Cartesius an. Mit ihm treten wir eigentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e selbständige <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>, welcheweiß, daß sie selbständig aus <strong>der</strong> Vernunft kommt und daß das Selbstbewusstse<strong>in</strong>wesentliches Moment des Wahren ist. Hier können wir sagen, s<strong>in</strong>d wir zu Hause undkönnen wie <strong>der</strong> Schiffer nach langer Umherfahrt auf <strong>der</strong> ungestümen See ,Land‘ rufen;Cartesius ist e<strong>in</strong>er von den Menschen, <strong>die</strong> wie<strong>der</strong> mit allem von vorn angefangen haben;und mit ihm hebt <strong>die</strong> Bildung <strong>der</strong> neueren Zeit an.“ Ich möchte das auf zwei bzw. dreiAussagen reduzieren: 1. <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> des Descartes komme „selbständig aus <strong>der</strong>Vernunft“; 2. das „Selbstbewusstse<strong>in</strong> sei wesentliches Moment des Wahren“ (ob das zweio<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Gedanke ist, braucht uns nicht zu <strong>in</strong>teressieren); 3. Descartes hat „mit allem vonvorn angefangen“.Ich beg<strong>in</strong>ne mit <strong>der</strong> dritten Bemerkung. Sie führt uns <strong>in</strong> <strong>die</strong> erste Meditation mit dem Titel„Woran man zweifeln kann“. Diese beg<strong>in</strong>nt nämlich: „Schon vor e<strong>in</strong>er Reihe von Jahrenhabe ich bemerkt, wieviel Falsches ist <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Jugend habe gelten lassen und wiezweifelhaft alles ist, was ich hernach darauf aufgebaut, daß ich daher e<strong>in</strong>mal im Lebenalles von Grund aus umstoßen und von den ersten Grundlagen an neu beg<strong>in</strong>nen müsse,wenn ich jemals für etwas Unerschütterliches und Bleibendes <strong>in</strong> den Wissenschaftenfesten Halt schaffen wollte.“ Der Satz sagt demnach ganz unmittelbar, was Hegelbehauptet: Descartes sagt, er habe bemerkt, dass das, was er früher gelernt habe undwas er darauf aufgebaut habe, falsch sei. Er müsse also noch e<strong>in</strong>mal von vorn anfangen.Doch so e<strong>in</strong>fach ist es nicht. Der Satz enthält schon sehr philosophische Aussagen.Wichtig ist zu hören, dass Descartes von den Grundlagen spricht, von dem, was allem zuGrunde liegt: von den Fundamenten (lat. fundamentum). Offenbar hat Descartes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erJugend nämlich geme<strong>in</strong>t, er habe e<strong>in</strong>e spezifisches Fundament, auf das er alles, was erdenken wollte, hatte aufbauen können. Doch nun hat er festgestellt, dass <strong>die</strong>sesFundament e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bildung war. Alles ist zweifelhaft geworden. Man muss also, was manfrüher aufgebaut hat, wie<strong>der</strong> umstoßen, um zu e<strong>in</strong>em neuen Fundament zu kommen.Dieses Fundament aber wird genauer bezeichnet: er wolle nämlich etwasUnerschütterliches und Bleibendes f<strong>in</strong>den, um den Wissenschaften Stabilität zu verleihen.Mit an<strong>der</strong>en Worten: es geht um das Fundament <strong>der</strong> Wissenschaften, um das Fundamentdes Wissens. Und um zu <strong>die</strong>sem neuen Fundament zu kommen, muss man allesumstoßen, was man früher für wahr hielt. Das me<strong>in</strong>t Hegel, wenn er sagt, dass Descartes„mit allem von vorn angefangen“ habe. Er hat <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong>, <strong>die</strong> Wissenschaften neubegründet - jedenfalls <strong>in</strong> den Augen Hegels.Wie nun geht Descartes dabei <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Meditation vor? Er gibt an, dass er nicht gutalle Me<strong>in</strong>ungen, <strong>die</strong> er seit se<strong>in</strong>er Jugend gehabt habe, wi<strong>der</strong>legen könne. Das wäre e<strong>in</strong>endlose Arbeit. Vielmehr me<strong>in</strong>t er, dass er sich auf <strong>die</strong> Pr<strong>in</strong>zipien stürzen müsse, vondenen se<strong>in</strong>e alten Me<strong>in</strong>ungen gestützt worden seien. Pr<strong>in</strong>zipien s<strong>in</strong>d aber nichts an<strong>der</strong>es14
als Grundsätze. Wie<strong>der</strong> geht es also um <strong>die</strong> ersten Gedanken, <strong>die</strong> ersten Grundlagen, <strong>die</strong>Descartes angreifen muss, um zu e<strong>in</strong>em wahren Fundament für se<strong>in</strong> Denken o<strong>der</strong> für dasDenken überhaupt zu gelangen. Wie aber kann Descartes <strong>die</strong>se Pr<strong>in</strong>zipien angreifen?Was tut er?Die Überschrift <strong>der</strong> ersten Meditation lautet ja: woran man zweifeln (dubitare) kann.Descartes nennt das Wort im Text zunächst nicht. Doch es ist klar, dass er genau damitbeg<strong>in</strong>nt: er beg<strong>in</strong>nt ziemlich schnell, zu zweifeln. Woran? Gehen wir e<strong>in</strong>mal densogenannten Zweifelsgang von Descartes mit.So heißt es zuerst: „Alles nämlich, was ich bisher am ehesten für wahr gehalten habe,verdanke ich den S<strong>in</strong>ne o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> S<strong>in</strong>ne. Nun aber b<strong>in</strong> ichdah<strong>in</strong>tergekommen, dass <strong>die</strong>se uns bisweilen täuschen, und es ist e<strong>in</strong> Gebot <strong>der</strong> Klugheit,denen niemals ganz zu trauen, <strong>die</strong> uns auch nur e<strong>in</strong>mal getäuscht haben.“ Das ist <strong>der</strong>erste Zweifel: <strong>der</strong> Zweifel an <strong>der</strong> Wahrnehmung. Das ist ja auch naheliegend. Denn:beg<strong>in</strong>nt nicht alle unsere Erkenntnis ständig irgendwie mit <strong>der</strong> Wahrnehmung? UnserLeben würde sich jedenfalls sehr stark än<strong>der</strong>n, wenn wir plötzlich bl<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> taub wären.Wir orientieren uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt wie selbstverständlich durch <strong>die</strong> Wahrnehmung. Nununterscheidet Descartes <strong>die</strong> S<strong>in</strong>ne und <strong>die</strong> Vermittlung <strong>der</strong> S<strong>in</strong>ne - das ist leicht zuerklären: er me<strong>in</strong>t nur, dass wir e<strong>in</strong>erseits unmittelbar D<strong>in</strong>ge sehen und hören, dann kannuns aber auch z.B. e<strong>in</strong> Lehrer o<strong>der</strong> Professor etwas mitteilen über D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> man nichtunmittelbar sieht. Nun hören wir vermittelt etwas über D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> wir vielleicht erst späterwirklich unmittelbar erfahren.Sowohl <strong>die</strong> unmittelbare und <strong>die</strong> mittelbare S<strong>in</strong>neswahrnehmung kann täuschen. Wieaber? Ist das kle<strong>in</strong>e D<strong>in</strong>g da, was ich da sehe, wirklich e<strong>in</strong>e Maus - o<strong>der</strong> ist es nur e<strong>in</strong>Blatt? Ist das Gebäude dah<strong>in</strong>ten nicht ganz nahe (<strong>in</strong> Wirklichkeit aber ist es weit entfernt -es ist nur riesig groß, ersche<strong>in</strong>t deshalb als nah, was es nicht ist)? Ist <strong>die</strong>se Gestalt danicht <strong>die</strong>ser bestimmte? Man kann sich vielfach täuschen. D.h. Wahrnehmung ist nicht <strong>der</strong>Garant für absolut gewisses Wissen (freilich: gewaltig konstruierte Meßapparate s<strong>in</strong>detwas an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> natürliche Wahrnehmung, von <strong>der</strong> Descartes ausgeht - aber selbst<strong>die</strong>se Meßapparate müssen bei bestimmten Fragen immer mehrfach Messungendurchführen, um Fehler auszuschließen).Nun aber hat Descartes sogleich selbst e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>wand parat. Gewiss, man kann sich beibestimmten Wahrnehmungsfragen täuschen, doch schließlich gibt es auch D<strong>in</strong>ge, andenen man gar nicht zweifeln könne (hier fällt <strong>der</strong> Begriff zum ersten Mal). Das Beispiel,das er hat, lautet: „so z.B. dass ich jetzt hier b<strong>in</strong>, dass ich, mit me<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>terrockangetan, am Kam<strong>in</strong> sitze, dass ich <strong>die</strong>ses Papier mit den Händen betaste und ähnliches;vollends, dass <strong>die</strong>se Hände selbst, dass überhaupt me<strong>in</strong> ganzer Körper da ist, wie könnte15
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umstellen noch sich eine innere Bew
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Das Seltsame ist ein wenig, dass Le
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offenbar auch kein Fenster haben ka
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Die Differenz zum Tier ist also nic
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Gegenstand nähern will. Das ist fr
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demnach in der Materie das Denken,
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den dogmatischen Schlummer unterbra
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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Für Hume steht aber zunächst etwa