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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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Es gibt e<strong>in</strong>en bösen Geist, <strong>der</strong> mich täuscht - das ist <strong>die</strong> Annahme. Gut, er mag michtäuschen, aber er muss doch mich täuschen. Wenn er mich täuscht, so muss dochunzweifelhaft gegeben se<strong>in</strong>, dass ich b<strong>in</strong>. Nun sagt Descartes: „Er täusche mich, soviel erkann, niemals wird er doch fertigbr<strong>in</strong>gen, dass ich nichts b<strong>in</strong>, solange ich denke, dass ichetwas sei.“ Das ist <strong>der</strong> Schritt zu jener so berühmten Formulierung: cogitatio est, ego sum,ego existo, certum est. Das Denken ist es. Ich b<strong>in</strong>, ich existiere, das ist gewiss. Das ist <strong>der</strong>Gedanke, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Worten: ego cogito, ergo sum (je pense, donc je suis.) gefasst wird,e<strong>in</strong>e Formulierung, <strong>die</strong> so <strong>in</strong> den Meditationen nicht auftaucht, <strong>die</strong> aber doch <strong>der</strong> Sachenach dort geme<strong>in</strong>t ist.Was heißt das? Der Zweifel kann an allem zweifeln, nicht aber, dass e<strong>in</strong> Subjektvorausgesetzt werden muss, dass <strong>die</strong>sen Zweifel vollzieht. Zu <strong>die</strong>ser Erkenntnis kommtDescartes eben durch <strong>die</strong>sen Zweifel. Diese Erkenntnis ist aber gewiss - was ihrenCharakter ausmacht. Es kann ja se<strong>in</strong>, dass alles e<strong>in</strong>e Täuschung ist, ich kann aber nichtgetäuscht werden darüber, dass ich vorausgesetzt werden muss, um getäuscht zuwerden. Das ego cogito, ergo sum ist demnach <strong>die</strong> erste Gewissheit, <strong>die</strong> erste Gewissheit<strong>der</strong> prima philosophia, das fundamentum absolutum <strong>in</strong>concussum - wie man <strong>in</strong>Cartesianischer Diktion gesagt hat, d.h. das absolute unerschütterliche Fundament. D.h.<strong>der</strong> Satz ich denke, also b<strong>in</strong> ich, ist <strong>der</strong> erste absolut gewisse Satz e<strong>in</strong>er Wissenschaft, <strong>die</strong>nun e<strong>in</strong> festes Fundament besitzt.Das hat e<strong>in</strong>e große Wirkung gehabt. Rufen wir uns noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, was Hegelüber Descartes gesagt hat. 1. hat er gesagt, dass Descartes noch e<strong>in</strong>mal mit allem neuangefangen habe. Wir haben bereits gehört, dass Descartes das selbst sagt. 2. sagtHegel aber auch noch: „Mit ihm treten wir eigentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e selbständige <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>,welche weiß, daß sie selbständig aus <strong>der</strong> Vernunft kommt und daß das Selbstbewusstse<strong>in</strong>wesentliches Moment des Wahren ist.“ Dieser Satz bezieht sich auf das fundamentumabsolutum <strong>in</strong>concussum, ego cogito, ergo sum. Hegel fasst <strong>die</strong>se erste Erkenntnis - als <strong>die</strong>Descartes den Satz versteht - als e<strong>in</strong>e Erkenntnis <strong>der</strong> Vernunft, <strong>die</strong> sich selbständig zu<strong>die</strong>ser Erkenntnis gebracht hat. So werde das „Selbstbewusstse<strong>in</strong>“ - Hegel spricht auchvon <strong>der</strong> „Subjektivität“ - „wesentliches Moment des Wahren“ - d.h. dass das Subjekt undse<strong>in</strong> sich über sich selbst verständigen nun zu allem gehört, was jemals gewusst werdenkann. Denn <strong>der</strong> Satz, ich denke, also b<strong>in</strong> ich, impliziert nach Hegel den Gedanken, dass<strong>die</strong>ses Ich bei je<strong>der</strong> Erkenntnis als e<strong>in</strong> Selbstverhältnis anwesend se<strong>in</strong> muss. Erkenntnisbedeutet: dass ich weiß, dass ich <strong>die</strong>se Erkenntnis habe, bedeutet, dass ich mich selbstweiß, dass ich mir selbst bewusst b<strong>in</strong>.Gewiss - das ist e<strong>in</strong>e Interpretation, doch <strong>die</strong>se Interpretation ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><strong>Philosophie</strong> sehr mächtig geworden. Man hat Descartes gleichsam zum Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong>Subjektivitätsphilosophie o<strong>der</strong> -theorie gemacht, zum Stifter e<strong>in</strong>er Tradition, <strong>die</strong> sich als27

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