determ<strong>in</strong>iert, es gibt ke<strong>in</strong>en Zufall. Nun fehlt vielleicht noch <strong>der</strong> letzte radikaleSchritt, <strong>der</strong> dazu führte, dass Sp<strong>in</strong>oza von den meisten Intellektuellen se<strong>in</strong>er Zeit als e<strong>in</strong>Monster betrachtet wurde. In <strong>der</strong> Propositio 33 heißt es: „Die D<strong>in</strong>ge konnten auf ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e Weise und <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als siehervorgebracht worden s<strong>in</strong>d.“ Hervorgebracht heißt hier im late<strong>in</strong>ischen: producere.Sp<strong>in</strong>oza will nicht nur darauf h<strong>in</strong>weisen, dass es ke<strong>in</strong>en Zufall gibt, son<strong>der</strong>n dass Gott, <strong>der</strong>mit <strong>der</strong> Natur identisch ist, alles mit „höchster Vollkommenheit“ (summa perfectione)produziert hat. Von Descartes hatten wir ja noch gehört, dass er sich e<strong>in</strong>en Gott vorstellenkann, <strong>der</strong> uns täuscht, <strong>der</strong> womöglich sogar <strong>die</strong> mathematischen Gesetze vortäuscht, weiler sie je<strong>der</strong>zeit neu def<strong>in</strong>ieren könnte. Das ist e<strong>in</strong>er franziskanischen Gottesvorstellunggeschuldet, <strong>die</strong> auf Duns Scotus und Wilhelm von Ockham zurückgeht. Gott ist <strong>der</strong>absolute Schöpfer, <strong>der</strong> auch <strong>die</strong> mathematischen Gesetze geschaffen hat. Weil siegeschaffen s<strong>in</strong>d, kann er sie stets und plötzlich neu schaffen, so groß ist se<strong>in</strong>e Macht. BeiDescartes geht das so weit, dass er e<strong>in</strong>e creatio cont<strong>in</strong>ua denkt, d.h. er me<strong>in</strong>t, dass je<strong>der</strong>Zeitpunkt e<strong>in</strong>en schaffenden Gott voraussetzt. Das me<strong>in</strong>t: Gott schafft jeden Augenblick<strong>die</strong> mathematischen Gesetze, wie sie s<strong>in</strong>d. Das me<strong>in</strong>t wie<strong>der</strong>um: er könnte sie auchan<strong>der</strong>s schaffen bzw. sie könnten auch ganz aufhören, wenn Gott es wollte. Das nenntman Voluntarismus.Für Sp<strong>in</strong>oza ist <strong>die</strong> Natur e<strong>in</strong>e notwendige Produktion, d.h. <strong>die</strong> geometrischen Gesetzekonnten nur so produziert werden, wie sie eben produziert wurden. Sie s<strong>in</strong>d daher auchvon höchster Vollkommenheit, es gibt an den geometrischen Gesetzen nichtsauszusetzen, es fehlt ihnen nichts. Es fehlt auch den Bäumen nichts, es fehlt auch demmenschlichen Körper nichts. Und wenn es kranke Körper gibt, dann ist das e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weisdarauf, dass <strong>die</strong> Produktion kranker Körper e<strong>in</strong>en größeren Reichtum von Körpernbedeutet - was dann wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e höhere Vollkommenheit <strong>der</strong> Produktion darstellt. Dasme<strong>in</strong>t: Gott konnte alles mit Notwendigkeit nur so produzieren, wie es produziert ist. Zu64

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!