können.“, heißt es. Die Schule des Unglücks ist für Machiavelli <strong>der</strong> Titel für se<strong>in</strong>e eigenenErfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Stadt Florenz. Dort hatte er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat lange Jahre gearbeitetund wusste daher sozusagen, wovon er sprach. Machiavelli bezieht se<strong>in</strong> Wissen über <strong>die</strong>Politik aus nichts an<strong>der</strong>em - und das ist entscheidend - aus nichts an<strong>der</strong>em als aus se<strong>in</strong>ersubjektiven Erfahrung, wobei Erfahrung hier nicht e<strong>in</strong>fach heißt: Empirie, son<strong>der</strong>n ebenLebens-Erfahrung.Das bedeutet, dass <strong>der</strong> mittelalterliche ordo mit Gott an se<strong>in</strong>er Spitze ke<strong>in</strong>e Rolle mehrspielt. Die Religion wird vielmehr für den Fürst e<strong>in</strong> Gegenstand se<strong>in</strong>er auf Effizienz bzw.Erfolg ausgerichteten Politik. Die Politik hat sich nicht mehr e<strong>in</strong>er obersten göttlichenMacht unterzuordnen, ja, sie hat sich noch nicht e<strong>in</strong>mal mehr - wie bei Dante - mit ihrause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen. So heißt es e<strong>in</strong>mal bei Machiavelli: „Man kann als richtigvoraussetzen: E<strong>in</strong> Fürst, und namentlich e<strong>in</strong> neuer Fürst, kann nicht so handeln, wie <strong>die</strong>Menschen gewöhnlich handeln sollten, um rechtschaffen genannt zu werden; dasStaatserfor<strong>der</strong>nis nötigt ihn oft, Treue und Gauben zu brechen und <strong>der</strong> Menschenliebe,<strong>der</strong> Menschlichkeit und Religion entgegen zu handeln.“ (XVIII) Das ist e<strong>in</strong> Gedanke, <strong>der</strong> imMittelalter nicht geäußert wurde und wohl auch nicht geäußert werden konnte. Die Politikbehauptet sich mit Machiavelli zum ersten Mal (abgesehen natürlich von den antiken,vorchristlichen Texten) als e<strong>in</strong> alle<strong>in</strong> weltliches Wissen, als <strong>die</strong> höchste und daher freieFähigkeit, zu herrschen.Das nun, so kann man doch sagen, hat mit e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Auffassung des Menschen zutun. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat kann man sagen, dass Machiavelli nicht nur das Menschenbild desMittelalters, wonach e<strong>in</strong> Hauptmerkmal dar<strong>in</strong> besteht, dass <strong>der</strong> Mensch ens creatum ist,ablehnt - d.h. dass er es <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen Sphäre für irrelevant hält -, son<strong>der</strong>n dass ersogar das Aristotelische Verständnis des Menschen, wonach es im menschlichen Lebene<strong>in</strong>e gewisse Teleologie gibt, e<strong>in</strong>e Bewegung auf e<strong>in</strong> Ziel h<strong>in</strong>, negiert. Was <strong>die</strong> Praxis desMenschen bestimmt ist e<strong>in</strong> freier Wille im Verhältnis zur Fortuna, zum Schicksal, wenn Sieso wollen. D.h. es gibt <strong>in</strong> den Handlungen des Menschen immer <strong>die</strong> Stelle, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>eletzth<strong>in</strong> unbeherrschbare Macht sich zeigt. Man kann sich als Fürst zwar <strong>die</strong>ser Machtannähern, man muss sich sogar irgendwie auf sie e<strong>in</strong>lassen, aber man muss sich dochdarüber im Klaren se<strong>in</strong>, dass hier etwas grundsätzlich Unberechenbares waltet. Dasbedeutet, dass <strong>die</strong> politische Sphäre von unbeherrschbaren Schwankungen bestimmtbleibt. Der Mensch ist <strong>die</strong>sen unbeherrschbaren Schwankungen ausgeliefert. Er ist alsogleichsam nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik ausgesetztes Wesen, er ist ganz und garpolitisch demnach. Das enthält ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e theologische Sphäre. Der Mensch istganz frei davon.Vielleicht zeigt sich bereits <strong>in</strong> den Titeln De monarchia und Il pr<strong>in</strong>cipe e<strong>in</strong>e Verschiebungim Verständnis des Menschen an: auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite das Late<strong>in</strong>ische mit dem Gewicht6
auf <strong>die</strong> Staatsform als solche, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en das Italienische mit dem Subjekt <strong>der</strong> Macht,dem Fürsten selbst. Freilich, man muss dabei sehr vorsichtig se<strong>in</strong>. So gab es im Mittelalterden sogenannten „Fürstenspiegel“, Ermahnungsschriften, <strong>die</strong> sich an konkrete Herrscherwendeten. Machiavellis Text steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Tradition. Dochse<strong>in</strong>e Radikalität <strong>der</strong> Ausschaltung des Christlichen bildet e<strong>in</strong>e unübersehbare Differenz zuihr.Die Frage ist nun, ob wir nicht auf Seiten <strong>der</strong> Religion e<strong>in</strong>e ähnliche Bewegung wie <strong>die</strong>f<strong>in</strong>den können, <strong>die</strong> wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politischen <strong>Philosophie</strong> f<strong>in</strong>den. Verblieb <strong>die</strong> Religionsozusagen im Mittelalter o<strong>der</strong> hat sie sich durch e<strong>in</strong>e eigene Innovation demEpochenwechsel angepasst? Da gibt es nun tatsächlich e<strong>in</strong> Phänomen, das genanntwerden muss: <strong>die</strong> Reformation, Mart<strong>in</strong> Luthers tiefe Wirkung auf das Christentum.Natürlich kann ich Ihnen hier nicht e<strong>in</strong>en echten Überblick über <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong>Reformation o<strong>der</strong> des Protestantismus geben - das kann ich auch gar nicht. Ich möchtemich nur auf e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> bekanntes Faktum beziehen. Bei Luther f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>eHerausstellung <strong>der</strong> vier Sola-Formulierungen. Den reformierten Christ gibt es solascriptura, sola Christus, sola gratia und sola fide, d.h. alle<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Schrift,auf Grund von Christus, auf Grund <strong>der</strong> Gnade und auf Grund des Glaubens. Was <strong>in</strong> <strong>die</strong>serAufzählung nicht vorkommt, ist <strong>die</strong> Kirche. Für das protestantische Christentum spielt <strong>die</strong>Kirche e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Das hat e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>schnitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auffassung desVerhältnisses zwischen Gott und Mensch h<strong>in</strong>terlassen. Während <strong>die</strong> katholische Kirchedaran festhält, dass sie Stellvertreter ist und das <strong>die</strong> Geistlichen <strong>die</strong> Vermittler s<strong>in</strong>dzwischen Gott und Mensch, sieht <strong>der</strong> Protestantismus e<strong>in</strong>e Unmittelbarkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> nunje<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Mensch sich im Verhältnis zu Gott bef<strong>in</strong>det. Das <strong>in</strong>tensiviert den Blick auf<strong>die</strong> Individualität des E<strong>in</strong>zelnen, auf se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiges Gewissen, für das ke<strong>in</strong>e Institutionzuständig ist, das von ke<strong>in</strong>er Institution vertreten wird. Sie wissen vielleicht, dass MaxWeber <strong>die</strong> Entstehung des Kapitalismus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spielart des Protestantismus (1904), imCalv<strong>in</strong>ismus gesehen hat. Dabei spielt e<strong>in</strong>e spezifische Fassung des Verständnisses des„Berufes“ und <strong>der</strong> Identifikation mit ihr e<strong>in</strong>e Rolle. Ich unterlasse, das jetzt weiterauszuführen.Fassen wir e<strong>in</strong>mal alle Merkmale des Epochenwandels vom Mittelalter zur <strong>Neuzeit</strong>zusammen. Ich hatte von <strong>der</strong> Entdeckung Amerikas gesprochen, von <strong>der</strong> Erf<strong>in</strong>dung desBuchdrucks bzw. <strong>der</strong> umfassenden Entwicklung neuer Technologien, von ihrem E<strong>in</strong>schlagauf das Verständnis von Theorie, von Wissen schlechth<strong>in</strong>, vom e<strong>in</strong>em Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong>Auffassung <strong>der</strong> politischen Sphäre bzw. des politischen Subjekts sowie von e<strong>in</strong>em Wandelim Bereich <strong>der</strong> Religion selbst, d.h. im Protestantismus, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kirchereduziert wird. Das ist <strong>die</strong> Landschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich das Mittelalter <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Neuzeit</strong> wälzt, <strong>in</strong> <strong>der</strong>etwas zu Ende geht, anhält, um <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong> gewandelt neu zu ersche<strong>in</strong>en (o<strong>der</strong> - wie imFalle des Christentums - vielleicht ganz zu verschw<strong>in</strong>den - was allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> langer7
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geben - es wird eine geben so, wie
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Damit ist gemeint, dass wir uns not
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glauben, er könnte das auch noch a
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umstellen noch sich eine innere Bew
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Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
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eginnt: „Das Gedächtnis liefert
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offenbar auch kein Fenster haben ka
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Gegenstand nähern will. Das ist fr
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demnach in der Materie das Denken,
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa