werden auch zuweilen <strong>in</strong> den Ausgaben <strong>der</strong> Meditationen gleich mitveröffentlicht. Hobbeskannte also Descartes, auch persönlich übrigens. Was Hobbes dachte, gehört demnachauch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt des Descartes und an<strong>der</strong>sherum. Doch mitnichten ließe sich sagen, dasssie das Gleiche o<strong>der</strong> auch nur gleich dachten.Die philosophische Bedeutung von Hobbes wird ganz klar <strong>der</strong> politischen <strong>Philosophie</strong>zugeordnet. Der „Leviathan“ gilt als se<strong>in</strong> Hauptwerk und mith<strong>in</strong> als e<strong>in</strong> Hauptwerk <strong>der</strong>politischen <strong>Philosophie</strong> schlechth<strong>in</strong>. Doch e<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>schätzung ist problematisch.Wenn man <strong>die</strong> politische <strong>Philosophie</strong> so versteht, dass es <strong>in</strong> ihr darum geht, <strong>die</strong>Grundlagen und Regeln für e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wesen zu entwickeln, dann geht Hobbes<strong>Philosophie</strong>ren darüber h<strong>in</strong>aus. Die Grundlagen und Regeln e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>wesens s<strong>in</strong>dnach Hobbes nicht zu verstehen, wenn man nicht vorher bedenkt, was o<strong>der</strong> wer <strong>der</strong>Mensch ist, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Geme<strong>in</strong>wesen lebt. Die Frage nach dem Menschen ist aber <strong>die</strong>nach <strong>der</strong> Natur des Menschen (Natur auch im S<strong>in</strong>ne von natura), was wie<strong>der</strong>um <strong>die</strong> Fragenach <strong>der</strong> Natur im Allgeme<strong>in</strong>en impliziert. Hobbes Denken geht also <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne weitüber <strong>die</strong> bloße Frage nach den Grundlagen und Regeln für das Geme<strong>in</strong>wesen h<strong>in</strong>aus,auch wenn er <strong>die</strong>se Frage wohl für <strong>die</strong> wichtigste schlechth<strong>in</strong> gehalten hat.Hobbes veröffentlichte den „Leviathan“, zu dem ich gleich kommen werde, im Jahr 1651.Doch schon 1642 hatte er e<strong>in</strong>e Schrift veröffentlicht, <strong>die</strong> den Titel „De cive“ trägt, es ist <strong>der</strong>dritte Teil e<strong>in</strong>er Trilogie neben den Schriften „De corpore“ und „De hom<strong>in</strong>i“, später verfasstals <strong>der</strong> „Leviathan“. In „De cive“ hat Hobbes auf Late<strong>in</strong>isch ausgeführt, was im „Leviathan“englisch entfaltet wird. Wer also nicht sogleich den opulenteren Text des „Leviathan“ lesenmöchte, kann mit „De cive“ beg<strong>in</strong>nen. Dort wird er sozusagen e<strong>in</strong>e Zusammenfassungdessen f<strong>in</strong>den, was dann freilich im „Leviathan“ großartiger ausgeführt wird.Das Buch heißt im ganzen Titel: „Leviathan, o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Materie, Form und Macht e<strong>in</strong>eskirchlichen und staatlichen Geme<strong>in</strong>wesens“. Der Titel ist demnach vielsagend. Dochzunächst: wer o<strong>der</strong> was ist <strong>der</strong> Leviathan? Darüber ließe sich schon <strong>die</strong> nächsten dreiStunden reden. Ich muss das lei<strong>der</strong> abkürzen. Der Leviathan ist e<strong>in</strong> mythischesUngeheuer (Krokodil, Schlange, Drache, Wal), das am prom<strong>in</strong>entesten im AltenTestament, im Buch Hiob ersche<strong>in</strong>t. Dort spricht Gott vom Leviathan als e<strong>in</strong>emSeeungeheuer, dessen Stärke weit über <strong>die</strong> des Hiob h<strong>in</strong>ausgeht und <strong>die</strong> nur von ihmselbst, von Gott, gezügelt werden kann. Hobbes selber bezeichnet e<strong>in</strong>mal mit dem„Leviathan“ das Geme<strong>in</strong>wesen, den Staat selbst, als e<strong>in</strong>en „sterblichen Gott, dem wir unterdem unsterblichen Gott unseren Frieden und unsere Sicherheit verdanken“. Freilich -damit ist noch nicht gesagt, warum Hobbes den Staat ausgerechnet als e<strong>in</strong> solchesUngeheuer auffasst. Und es wird auch nicht noch genauer gesagt. (Im Gegenteil, es wirdnoch etwas an<strong>der</strong>es gesagt, wie wir gleich sehen.) Das hat dann viele politischePhilosophen immer wie<strong>der</strong> dazu getrieben, <strong>die</strong>se Frage aufzuwerfen: warum ist <strong>der</strong> Staat38
