„idealistische“ Tradition bezeichnen lässt. Denker wie Kant o<strong>der</strong> eben Hegel s<strong>in</strong>dHauptvertreter <strong>die</strong>ser Tradition. Ob Descartes wirklich vorhatte, e<strong>in</strong>e solche Tradition zustiften, mag dah<strong>in</strong>gestellt bleiben. Zu se<strong>in</strong>er Zeit wurde er wegen <strong>die</strong>ser Begründung <strong>der</strong>prima philosophia durchaus stark kritisiert. Auch hat es zu allen Zeiten e<strong>in</strong>e Tradition <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> gegeben, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se subjektivitätstheoretische Begründung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>ke<strong>in</strong>eswegs mitgetragen hat - z.B. <strong>der</strong> Materialismus, auf den ich noch zu sprechenkommen werde. Ob Descartes also <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne mo<strong>der</strong>n ist, wie Hegel ihn sieht, iste<strong>in</strong>e offene Frage.Kehren wir aber noch e<strong>in</strong>mal zurück zu dem Problem, wie es sich bei Descartes darstellt.Wir wollen ja wirklich verstehen, was hier so neu und ungewöhnlich und wichtig ist - wasdas alles womöglich mit dem Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong>, mit dem Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuenMenschenverständnis o<strong>der</strong> Menschenbild zu tun hat. Man sagt, dass das ego cogito, ergosum e<strong>in</strong>e Idee <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>führt, <strong>die</strong> es vorher noch nicht gab, nämlich dass imDenken, im Sich-Selbst-Denken <strong>die</strong> Grundlage für alles Denken und Erkennen überhaupt,ja für alles Se<strong>in</strong> liegt. Denn wenn das Denken <strong>die</strong> Voraussetzung aller Erkenntnis ist, dannist sie <strong>die</strong> Voraussetzung von allem Se<strong>in</strong> - auch des Nicht-erkennbaren, denn auch <strong>die</strong>sesist schon im Bezug auf das Erkennen bestimmt. Mit Descartes lässt sich also sagen: Se<strong>in</strong>= Denken. Dass das Sich-selbst-Denken Grundlage von Allem ist, kann late<strong>in</strong>isch sogefasst werden, dass das Sich-selbst-Denken Subjekt von Allem ist - e<strong>in</strong> Wort, dassDescartes, wenn überhaupt, <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne selten benutzt, das er viel eher noch <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em mittelalterlichen S<strong>in</strong>ne benutzt, wo es genau das Gegenteil bedeutet, nämlich„Objekt“. Aber das ist nicht so wichtig: das Denken ist jetzt Subjekt des Se<strong>in</strong>s schlechth<strong>in</strong>.Dieser Begriff entstammt e<strong>in</strong>er Übersetzung aus dem Griechischen, und zwar des Wortes:ὑποκείμενον, das Zugrundeliegende, e<strong>in</strong> Begriff, den Aristoteles geprägt hat und <strong>der</strong> ihnauf <strong>die</strong> Substanz bezogen hat. Das Denken ist das Subjekt, das Zugrundeliegende vonAllem - e<strong>in</strong> Gedanke, <strong>der</strong> dem Aristoteles und dem Mittelalter fremd gewesen ist, mit demalso, so wird gesagt, <strong>die</strong> <strong>Neuzeit</strong> beg<strong>in</strong>nt.(Ich möchte an <strong>die</strong>ser Stelle e<strong>in</strong> Missverständnis ausräumen, das viele Anfänger <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> teilen. Die meisten anfangenden Studenten und Student<strong>in</strong>nen kommen mitdem Vorurteil <strong>in</strong> das Studium, dass das Subjekt <strong>die</strong> Voraussetzung des Subjektiven sei.Das Subjektive wird dann so verstanden, dass man sagt: was ich für wichtig und richtighalte, halte eben erst e<strong>in</strong>mal ich für wichtig und richtig, e<strong>in</strong> An<strong>der</strong>er kann das für unwichtigund unrichtig halten - das ist eben „subjektiv“. Das ist e<strong>in</strong> falscher und unphilosophischerGebrauch des Wortes. Am Ich denke des Descartes ist überhaupt nichts „Subjektives“.Das Ich denke ist <strong>die</strong> Formel für das Subjekt im Allgeme<strong>in</strong>en und schlechth<strong>in</strong>. Es gibt ke<strong>in</strong>Subjekt, das ke<strong>in</strong> „Ich denke“ ist. Dieser Gedanke ist natürlich auch selbst nichts„Subjektives“, also man kann nicht sagen: „ego cogito, ergo sum“, denkt Descartes ... Ichme<strong>in</strong>e aber, dass das ganz an<strong>der</strong>s ist. Das ist selbstredend Uns<strong>in</strong>n. Was wir so im Alltag28
für „subjektiv“ halten, das haben <strong>die</strong> Philosophen von Anfang an als „Me<strong>in</strong>ung“ bezeichnet.Die „Me<strong>in</strong>ung“ ist aber von <strong>der</strong> „Wahrheit“ unterschieden. Ich kann demnach „me<strong>in</strong>en“,dass Marco Reus e<strong>in</strong> besserer Fußballer ist als Julian Draxler, ich kann aber nicht„me<strong>in</strong>en“, dass 1+1=2 ist. Sie können also <strong>in</strong> bestimmten Diskussionen (z.b: über Politik)<strong>die</strong> Sätze anfangen mit: „Ich me<strong>in</strong>e aber.“ Sie können aber nicht sagen, es sei e<strong>in</strong>„subjektiver“ Standpunkt, das Obama besser als Put<strong>in</strong> ist - auch das bleibt eben e<strong>in</strong>eMe<strong>in</strong>ung. Mit an<strong>der</strong>en Worten: „subjektiv“ <strong>in</strong> philosophischer H<strong>in</strong>sicht heißt nur: demSubjekt entsprechend, aber ke<strong>in</strong>eswegs dem jeweiligen Subjekt entsprechend. „Subjektiv“ist das, was ganz allgeme<strong>in</strong> dem „Subjekt“ zugesprochen werden muss - dass es z.B.Denken ist.)Zurück zu dem Effekt, den <strong>die</strong> erste und <strong>die</strong> zweite Meditation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> gemacht haben. Descartes hatte natürlich e<strong>in</strong>e solche Revolution gar nicht imBlick. Er wollte ke<strong>in</strong>eswegs behaupten, dass alles Se<strong>in</strong> nur Se<strong>in</strong> ist, wenn es gedachtwerden kann. Er wollte lediglich e<strong>in</strong>e erste, absolut gewisse Erkenntnis f<strong>in</strong>den, um auf ihrse<strong>in</strong>e Wissenschaft zu begründen. Man hat das auch so gefasst, dass <strong>der</strong> Zweifel an<strong>die</strong>ser Stelle e<strong>in</strong>e methodische Bedeutung. Der Zweifel <strong>die</strong>nt nur dazu, <strong>die</strong>se ersteGewissheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis zu f<strong>in</strong>den. Er hat gar ke<strong>in</strong>e weitere Bedeutung. Darübermüssen wir uns klar se<strong>in</strong>. Für gewöhnlich me<strong>in</strong>en wir, <strong>der</strong> Satz: ich denke, also b<strong>in</strong> ich,möchte me<strong>in</strong>e Existenz mit Gewissheit beweisen. Das ist aber nicht <strong>der</strong> Fall. Das „ergo“suggeriert nur e<strong>in</strong>en Schluss, <strong>der</strong> so gar nicht funktioniert. Es geht vielmehr darum, dassich <strong>in</strong>tuitiv das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er res cogitans voraussetzen muss, wenn e<strong>in</strong> Denkengeschieht. Ich habe e<strong>in</strong> Recht dazu, das vorauszusetzen. Diesbezüglich gibt es e<strong>in</strong>eErkenntnis, <strong>die</strong> sich als wahr herausstellt, denn ich kann nicht von e<strong>in</strong>emNichtvorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Ich auf e<strong>in</strong> Denken kommen. Wir hören gleichsam immer schonzuviel <strong>in</strong> dem Satz - <strong>der</strong>, wie gesagt, für Descartes e<strong>in</strong>en eher methodischen S<strong>in</strong>n hat.Dass das so ist, bezeugt m.E. <strong>die</strong> dritte Meditation mit <strong>der</strong> Überschrift: Über das Dase<strong>in</strong>Gottes. Von <strong>der</strong> zweiten Meditation mit <strong>der</strong> Überschrift Über <strong>die</strong> Natur des menschlichenGeistes aus gesehen, legt sich nicht unbed<strong>in</strong>gt nahe, dass e<strong>in</strong>e dritte folgt, <strong>die</strong> sich nun<strong>der</strong> Existenz Gottes widmet. Wozu braucht man noch Gott, wenn <strong>die</strong> prima philosophia sogut auf e<strong>in</strong>er ersten Gewissheit begründet wird? Da taucht am Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> drittenMeditation e<strong>in</strong> seltsamer Gedanke auf. Descartes kommt wie<strong>der</strong> auf das Problem zusprechen, dass er e<strong>in</strong>en bösen Geist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Zweifelsgang e<strong>in</strong>gesetzt hat. Nun weist erdarauf h<strong>in</strong>, dass er ke<strong>in</strong>e Veranlassung habe, von <strong>der</strong> Existenz e<strong>in</strong>es solchen bösenGottes auszugehen, ja, dass er noch nicht e<strong>in</strong>mal weiß, ob es Gott überhaupt gibt. Das seija erst e<strong>in</strong>mal nur e<strong>in</strong> Vorurteil. Und daher fällt e<strong>in</strong> fragwürdiges Licht auf denZweifelsgang. Solange Gottes Dase<strong>in</strong> nicht bewiesen ist, ist <strong>der</strong> Zweifelsgangunbefriedigend. Ja, Descartes sagt den seltsamen Satz: „Denn solange das unbekannt ist29
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Die Kritik an den Cartesianern ist
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Die Differenz zum Tier ist also nic
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Mathematik, was wenig überzeugt (d
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Böse möglich, wenn doch Gott notw
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Hegel schreibt in seiner Vorrede zu
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Gegenstand nähern will. Das ist fr
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demnach in der Materie das Denken,
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den dogmatischen Schlummer unterbra
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa