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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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eg<strong>in</strong>nt: „Das Gedächtnis liefert den Seelen e<strong>in</strong>e Art Verknüpfung, welche <strong>die</strong> Vernunftnachahmt, <strong>die</strong> davon aber unterscheiden werden muss.“ (<strong>die</strong> Verknüpfung ahmt <strong>die</strong>Vernunft nach, nicht an<strong>der</strong>sherum). Das Gedächtnis ist also ansche<strong>in</strong>end nicht immer dasklare Bewusstse<strong>in</strong> von etwas. Es gibt e<strong>in</strong> Gedächtnis, das vielleicht etwas enthält, wassich nicht e<strong>in</strong>fach so aufrufen lässt. So ist für Leibniz auch folgendes e<strong>in</strong> Gedächtnis.Würde man e<strong>in</strong>en Hund e<strong>in</strong> paarmal mit e<strong>in</strong>em bestimmten Stock schlagen, so würde<strong>die</strong>ser gewiss vor dem Stock fliehen, wenn er ihn nur sieht (das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Dressur). Dasme<strong>in</strong>t also, dass <strong>der</strong> Hund e<strong>in</strong> Gedächtnis des Stocks hat, wobei man gewiss nicht sagenkann, er hat e<strong>in</strong> klares Bewusstse<strong>in</strong> davon, vor allem weil er sich wohl auch nicht ohneden Stock selbst an den Stock er<strong>in</strong>nern könnte. Aber egal: <strong>der</strong> Hund muss etwas <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erSeele zurückbehalten haben, denn sonst könnte er auf <strong>die</strong>se Weise nicht auf den Stockreagieren. Im Übrigen gibt es solche Trigger auch bei Menschen - irgende<strong>in</strong>e Sache löste<strong>in</strong>e psychische Reaktion aus, wobei wir meistens gar nicht wissen, was das gewesen ist.Das sagt auch Leibniz (28): „Die Menschen handeln wie <strong>die</strong> Tiere, <strong>in</strong>sofern <strong>die</strong>Verknüpfungen ihrer Perzeptionen sich nur gemäß dem Pr<strong>in</strong>zip des Gedächtnissesgestalten; ähnlich den empirischen Ärzten, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Praxis ohne Theorie haben;und bei drei Vierteln unserer Handlungen s<strong>in</strong>d wir selbst nur Empiriker. Erwartet man zumBeispiel, daß morgen wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Tag se<strong>in</strong> wird, weil es bisher immer so war, handelt manals Empiriker. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Astronom urteilt darüber vernunftgemäß.“ E<strong>in</strong>e seltsame Stelle.Insofern wir empirisch handeln, bewegen wir uns auf <strong>der</strong> Ebene des Tieres. Das Pr<strong>in</strong>zipsche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Gewöhnung an das Sich Wie<strong>der</strong>holende, <strong>die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung, zuse<strong>in</strong>. So wie <strong>der</strong> Hund sich daran gewöhnt, bei Ansicht des Stocks zu gehorchen, sogewöhnen wir uns an <strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass morgen auch wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Tag se<strong>in</strong> muss, weil dasbisher immer so gewesen ist. Dass das notwendig so se<strong>in</strong> müsse, könne nur <strong>der</strong> Astronomwissen. Ich frage nun nicht, ob <strong>der</strong> Hund wirklich jemals davon ausgehen könnte, dassmorgen noch e<strong>in</strong> Tag ist. Will sagen: <strong>die</strong>se Me<strong>in</strong>ung setzt doch immerh<strong>in</strong> voraus, dass wire<strong>in</strong>e Erfahrung verallgeme<strong>in</strong>ern können (zu Unrecht, me<strong>in</strong>t Leibniz). Der Hund kann daswahrsche<strong>in</strong>lich nicht.Ich halte fest, dass sich Leibniz <strong>in</strong> ungefähr den ersten dreißig Sätzen <strong>der</strong> Paragraphenmit dem Charakter <strong>der</strong> Monade beschäftigt <strong>in</strong>sofern, dass er e<strong>in</strong>e strukturelleBestandsaufnahme auf den Menschen und das Tier überträgt, wobei uns jetzt schon klarist, dass <strong>die</strong> Monadologie etwas mit e<strong>in</strong>er Theorie des Bewusstse<strong>in</strong>s zu tun hat <strong>in</strong>sofern,als es um <strong>die</strong> Frage nach den Perzeptionen, <strong>der</strong> Apperzeption, dem appetitus und <strong>der</strong>Seele geht. Nun, mit dem Satz 29, kommt im Rahmen <strong>der</strong> Metaphysik des Leibniz nunnotwendig e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frage <strong>in</strong>s Spiel. Der Paragraph lautet: „Indessen unterscheidet uns<strong>die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> notwendigen und ewigen Wahrheiten von den e<strong>in</strong>fachen Tieren undbefähigt uns zu Vernunft und Wissenschaften, <strong>in</strong>dem sie uns zur Erkenntnis unserer selbstund Gottes erhebt. Dies nennen wir vernünftige Seele o<strong>der</strong> Geist (esprit).“ Dieser75

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