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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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Doch Leibniz geht noch weiter. Satz 36 heißt es: „Der zureichende Grund aber muß sichauch <strong>in</strong> den kont<strong>in</strong>genten und Tatsachenwahrheiten f<strong>in</strong>den, d.h. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> imUniversum <strong>der</strong> Geschöpfe ausgebreiteten D<strong>in</strong>ge, wo <strong>die</strong> Rückführung auf beson<strong>der</strong>eGründe wegen <strong>der</strong> unermeßlichen Vielfalt <strong>der</strong> Naturd<strong>in</strong>ge und <strong>der</strong> Teilung <strong>der</strong> Körper <strong>in</strong>sUnendliche auf e<strong>in</strong>e endlose Vere<strong>in</strong>zelung h<strong>in</strong>auslaufen könnte. Es gibt ja e<strong>in</strong>eUnendlichkeit vergangener und gegenwärtiger Figuren und Bewegungen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>Wirkursache me<strong>in</strong>er gegenwärtigen Schrift mit e<strong>in</strong>gehen, und es gibt e<strong>in</strong>e Unendlichkeitkle<strong>in</strong>er sowohl gegenwärtiger als auch vergangener Neigungen und Anlagen me<strong>in</strong>erSeele, <strong>die</strong> an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>alursache Anteil haben.“ Das betrifft nun das Beispiel, das ich vorh<strong>in</strong>verwendete. Wir alle s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e notwendigen Vernunftwahrheiten, son<strong>der</strong>n kont<strong>in</strong>genteTatsachen. Es könnte auch se<strong>in</strong>, dass hier e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>er stünde o<strong>der</strong> überhaupt ke<strong>in</strong>er- genauso bei Ihnen. Wir s<strong>in</strong>d kont<strong>in</strong>gente Tatsachen, umso mehr alle D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> unsumgeben.Nun sagt Leibniz, dass <strong>der</strong> Satz vom zureichenden Grund auch für <strong>die</strong>se kont<strong>in</strong>gentenTatsachen gilt. D.h. dass es für alles, was geschieht, e<strong>in</strong>en zureichenden Grund gibt.Leibniz nennt selbst e<strong>in</strong> Beispiel und zwar se<strong>in</strong> Werk, <strong>die</strong> Monadologie. Es gebe e<strong>in</strong>eUnendlichkeit vorangegangener Figuren und Bewegungen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wirkursache desWerkes e<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d. Solche Figuren und Bewegungen könnten alles se<strong>in</strong>, sagenwir, e<strong>in</strong>e Mahlzeit, <strong>die</strong> Leibniz vor drei Jahren e<strong>in</strong>genommen hat, denn <strong>die</strong>se gehört zu denBewegungen, <strong>die</strong> zur Monadologie führten. Doch es gibt nicht nur <strong>die</strong>se zurückliegendenUrsachen, son<strong>der</strong>n es gibt e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>alursache, an welcher e<strong>in</strong>e Unendlichkeit kle<strong>in</strong>ersowohl gegenwärtiger als auch vergangener Neigungen und Anlagen me<strong>in</strong>er Seele Anteilhaben. Also es gibt auch e<strong>in</strong>e Ursache, auf <strong>die</strong> alles h<strong>in</strong>ausläuft und <strong>die</strong> als solche schon<strong>in</strong> das, was geschieht und ergo auch geschah, e<strong>in</strong>greift. Ich sagte schon, dass Leibniznicht nur an <strong>die</strong> Schöpfung <strong>der</strong> Monaden denkt, son<strong>der</strong>n auch an ihre Vernichtung, d.h.mit an<strong>der</strong>en Worten, an das Ende <strong>der</strong> Welt. Auch <strong>die</strong>se F<strong>in</strong>alursache verursacht.Nun nennt Leibniz überraschen<strong>der</strong> Weise <strong>die</strong>se Tatsachenwahrheiten nachwievor„kont<strong>in</strong>gent“, d.h. zufällig. Wo ist aber noch <strong>der</strong> Zufall, wenn alles dem Satz deszureichenden Grunde unterliegt? Wir haben das schon bei Sp<strong>in</strong>oza kennengelernt, <strong>die</strong>sesProblem. Alles ist <strong>in</strong> (bei Sp<strong>in</strong>oza) von Ewigkeit bestimmten Kausalketten e<strong>in</strong>gefügt. DieKonsequenz ist das Ende <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genz, und d.h. für Sp<strong>in</strong>oza auch das Ende des freienWillens. Freilich - das Ganze wirft e<strong>in</strong> spezifisches Licht auf das Phänomen des Zufalls -für Sp<strong>in</strong>oza lässt sich <strong>der</strong> nur dadurch erklären, dass wir zu allermeist eben nicht wissen,wie <strong>die</strong> Kausalketten verlaufen. So etwas Ähnliches sagt auch Leibniz. „Meistens“ s<strong>in</strong>d uns<strong>die</strong> Gründe nicht bekannt. So können wir eben me<strong>in</strong>en, es sei e<strong>in</strong> Zufall, dass ich existiere,<strong>in</strong> Wirklichkeit müsste sich das irgendwie erklären lassen (durch e<strong>in</strong>en Supercomputer).Doch an<strong>der</strong>s als Sp<strong>in</strong>oza will Leibniz nicht zur Sp<strong>in</strong>ozanischen Konsequenz kommen, erwill weiterh<strong>in</strong> an Kont<strong>in</strong>genz und Freiheit festhalten. Das versucht er mith<strong>in</strong> durch <strong>die</strong>82

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