e<strong>in</strong> Ungeheuer, das von Gott kontrolliert wird? Am bekanntesten wahrsche<strong>in</strong>lich ist CarlSchmitts Buch „Der Leviathan <strong>in</strong> <strong>der</strong> Staatslehre des Thomas Hobbes. S<strong>in</strong>n undFehlschlag e<strong>in</strong>es politischen Symbols“ von 1938, e<strong>in</strong> Buch, das wie<strong>der</strong>um m<strong>in</strong>destens sorätselhaft ist wie Hobbes‘ Titelwahl.Ich lasse <strong>die</strong>ses Rätsel ungelöst und komme zur E<strong>in</strong>leitung <strong>in</strong> das Werk, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es amBeg<strong>in</strong>n heißt: „Die Natur (<strong>die</strong> Kunstfertigkeit, vermittelst welcher Gott <strong>die</strong> Welt erschaffenhat und regiert), wird durch <strong>die</strong> Kunstfertigkeit (art) des Menschen, wie <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>enD<strong>in</strong>gen, so auch hier<strong>in</strong> nachgeahmt, daß sie e<strong>in</strong> künstliches Tier erschaffen kann. Denn daja das Leben nur e<strong>in</strong>e Bewegung von Glie<strong>der</strong>n ist, <strong>der</strong>en Beg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em Hauptteilliegt, warum können wir dann nicht sagen, daß alle Automaten (Masch<strong>in</strong>en (eng<strong>in</strong>es), <strong>die</strong>sich durch Fe<strong>der</strong>n und Rä<strong>der</strong> bewegen, wie es e<strong>in</strong>e Uhr tut) e<strong>in</strong> künstliches Leben haben?Denn was ist das Herz an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>e Fe<strong>der</strong>, was s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Nerven an<strong>der</strong>es als lauterStränge und <strong>die</strong> Gelenke an<strong>der</strong>es als lauter Rä<strong>der</strong>, <strong>die</strong> dem ganzen Körper Bewegungverleihen, wie es vom Konstrukteur beabsichtigt wurde? Die Kunstfertigkeit geht nochweiter, <strong>in</strong>dem sie jenes vernunftbegabte und höchst vortreffliche Werk <strong>der</strong> Natur, denMenschen, nachahmt. Denn durch Kunstfertigkeit wird jener große Leviathan,Geme<strong>in</strong>wesen o<strong>der</strong> Staat genannt (civitas), erschaffen, <strong>der</strong> nur e<strong>in</strong> künstlicher Mensch ist(wenn auch von größere Statur und Kraft als <strong>der</strong> natürliche Mensch, für dessen Schutzund Verteidigung er beabsichtigt wurde) und <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> Souveränität e<strong>in</strong>e künstliche Seeleist“ etc. Ich bleibe zunächst e<strong>in</strong>mal hier und <strong>in</strong>terpretiere das Zitierte. Wir werden sehen,dass das mitunter zu Descartes führt - und zugleich von ihm weg.Was soll das, dass Hobbes hier vom artificial animal, vom artificial life, von eng<strong>in</strong>esspricht? Ist das e<strong>in</strong>e Metapher? Ne<strong>in</strong>. Ich hatte bereits ausgeführt, dass Descartes zweiSubstanzen unterscheidet: <strong>die</strong> res cogitans und <strong>die</strong> res extensa. Das ist <strong>die</strong>Unterscheidung zwischen Seele und Körper, zwischen Idee und Materie. Die Materie istfür Descartes a priori Ausdehnung. Sie besteht aus Korpuskeln, aus kle<strong>in</strong>en Teilchen, sieist also teilbar, wobei Descartes sich von den Atomisten unterscheidet, da es nach ihmke<strong>in</strong> Unteilbares kle<strong>in</strong>stes Teilchen gibt. Alles was ausgedehnt ist, ist weiter teilbar. Das isthier aber nicht wichtig. Wichtig ist vielmehr, dass <strong>die</strong> so ausgedehnte Natur o<strong>der</strong> Materievor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> vorh<strong>in</strong> bereits erwähnten Auffassung <strong>der</strong> Kausalität re<strong>in</strong>mechanisch verstanden wird. Alles, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur geschieht, ist mechanischer Natur, istMechanismus. Mechanismus heißt dann zugleich auch: im Wesentlichen berechenbar. Ichzitierte bereits, dass Descartes den Menschen als „maître et possesseur de la nature“bezeichnet. Das kann er nur se<strong>in</strong>, weil <strong>die</strong> Natur e<strong>in</strong> berechenbarer Mechanismus ist.Hobbes schließt sich <strong>die</strong>ser Auffassung <strong>in</strong>sofern an, als er an<strong>der</strong>s als Descartes <strong>die</strong>an<strong>der</strong>e Substanz, <strong>die</strong> res cogitans, durchstreicht. Mit an<strong>der</strong>en Worten: für Hobbes gibt esnur Materie, Hobbes ist e<strong>in</strong> Materialist. Das Ganze des Seienden ist für Hobbes - Materie.Das bedeutet, dass es über <strong>die</strong> <strong>in</strong> sich mechanisch organisierte Natur h<strong>in</strong>aus gar nichts39
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Gegenstand nähern will. Das ist fr
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demnach in der Materie das Denken,
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den dogmatischen Schlummer unterbra
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa